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Meinung

Nazi-Vorwürfe gegen ukrainischen Sänger
Piwowarow tritt nach Absage am Bürkliplatz auf

Artem Piwowarow bei seinem Auftritt auf dem Bürkliplatz.
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Kurz vor dem Eindunkeln schreitet am Montagabend Artem Piwowarow am Bürkliplatz am Kassenhäuschen der Schifffahrtsgesellschaft vorbei. Er trägt ein weisses T-Shirt, auf dem Rücken sind Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko beim Bruderkuss abgebildet.

Im Schlepptau hat der ukrainische Sänger seine Bandmitglieder und mehrere Hundert meist weibliche Fans, viele mit ukrainischen Flaggen. Sie alle wollen ihn singen hören.

«Die Polizei nannte mich einen Nazi.»

Artem Piwowarow, ukrainischer Sänger

Eigentlich wäre er gern im Jugendhaus Dynamo aufgetreten, doch dort hat die Stadtverwaltung seinen Auftritt verboten. Sie war von anonymen Personen auf Social-Media-Profile aufmerksam gemacht worden, auf denen der Sänger mit ukrainischen Kämpfern zu sehen ist, die neben der ukrainischen auch eine schwarz-rote Flagge halten.

Solche Fahnen wurden im Zweiten Weltkrieg von ukrainischen Nationalisten getragen, die teilweise mit Hitler gegen die Sowjets kämpften.

Sein Auftritt sei von den lokalen Behörden verboten worden, sagt Sänger Piwowarow am Bürkliplatz: «Die Polizei nannte mich einen Nazi, mich und nicht etwa diese Bastarde da», sagt Piwowarow auf Englisch und zeigt mit dem Daumen zum Bild auf seinem T-Shirt. Gelächter im Publikum. Dann greift der Sänger zur Gitarre und beginnt zu spielen.

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Doch wie ist das nun genau mit den Nazivorwürfen? Gemäss der Osteuropa-Spezialistin des «Tages-Anzeigers», Zita-Affentranger, ist die rot-schwarze Fahne heute in der Ukraine vor allem ein Zeichen des Widerstandes und entsprechend weit verbreitet. Es gibt zwar auch eine rechtsextreme Gruppe, die die Flagge noch benutzt, allerdings mit einer Aufschrift, die auf den Bildern nicht zu sehen ist.

Ein Bild auf Piwowarows Profil zeigt auch die sogenannte Tyr-Rune. Sie wird in der Ukraine von eindeutig rechtsradikalen Gruppierungen verwendet.

Potenziell gefährliche Situationen erwartet

Hat die Polizei Piwowarow tatsächlich als Nazi bezeichnet und seinen Auftritt deswegen abgesagt? Die Antwort der sozialen Dienste der Stadt Zürich lautet zusammengefasst: jein.

Man habe nach Absprache mit zwei Polizei-Experten und Extremismus-Forscherin Mirjam Eser Davolio von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften entschieden. «Aufgrund der Inhalte auf Social Media des Sängers» habe sich eine polarisierende Dynamik abgezeichnet, schreibt Sprecherin Christina Klausener auf Anfrage. Es seien letztlich Sicherheitsbedenken gewesen, die zur Absage führten.

Konkret befürchtete die Stadtverwaltung, vor und nach dem Konzert hätten «potenziell gefährliche Situationen» entstehen können. «Die Stadt hat eine Schutzpflicht, die gerade bei einem Jugendkulturhaus wie dem Dynamo hoch zu gewichten ist», schreibt Klausener weiter.

Der NZZ liegt der Absagebrief des Dynamo vor. Gemäss dem Artikel wird darin nicht ausgeschlossen, dass Piwowarow hinter rechtsextremem Gedankengut steht: «Das widerspricht unseren demokratischen Werten», heisst es im Brief.

Interessant ist, dass ein anonymer Hinweis ausreicht für die Absage eines Konzertes. Laut Klausener ist der Stadt der Absender des Hinweises nicht bekannt, und die Verwaltung hat auch nicht danach geforscht. Man habe sich an die behördlichen Vorgaben gehalten, welche den Umgang mit anonymen Hinweisen regeln.

Die Verwaltung habe mit Expertinnen gesprochen, die Posts aus den sozialen Medien geprüft und dann entschieden.

Stadtpolizei rückte aus

Judith Hödl, Sprecherin der Stadtpolizei, bestätigte, dass Piwowarow am Bürkliplatz aufgetreten ist. Die Stadtpolizei sei aus der Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht worden und sei ausgerückt.

Da der Sänger ohne Verstärker aufgetreten ist, hätten ihn die Beamten lediglich gebeten, sein spontanes Konzert vor der Nachtruhe zu beenden, was er auch getan habe. Hödl bestreitet, dass Piwowarow von der Stadtpolizei als Nazi bezeichnet worden sei: «Wir hatten mit dem Mann im Vorfeld gar keinen direkten Kontakt.»

«Wir haben eine Mission im Namen der Ukraine, im Unterschied zu den Nazis verteidigen unsere Kämpfer ihr Land und überfallen keine anderen.»

Artem Piwowarow, ukrainischer Sänger

Der Sänger begründet seinen Auftritt, den er am Bürkliplatz filmen lässt und später auf Instagram postet, folgendermassen: «Wir haben eine Mission im Namen der Ukraine, im Unterschied zu den Nazis verteidigen unsere Kämpfer ihr Land und überfallen keine anderen.»

Im Jugendkulturhaus Dynamo ist am 25. Juni ein Konzert des Ukrainers Oleg Skripka geplant. Auch er wurde gemäss NZZ von anonymen Hinweisgebern in den Dunstkreis von Rechtsextremen gerückt. Deshalb laufen laut Klausener auch in diesem Fall Abklärungen der Stadtverwaltung. Ob das Konzert stattfindet, ist noch offen.