Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Urteil mit Folgen
Pierre Maudet hat Korruptionsdelikt begangen

War es das mit seinem Comeback als Politiker? Das Bundesgericht hat den gefallenen Genfer Politstar Pierre Maudet wegen Vorteilsannahme verurteilt. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Offenes Hemd statt steifer Kragen, dazu ein Dreitagebart anstelle einer perfekten Rasur. Mit seinem legeren Look und vielen neuen Ideen mischt der gefallene Politstar Pierre Maudet derzeit den Genfer Regierungswahlkampf auf. Der 44-Jährige arbeitet darauf hin, dass ihn die Genferinnen und Genfer im April 2023 zurück in den Staatsrat wählen. Doch bei diesem Plan kommt ihm nun das Bundesgericht in die Quere: In einem am Mittwoch veröffentlichten Verdikt verurteilt das oberste Gericht Maudet wegen Vorteilsannahme, eines Korruptionsdelikts.

Nach acht Regierungsjahren und einer erfolglosen Kandidatur für die Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter war Maudet 2020 als Staatsrat zurückgetreten. Damit reagierte er auf seine erstinstanzliche Verurteilung wegen Vorteilsannahme. Im November 2015 hatte er sich mit seiner Familie und seinem Stabschef auf eine 50’000 Franken teure Reise nach Abu Dhabi einladen lassen – bezahlt hatte das dortige Königshaus. Zwar kandidierte Maudet nach seinem Rücktritt 2021 noch als sein eigener Nachfolger, verlor seinen Regierungssitz aber an die Grüne Fabienne Fischer.

Doch dann sprach ihn das Kantonsgericht im Januar 2022 in zweiter Instanz frei – und Maudet sah den Weg geebnet für ein politisches Comeback: Er kündigte seine erneute Kandidatur an. 

«Die Reise nach Abu Dhabi stellt einen nicht gebührenden Vorteil dar.»

Aus der Medienmitteilung des Bundesgerichts

Die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts stösst das Urteil des Kantonsgerichts nun wieder um und stellt klar: «Die Reise nach Abu Dhabi stellt einen nicht gebührenden Vorteil dar.» Pierre Maudet und sein Stabschef Patrick Baud-Lavigne seien sich bewusst gewesen, «dass ihnen der gewährte Vorteil nicht gebührt, und fanden sich damit ab, aufgrund ihrer amtlichen Funktionen profitiert zu haben. Sie haben sich damit der Vorteilsannahme schuldig gemacht.» 

Das Bundesgericht schickt den Fall nun zu einer Neubeurteilung ans Genfer Kantonsgericht zurück. Dieses muss nun das Strafmass festlegen. Die Genfer Staatsanwaltschaft, die den Fall vor das Bundesgericht zog, fordert für Maudet einen bedingt ausgesprochenen Freiheitsentzug von 14 Monaten. Darüber hinaus soll er dem Kanton eine Kompensationszahlung von 84’000 Franken entrichten. 

Klare Kriterien für Korruption

Der Richterspruch aus Lausanne weist über den Fall Maudet hinaus und muss jede andere Politikerin und jeden anderen Politiker in der Schweiz interessieren, die ebenfalls ab und zu Geschenke oder Einladungen annehmen. Das Bundesgericht führt in seinem rund 40 Seiten langen Urteil aus, was erfüllt sein muss, damit der Straftatbestand der Vorteilsannahme erfüllt ist. «Jede objektiv messbare Verbesserung der Situation des Empfängers – rechtlich, wirtschaftlich oder persönlich – wird als Vorteil angesehen», schreibt das Gericht. Dabei könne es sich um einen Geldbetrag handeln, aber zu den Kriterien für den Begriff «Vorteil» zählten auch Zuwendungen in Form von Sachleistungen oder geschenkter Wertgegenstände. Auch die Bereitstellung eines Mietwagens oder die Gewährung von Rabatten bei Händlern oder – wie im Fall Maudet – das Angebot einer Reise könnten eine Vorteilsannahme sein. Der Straftatbestand zählt zum erweiterten Kreis der Korruptionsdelikte. 

Pierre Maudet und sein Stabschef Patrick Baud-Lavigne dementierten vor dem Genfer Gericht stets, bestochen worden zu sein. Sie betonten vielmehr, sie hätten keinerlei Gegenleistungen erbracht und es seien auch keine solchen eingefordert worden. 

Kein günstiges Klima schaffen

Das Bundesgericht hält gemäss seinem Urteil unmittelbare Gegenleistungen nicht für eine zwingende Voraussetzung für eine Vorteilsannahme. Es schreibt: Der Vorteil, den das Herrscherhaus von Abu Dhabi offeriert habe, sei als Manöver zu werten, sich bei den Schweizer Staatsvertretern Maudet und Baud-Lavigne in Zukunft «Wohlwollen» und ein «günstiges Klima» zu sichern. Das Königshaus in Abu Dhabi habe Maudet und seine Familie nur deswegen eingeladen, weil er Genfer Staatsrat sei. In Genf hielten sich Mitglieder der Königsfamilie im Übrigen selbst gerne nachweislich öfters auf, und es hätten auch Pläne für gemeinsame Polizeikooperationen zwischen Genf und dem Emirat gegeben. Die Reise habe nie einen offiziellen Charakter gehabt, denn Maudet selbst habe die Reise als «halb offiziell, halb privat» bezeichnet.

Das Bundesgericht hat auch einen in Genf tätigen libanesischen Immobilienunternehmer und seinen ehemaligen Angestellten verurteilt. Dies, weil die beiden an der Organisation der Zuwendung an Maudet aktiv beteiligt waren, worin das Gericht eine Täterschaft im einen und Gehilfenschaft zur Vorteilsgewährung im anderen Fall sieht.

«Pierre Maudet kann man nicht ernsthaft vorwerfen, dass er genau einschätzen konnte, ob seine Reise nach Schweizer Recht verboten war oder nicht.»

Grégoire Mangeat, Anwalt von Pierre Maudet

Maudets Anwalt Grégoire Mangeat nimmt seinen Klienten in Schutz. Nach der schriftlichen Urteilseröffnung schrieb er auf Twitter: «Drei aufeinanderfolgende Gerichte haben die genauen Grenzen des Strafrechtsartikels, der die Vorteilsannahme unter Strafe stellt, sehr unterschiedlich und widersprüchlich betrachtet. Unter diesen Umständen (...) kann man Pierre Maudet nicht ernsthaft vorwerfen, dass er genau einschätzen konnte, ob seine Reise nach Schweizer Recht verboten war oder nicht.»

Mangeat will seinem Klienten wohl auch hinsichtlich seines Comebacks als Politiker unter die Arme greifen. Nach seinem Rauswurf bei der FDP ist Maudet zurzeit daran, sich eine eigene Partei aufzubauen. Im Genfer Lokalfernsehen Léman Bleu gab er sich zuletzt siegessicher: «Das Volk hat mir noch nicht Adieu gesagt.» Die Frage ist, wie er auf das Bundesgerichtsurteil reagiert. Denkbar ist sogar, dass sich Maudet aus dem Wahlkampf zurückzieht.