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Russische Propaganda
De Gaulles Enkel sammelt in Genf Geld für eine Allianz mit Russland

RUSSIA, MOSCOW - JANUARY 31, 2023: Pierre de Gaulle, grandson of former president of France Charles de Gaulle, attends a roundtable discussion titled Memory of World War II in Russia and France. Marking the 80th anniversary of the victory in the WWII Battle of Stalingrad on preserving historical memory about THE Second World War in Russia and France, at the Rossiya Segodnya press centre. Sergei Fadeichev/TASS/Sipa USA Russia: Roundtable discussion Memory of World War II in Russia and France NOxUSExINxGERMANY PUBLICATIONxINxALGxARGxAUTxBRNxBRAxCANxCHIxCHNxCOLxECUxEGYxGRExINDxIRIxIRQxISRxJORxKUWxLIBxLBAxMLTxMEXxMARxOMAxPERxQATxKSAxSUIxSYRxTUNxTURxUAExUKxVENxYEMxONLY
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Genf scheint die Familien prominenter französischer Politiker magisch anzuziehen. Die Nachkommen des ehemaligen Präsidenten François Mitterrand oder von Ex-Premier Edouard Balladur leben hier sehr diskret. Ganz im Gegensatz zu Pierre de Gaulle. Über den Enkel des legendären Generals und Begründers der Fünften Französischen Republik wird ziemlich viel geredet in der Stadt am Genfersee.

Der Grund: Der 60-jährige Pierre de Gaulle macht unverblümt Propaganda für das Regime von Wladimir Putin. So etwa lobte er im vergangenen Jahr auf einem mit Putin sympathisierenden Onlineportal die russische Gesellschaft als Alternative zur «Dekadenz der westlichen Zivilisation». Wenn er nach Russland komme, «finde ich ein wenig das Frankreich der 60er-Jahre wieder (...), den Respekt, die Höflichkeit, den Glauben», schwärmt de Gaulle.

Solche Worte eines Westlers mit prominentem Namen werden in Moskau sehr geschätzt. Allein im vergangenen Jahr reiste der Wahlgenfer mindestens viermal nach Russland. «Es ist eine grosse Ehre, den Enkel von General de Gaulle zu empfangen», rief ihm Putin im Oktober an einer Konferenz in Sotschi zu. Einen Monat später dankte der russische Präsident in Sankt Petersburg de Gaulle «für Ihre Aktivitäten zugunsten der Annäherung Frankreichs und Europas an Russland».

Westliche Gäste verbreiten Sichtweise des Kreml

Wenn Putin Pierre de Gaulle so betont herzlich empfange, dann habe das Methode, erklärt der finnische Spezialist für Online-Desinformation, Pekka Kalliomieni: Indem sich die russische Führung mit westlichen Unterstützern zeige, verleihe sie ihnen Legitimität, die ihnen in ihrer Heimat fehle. Im Gegenzug «verbreiten diese westlichen Gäste die Sichtweise des Kreml, insbesondere zur Ukraine», sagt Kalliomieni. So behauptet Pierre de Gaulle unter anderem, dass der Ukraine-Krieg von den USA provoziert worden sei, um Europa zu schwächen.

epa10901777 Russian President Vladimir Putin attends a plenary session as part of the 20th annual meeting of the Valdai Discussion Club titled 'Fair Multipolarity: How to Ensure Security and Development for Everyone' in Sochi, Krasnodar region, Russia, 05 October 2023. 'The main thing is to free international relations from the bloc approach, from the legacy of the colonial era and the Cold War. We have been talking for decades about the indivisibility of security, about the fact that it is impossible to ensure the security of some at the expense of the security of others, and, indeed, harmony in this area is achievable. You just need to put aside pride, arrogance and stop looking at others as second-class partners or as outcasts or savages,' Putin said at a plenary session of the Valdai International Discussion Club.  EPA/SERGEY GUNEEV/SPUTNIK/KREMLIN POOL MANDATORY CREDIT

Pierre de Gaulle verbreitet nicht nur Putins Propaganda. Wenn der Enkel des Generals in den vergangenen Monaten und Jahren nach Russland reiste, stellte er sich gerne als Vorsitzender einer «Stiftung Pierre de Gaulle für Frieden und Wohlstand unter den Völkern» vor. Ihr Zweck ist laut eigener Definition die Förderung einer «multipolaren Welt» und die «Bewahrung traditioneller Werte im Westen». Es sind Phrasen, die auch der russische Präsident immer wieder verwendet. 

In einem Video auf der Website sagt Pierre de Gaulle, er wolle «das Frankreich meines Grossvaters wieder aufbauen». Auch das Manifest der Stiftung beruft sich auf den General und fordert eine Allianz mit Russland. Denn: «Einigkeit bedeutet für Frankreich und Russland, stark zu sein.»

Gegen die «morbiden Werte des Westens»

Zu den Unterstützern der Stiftung, die auf der Website genannt werden, gehören Franzosen, die sich bei der extremen Rechten engagieren. Etwa der einflussreiche Ideologe der Szene, Emmanuel Leroy. Er sieht Russland als «letztes Bollwerk im tödlichen Kampf gegen die morbiden Werte des Westens».

Laut der eigenen Website ist die Stiftung eine «Körperschaft nach Schweizer Recht, die sich im Registrierungsverfahren befindet». Weil Frankreich der Stiftung die Eröffnung eines Bankkontos verweigere, müsse das Geld in der Schweiz überwiesen werden, heisst es auf der Website. Deshalb sei die Stiftung in Genf ansässig, «dem Arbeitsort ihres Gründers».

Die Gründung dieser Stiftung hatte Pierre de Gaulle bereits vor fast einem Jahr in der «Weltwoche» angekündigt. Bloss: Bis heute gibt es lediglich die Website, aber in der Schweiz keine Stiftung unter seinem Namen. Was ist der Grund?

Stiftungsaufsicht prüft mögliche Verbindungen nach Russland

Tatsächlich ist das Handelsregisteramt in Genf überlastet und die Eintragung einer Stiftung kann mehrere Monate dauern. Andererseits kann eine Eintragung aber auch an formalen Kriterien scheitern. So muss zumindest eine Person im Stiftungsrat ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Das ist bei den auf der Website angeführten Führungskräften der Stiftung Pierre de Gaulle nicht der Fall. De Gaulle soll zwar immer noch in Genf wohnen, aber die SonntagsZeitung konnte an der offiziell angegebenen Adresse dafür keinen Beweis finden.

Des weiteren braucht jede neue Stiftung den Segen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. Diese prüft unter anderem, «ob es mögliche Verbindungen zu russischen Personen gibt, die wegen der Invasion in der Ukraine sanktioniert wurden», wie ein Sprecher erklärt. 

Website der Stiftung Pierre de Gaulle: Ein Spendenaufruf und viele Videos – aber noch keine Registrierung in der Schweiz.

Bei Pierre de Gaulle sind diese Verbindungen offensichtlich: Er ist Vertreter der «Internationalen Bewegung der Russophilen in Frankreich. Sie wurde 2023 in Moskau gegründet und wird von Wladimir Putin sowie ideologischen Hardlinern seines Regimes unterstützt: dem Philosophen und ultranationalistischen Politiker Alexander Dugin, dem Oligarchen und Medienunternehmer Konstantin Malofeew oder der Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa. Sie alle wurden von westlichen Ländern mit Sanktionen belegt, auch von der Schweiz.

Pierre de Gaulle zog es vor über 15 Jahren nach Genf. 2008 nahm er einen Job bei der Privatbank Edmond de Rothschild an. Die Bank erwartete, dass er in den gehobenen Kreisen, in denen er verkehrte, neue Kunden gewinnen würde. Doch die Hoffnung wurde enttäuscht. Ehemalige Kollegen berichten, de Gaulle sei nicht sehr fleissig gewesen und oft schon Freitagmittag Richtung Paris verschwunden.

Bis 2022 war Pierre de Gaulle oft auf High-Society-Anlässen anzutreffen, in Paris, Monaco oder der Schweiz. Sein prestigeträchtiger Name war sein Eintrittsticket. «Er ist ein sehr charmanter, angenehmer und gut erzogener Mensch, der seinem Grossvater würdig ist», sagt die Genfer Society-Grösse Nadine de Rothschild. Sein Whatsapp-Profilbild zeigt de Gaulle in noblem Interieur, neben ihm eine Flasche Champagner.

Einkauf im nahe gelegenen Waffenladen

Bei seinem Arbeitgeber wurde das Verhalten von de Gaulle jedoch eher als exzentrisch wahrgenommen. Er habe die Demokratie kritisiert und die verlorene Grösse Frankreichs bedauert, berichten ehemalige Kollegen. Manchmal sei er im nahe gelegenen Waffenladen einkaufen gegangen und habe teure Jagdgewehre mit ins Büro gebracht.

Auf Linkedin schreibt Pierre de Gaulle, er sei «Leitender Berater des Vorstandes» der Edmond de Rothschild gewesen – ein Titel, den er aber gar nie hatte. «Die Angabe auf seinem Linkedin-Konto stimmt nicht mit seinem offiziellen Titel überein», stellt die Bank klar. Er sei normaler Private Banker gewesen.

2016 verliess de Gaulle die Edmond de Rothschild und wechselte zu anderen Banken. Erst zur UBP, dann zur Heritage. Dort blieb er nach eigenen Angaben bis 2022, nach Angaben der Heritage lediglich bis Mitte 2021. Seine derzeitige berufliche Tätigkeit ist unklar. Auf Linkedin bezeichnet er sich als «Leitender Berater für Fusionen und Übernahmen». Aber seine Genfer Firma, «Pierre de Gaulle Conseils», existierte 2021 nur drei Monate lang.

Ehemalige Berufskollegen, die nicht namentlich genannt werden wollen, erzählen, dass Pierre de Gaulle regelmässig seinen Schwiegervater angerufen und ihn um Geld gebeten habe. Offenbar reichte sein Gehalt als Banker nicht aus, um seinen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren. 

Dieser Schwiegervater ist ein reicher Geschäftsmann aus Algerien. Er kämpfte im  Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich und wurde danach zu einem Oligarchen mit guten Verbindungen zum Regime. «Er ist ein äusserst diskreter Mensch, der jede Aufmerksamkeit vermeidet. Er verkehrt nicht mit Politikern, sondern mit Militärs», erklärt ein Experte für nordafrikanische Politik, der nicht namentlich genannt werden möchte, weil das Thema zu heikel sei. 

Über 23’000 Franken an Spendengeldern gesammelt

Über den Schwiegervater spricht auch Pierre de Gaulle niemals in der Öffentlichkeit. Hingegen beruft er sich ständig auf seinen berühmten Grossvater. Bei seinen Auftritten betont er immer wieder, wie sehr Charles de Gaulle Russland geschätzt habe. Das sagt der Enkel auch in einem aktuellen Interview, das auf der Website seiner Stiftung publiziert ist.

Auf ihrer Homepage klagt die Stiftung, dass sie einer «Zensurkampagne» ausgesetzt sei, die von verschiedenen Dienstleistern komme, auch von einer Schweizer Bank. Deren Namen wird jedoch nicht genannt. Der Spendenaufruf der Stiftung findet offenbar trotzdem Gehör: Innert vier Monaten spendeten 330 Personen insgesamt über 23’000 Franken.

Für was soll das Geld verwendet werden? Pierre de Gaulle liess sämtliche Fragen zu dieser Recherche unbeantwortet.

Mitarbeit: Bernhard Odehnal