Pia Sundhage übernimmt NationalteamDie Schweiz bekommt eine Trainerin mit Weltruf – und Gitarre
Die Schweizerinnen werden von einer zweifachen Olympiasiegerin an die EM im eigenen Land geführt. Mit Pia Sundhage investiert der Verband in sein Frauenteam – und er nimmt den Spielerinnen alle Ausreden.
Als Pia Sundhage das Nationalteam der USA übernahm, griff sie in der ersten Teamsitzung zur Gitarre. «The times, they are a-changing», sang sie ihren neuen Spielerinnen vor. Sundhage sang auch beim ersten Treffen mit Schwedens Nationalspielerinnen. Wobei da die erste Reaktion eher verhalten war, wie sich Caroline Seger später erinnerte: «Wir haben sie einfach angestarrt.»
Möglich, dass Sundhage auch den Schweizerinnen mit ihrer bemerkenswert gut ausgebildeten Stimme etwas vorsingen wird. «Vor einer Heim-EM werden alle gestresst sein», sagt sie bei ihrer Vorstellung als neue Nationaltrainerin der Schweiz, «aber das ist Fussball! Das musst du geniessen. Den Moment, den Druck. Darum singe ich den Spielerinnen manchmal ein Lied.»
Selbst wenn Sundhage ihre Gitarre erst mal ruhen lassen sollte: Der Fussballverband bringt mit der Verpflichtung der 63-jährigen Schwedin einen neuen Sound in sein Nationalteam der Frauen.
Wie Ottmar Hitzfeld 2008
Sundhage ist eine prägende Figur in der Entwicklung des modernen Frauenfussballs. Und eine der erfolgreichsten mit einer silbernen und zwei goldenen Olympiamedaillen sowie einem zweiten Platz an einer Weltmeisterschaft. Eine Trainerin von Weltruf. Ihre Ernennung ist eigentlich nur vergleichbar mit jener von Ottmar Hitzfeld zum Trainer der Schweizer Männer 2008.
Der Verband zeigt damit einerseits, dass ihm dieses Team etwas wert ist. Dass er gewillt ist, mit Blick auf die EM 2025 in sein Nationalteam zu investieren. Und damit auch, dass er ernsthaft die Chance ergreifen will, mit dem Heimturnier dem Fussball der Frauen in der Schweiz einen nachhaltigen Schub zu geben.
Die Verbandsspitze entzieht den Spielerinnen mit ihrer Ernennung auch alle möglichen Ausreden. In den letzten Jahren war immer wieder Kritik an der Teamführung bis an die Öffentlichkeit gedrungen.
Erst wurde die kurze Leine unter Martina Voss-Tecklenburg moniert. Dann soll unter Nils Nielsen zu wenig intensiv trainiert worden sein. Zuletzt kam es zum praktisch öffentlich ausgetragenen Machtkampf zwischen Inka Grings und Führungsspielerinnen wie Ana Maria Crnogorcevic.
Sie hat Weltstars trainiert
Sundhage kommt nun nicht nur mit der Autorität von zwei Olympiasiegen mit den USA (2008, 2012) in die Schweiz. Sie wird von ihren ehemaligen Spielerinnen auch als faszinierende Mischung aus äusserst herzlich und extrem fordernd geschildert. Der eben zurückgetretene US-Star Megan Rapinoe sagt: «Sie ist gleichermassen tiefenentspannt wie pingelig.»
Bei ihrer Vorstellung am Dienstag redet Sundhage viel darüber, wie zentral für sie ein guter Teamgeist ist, wie viel sie kommunizieren will. Und dass sie stets auf jede Spielerin individuell eingeht: «Weil wir alle unterschiedlich sind.»
Links von ihr erklärt zwischendurch Marion Daube, Direktorin Frauenfussball, wie wichtig «internationale Erfahrung» bei der Wahl gewesen sei. Rechts sagt Verbandspräsident Dominique Blanc, Sundhage erfülle ein «neues Profil. Wir haben unsere Lehren aus dem letzten Jahr gezogen.»
Das alles klingt danach, dass die neue Trainerin all das mitbringen soll, woran es ihrer Vorgängerin gemangelt hat. Unter Inka Grings haben die Schweizerinnen zwar die Achtelfinals an der WM 2023 erreicht. Aber am Ende ihrer Amtszeit war das Team sportlich am Boden und innerlich zerrissen.
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Sundhage ist mit solchen Situationen vertraut. Als sie 2007 das US-Nationalteam erhielt, war die Gruppe ebenfalls im Tief. «Das Gute an so einem Moment ist, dass die Spielerinnen von sich aus eine Veränderung wollen», sagt sie am Dienstag.
Wobei sie erfahren genug ist, um nicht gleich alles auf den Kopf zu stellen. Ein paar Junge werden beim ersten Aufgebot aber sicher ihre Chance erhalten. Beim Sieg der Schweizer U-19 gegen Spanien sind Sundhage einzelne Spielerinnen ganz besonders ins Auge gestochen.
Bis 2025 läuft der Vertrag mit Sundhage. Doch geht es nach ihrer Vorgesetzten Daube, dann soll die Arbeit der Schwedin weit über das Ende der Europameisterschaft hinausstrahlen: «Sie will bei uns etwas Grundsätzliches hinterlassen.»
«Das war die beste Zeit meines Lebens»
Zunächst aber richtet Pia Sundhage ihren Blick ganz auf die EM-Endrunde in der Schweiz. Mit Schweden hat sie 2013 schon einmal eine Euro als Trainerin der Gastgeberinnen erlebt. «Das war die beste Zeit meines Lebens», sagt Sundhage über jene Vorbereitung auf das Heimturnier, über die Aufmerksamkeit, aber auch den Druck.
Bis in den Halbfinal ist sie damals mit ihrem Team gekommen. Ein Ziel, das derzeit für die Schweizerinnen unrealistisch scheint. Trotzdem sagt Pia Sundhage: «Wir werden gemeinsam eine fantastische Reise machen.»
Was sie mitbringen wird? «Zum Glück bin ich so alt», sagt Pia Sundhage mit diesem Lachen, das schon bei ihren ehemaligen Spielerinnen Eindruck gemacht hat: «Ich kann also all meine Erfahrung einbringen.»
Das – und vielleicht ihre Gitarre.
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