Philipp Loser über die ZoomerDie Gen Z ist auf der Spur einer grösseren Wahrheit
Faul und viel zu anspruchsvoll: so sind die Zoomers angeblich. Die vermeintliche Arbeitsunwilligkeit der Jugend hat aber andere Gründe.
Zu den ältesten Klagen überhaupt gehört die Klage über jene, die nach einem kommen. Die Jungen können nichts. Die Jungen machen nichts. Die Jungen wissen nichts.
Aktuell ist das schön zu sehen beim ausgeprägten Jammern über die Generation Z. Dazu gehören alle Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind. Es ist die erste Generation, die mit Smartphones und Breitbandinternet aufgewachsen ist, man nennt sie «Zoomer», was eine Abwandlung von «Boomer» ist, und diese Generation Z ist angeblich: faul, verwöhnt, viel zu anspruchsvoll. Leute der Gen Z streuen zu viele englische Wörter in ihre Alltagssprache (können die nicht mehr correctly Deutsch?), sie sind self-aware, möchten immer mindful sein und bei der Work-Life-Balance tendieren sie zu möglichst viel Life und möglichst wenig Work.
Zusammengefasst: «Die Generation Z ist sich gewohnt, dass sich die Umgebung ihnen anpasst, und nicht sie sich der Umgebung anpassen müssen. Sie haben nicht gelernt, sich mal durchbeissen zu müssen.»
So sagte es der Generationenforscher Rüdiger Maas kürzlich in einem viel beachteten Interview mit der «Aargauer Zeitung».
Als Reaktion auf das Interview gab es verschiedenste Wortmeldungen in der Zeitung. Es meldeten sich Leserbriefschreiber (Jahrgang Boomer), die Maas eifrig zustimmten, es meldeten sich aber auch junge Redaktorinnen und Redaktoren, die selber Teil der Generation Z sind und sich missverstanden fühlten.
Am eindrücklichsten war dabei der folgende Gedanke des jungen Kollegen Simon Maurer (Jahrgang 1997). Er schreibt: «Der tatsächliche Grund für die vermeintliche Arbeitsunwilligkeit der Jugend ist nämlich nicht Angst vor Burn-out oder eine missglückte Erziehung. Sondern die Tatsache, dass sich Leistung in unserer Gesellschaft nicht mehr lohnt. Egal wie viel man arbeitet, egal wie tüchtig ein Schüler lernt – aus eigener Kraft kann er 2024 in Mitteleuropa den Aufstieg an die Spitze der Gesellschaft nicht mehr schaffen.»
Was für eine trauriger, was für ein konsequenter Gedanke. Und, leider, was für ein wahrer Gedanke. Ein guter Mittelstandslohn, sogar ein richtig guter, reicht heute kaum mehr aus, um sich etwa ein Haus zu kaufen. Man muss das Haus erben.
Dabei war das Leistungsprinzip, der Grundstein des Liberalismus, eigentlich einmal dazu gedacht, die feudalen Strukturen zu überwinden. Nicht Herkunft sollte über den Platz in einer Gesellschaft entscheiden, sondern die eigene Arbeit, die eigene Leistung.
In Zeiten des spekulativen Hochleistungskapitalismus wird das Leistungsprinzip heute nur noch von Fall zu Fall angewendet, wie der deutsche Soziologe Sighard Neckel schreibt. Während die wirtschaftlichen Spitzengruppen Verdienste weit ausserhalb irgendwelcher Leistungskriterien erzielen (Neckel nennt es «leistungslose Erfolge»), «wird das Leistungsprinzip gegenüber sozialen Verlierern als Instrument der staatlichen Kontrolle verwendet».
In welche dieser Gruppen man kommt, oben oder unten, hat zuerst mit der eigenen Geburt zu tun. «Herkunftsbedingungen und Vorteile, die nicht auf eigenen Leistungen beruhen, sind wesentliche Einflussfaktoren dafür, welchen Platz man in der sozialen Rangordnung einnehmen kann», sagt Neckel, und das zeigen auch zahlreiche Studien. Wer von der Spitze der Gesellschaft aus startet, hat die viel besseren Voraussetzungen, auch wieder dort zu enden.
Wenn nun die Mitglieder der Generation Z versuchen, aus diesen Umständen das Beste zu machen, mit einer gewissen Anspruchshaltung an die Arbeitswelt und letztlich an sich selbst, dann kann man das natürlich als lächerlich abtun. Man könnte sich aber auch fragen, ob sie hier tatsächlich einer grösseren Wahrheit auf der Spur sind.
Ganz mindful und self-aware.
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