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Meinung

Philipp Loser über Schweizer Machos
Frauen machen die Gesellschaft progressiver

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«Wir waren machoide Arschlöcher.» Der Satz stammt von Cédric Wermuth, dem Co-Präsidenten der SP, und er fiel vor den letzten eidgenössischen Wahlen. Seine Co-Präsidentin Mattea Meyer sass daneben und ergänzte: «Heute wird von jungen linken Männern eine stärkere Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien erwartet.»

Dieser kurze Austausch lässt sich in alle möglichen Richtungen interpretieren. Zum Beispiel hat das frühere Verhalten von Wermuth und seinen Kumpels wahrscheinlich schon mit ihnen persönlich zu tun – aber eben nicht nur. Bis vor kurzem war die Welt (war die Schweiz) ganz generell ein Ort, wo es völlig in Ordnung war, ein machoides Arschloch zu sein. Wo es sogar einen Vorteil bedeutete, wo Männer damit vorankamen!

Wenn von jungen linken Männern heute erwartet wird, dass sie sich mit ihren eigenen Privilegien auseinandersetzen, ist das ein klares Zeichen für einen Wandel. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass es in linken Parteien für Männer generell anstrengender geworden ist.

Ist ja nichts als logisch!

Linke Politik hat immer den gleichen Anspruch an sich selbst: Die Gesellschaft gerechter machen. Linke Politik ist darum für Minderheiten oder Unterprivilegierte attraktiv, für Mehrheiten oder Privilegierte in der Tendenz mühsam.

Exemplarisch sieht man das am Graben der Geschlechter. Schon im letzten Sommer hat der Politgeograf Michael Hermann nachgewiesen, dass die politischen Unterschiede zwischen jungen Frauen und jungen Männern immer grösser werden. Seine Auswertung von Abstimmungsbefragungen zeigt, dass sich aktuell 52 Prozent der Frauen zwischen achtzehn und neunundzwanzig Jahren als links bezeichnen. 2010 waren es erst 35 Prozent. Bei den Männern: genau umgekehrt. 43 Prozent verorten sich rechts der Mitte (2010: 29 Prozent).

Interessant ist nun, dass diese Entwicklung nicht auf die Schweiz beschränkt ist. Eine aktuelle Auswertung der «Financial Times» zeigt, dass sich in ganz vielen Ländern die Menschen unter dreissig Jahren in unterschiedliche politische Richtungen bewegen. Die Frauen nach links, die Männer nach rechts. Es gebe global nicht eine Gen Z, sondern zwei, schreibt die «Financial Times». Die Gründe für das Auseinanderdriften sind in der Schweiz und der restlichen Welt die gleichen. Als Ursprung nimmt man die #MeToo-Bewegung an, die feministische (und links konnotierte) Ideen unter jungen Frauen beliebt machte. #MeToo ermächtigte junge Frauen, sich gegen festgefahrene Muster und institutionelle Ungerechtigkeiten zu wehren.

Dass sich die jungen Männer dabei gleichzeitig nach rechts bewegen und sich konservativer verhalten: klassische Gegenreaktion. Es sind Männer, die sich nicht nur plötzlich mit ihren Privilegien auseinandersetzen müssen – sondern sie auch zu verlieren drohen.

Das Auseinanderdriften der jungen Generation lässt sich dabei auf zwei Arten bewerten. Negativ, wenn man an den konservativen Backlash denkt, der aktuell vielerorts zu sehen ist. In Gesellschaften, in denen die Ungleichbehandlung von Mann und Frau noch grösser ist als in vielen westlichen Ländern, hat der wachsende Graben gar dramatische Folgen, etwa in Südkorea: Die Heiratsquote sinkt, weil sich die Geschlechter nicht verstehen, ebenso sinkt die Geburtenrate, die aktuell die tiefste der ganzen Welt ist.

Es gibt aber auch eine positive Lesart der immer grösser werdenden politischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die Geschichte des gesellschaftlichen Fortschritts ist das oft mühselige Beharren von Minderheiten auf gleichen Rechten und Möglichkeiten. Auf lange Sicht sorgen die Frauen für eine insgesamt progressivere und wahrscheinlich auch gerechtere Gesellschaft.

Davon profitieren alle. Ausser die machoiden Arschlöcher natürlich.

Philipp Loser ist Redaktor des «Tages-Anzeiger».

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