Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Vom Engadin an den Gardasee
Mit dem E-Bike über die Alpen – geht das überhaupt?

Die Montozzo-Scharte ist jeden Schweisstropfen wert und auch mit dem schweren E-Bike machbar.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Alpen von Norden nach Süden mit dem Mountainbike zu überqueren, ist für viele ein Traum und für manche sogar ein jährliches Ritual. Werner und Walter aus Köln etwa sind zum 14. Mal auf dem Weg zum Gardasee, als ich sie kurz nach Schuls im Val S-charl antreffe. Die beiden durchtrainierten Mittfünfziger sind mit dem Bio-Bike unterwegs und kommen auf dem Weg zum Pass da Costainas kräftig ins Schnaufen, während ich auf meinem Flyer frischfröhlich mit ihnen plaudere. Bei ihnen geht es um Kraft und Ausdauer, meine Herausforderungen sind Reichweite und Routenwahl.

Ich möchte herausfinden, ob es möglich ist, selbst versorgt mit einem E-Mountainbike auf einer klassischen Transalp-Route von Norden nach Süden zu fahren. Bisher habe ich bloss an organisierten E-Mountainbike-Reisen teilgenommen – und da steht mittags in der Regel jemand mit einem Ersatzakku bereit, abends wartet das Gepäck im Hotel, und unterwegs gibt es dank des Guides keine bösen Überraschungen wie Tragepassagen oder Viehzäune, die mit einem 25 Kilogramm schweren E-Bike schnell unüberwindbar sein können.

Adaptierte Route für schwereres Gefährt

Für das Ziel, den Gardasee, hatte ich mich relativ schnell entschieden. Denn an den grössten See Italiens führen gleich mehrere Strecken für Bikerinnen und Biker, die längst zu Klassikern geworden sind. So gibt es etwa die Heckmair-Route, die Joe-Route oder die Albrecht-Route. Das Planen habe ich allerdings lange hinausgeschoben. Obschon – oder gerade weil – mir bewusst war, dass das Gelingen von der Routenwahl abhängig sein würde. Und auch, dass ich da und dort mit einem E-Bike vom Original würde abweichen müssen.

Als ich mich einige Tage vor der geplanten Abreise endlich an den Computer setze, stelle ich mit Erleichterung fest, dass mir da schon jemand die Arbeit abgenommen hat: Andreas Albrecht, der Namensgeber der Albrecht-Route, hat seine Strecke selber für E-MTB adaptiert. Auf seiner Seite hat er eine Art Roadbook mit allen wichtigen Infos aufgeschaltet, bloss die GPS-Daten sind kostenpflichtig.

Die Albrecht-Route für E-MTB startet wie das Original in Garmisch-Partenkirchen. Als Schweizerin schenke ich mir die Anreise ins Allgäu und steige erst in der Mitte von Albrechts zweiter Etappe, im Unterengadin, ein.

Zwischendurch sind die Wege breit und einfach, dann wieder technisch und steil.

Das hat auch den Vorteil, dass ich die ersten beiden Tage relativ entspannt in Angriff nehmen kann. Denn die ersten 60 Kilometer ins Val Müstair und durch das Val Mora kenne ich bereits von früheren Touren. Für den Flyer Uproc X 9.50 hingegen muss ich erst ein Gefühl entwickeln. Ich habe das Hightech-Pony mit 750-Wattstunden-Akku, 95-Newtonmeter-Motor und zweimal 150-Millimeter-Federweg bloss ausgeliehen.

Nach den ersten beiden Tagen ist klar, dass ich ein echtes Kraftpaket unter dem Hintern habe und mich eigentlich nicht vor einem leeren Akku fürchten muss. Selbst im Economy-Modus bin ich am Berg deutlich schneller als Bio-Biker und habe so nach einem Aufstieg von rund 1000 Höhenmetern auf Schotter erst ein Drittel Akku verbraucht. Wobei: Nachladen wäre meist kein Problem. Selbst abseits der Dörfer, mitten im italienischen Nirgendwo, finden sich Ladestationen, so etwa am Lago di Cancano oder auf dem Passo del Mortirolo.

Ladestationen sind inzwischen vielerorts installiert, sodass der Bikerin nie der Strom ausgeht.

So bin ich denn für die Königsetappe recht zuversichtlich. Sie führt am vierten Tag über 64 Kilometer und mehr als 2000 Höhenmeter. Allerdings wird mein Plan an diesem Tag von vier überaus netten Italienern über den Haufen geworfen. Alle sind sie mit dem E-Bike unterwegs und wollen auf der originalen Albrecht-Route über die Montozzo-Scharte, die auf der adaptierten E-MTB-Route via Passo del Tonale umfahren wird.

Die vier überzeugen mich, dass die Schlüsselstelle in der Montozzo-Scharte mit dem E-Bike machbar ist. Oder besser gesagt, ihre Bikes überzeugen mich. Denn sie sind meinem in Sachen Gewicht sehr ähnlich – und zwei der Gruppe haben das Joch bereits einmal gemeistert.

Ein unvergesslicher Ausblick nach kurzer Schiebepassage: Die Forcellina di Montozzo.

Der Tag wird unvergesslich. Die letzten 50 Höhenmeter auf die Forcellina di Montozzo muss ich zwar stossen, aber dank der Schiebeunterstützung bringe ich mein Bike ohne Hilfe der Männer auf den höchsten Punkt. Die Aussicht auf 2613 Metern über Meer und die technisch anspruchsvolle Abfahrt sind der Hammer.

Ein absolutes Highlight ist auch das Mittagessen in der Alphütte Frattasecca, wo ich auf Empfehlung meiner neuen Freunde das leckere Pasta-Gericht bestelle: die hausgemachten Strangolapreti (zu Deutsch: Priesterwürger) – eine Art Spinat-Ricotta-Gnocchi an Salbeibutter.

Das richtige Ladegerät passt in Europa überall

Der Energienachschub ist auf der Tour also weder für Frau noch für Bike ein Problem und die Routenwahl immer E-Bike tauglich. Bleibt die Frage: Was ist mit dem Gepäck?

Hier ist es egal, ob man mit Bio- oder E-Bike unterwegs ist, es gilt: Nur das Nötigste darf mit. Auf dem E-Bike ein Muss ist natürlich das Ladegerät, das in der Regel um die 500 Gramm wiegt. Solange sein Stecker zweipolig ist, braucht man weder in Italien noch sonst wo in Europa einen Adapter dafür.

Und übrigens: Obwohl die E-MTB-Route von Albrecht schon mehrere Jahre online ist, hat sie noch immer Pioniercharakter. Bikerinnen und Biker mit elektrischer Unterstützung trifft man zwar viele, aber das sind praktisch alles Tagestouristen. Wer in mehreren Etappen von Norden nach Süden fährt, ist in der Regel Bio-Biker – und wie Werner und Walter zum wiederholten Mal unterwegs zum Gardasee.

Infos zur Routenwahl und zur Rückreise

Routenwahl: Die Albrecht-Route für E-MTB führt mehrheitlich über Schotter und einfache Flowtrails. Die GPS-Daten lassen sich auf der Website von Andreas Albrecht für rund 15 Euro beziehen.

Wer technische Herausforderungen sucht, sollte sich an die Seite von Uli Stanciu halten. Hier lassen sich einzelne Teilstücke aneinanderhängen, wobei stets Infos zur Beschaffenheit des Untergrunds hinterlegt sind. Bei fünf Etappen liegen die Kosten bei rund 10 Euro. Wer sich das Zusammenbauen sparen will, kann auch eine vorgefertigte Tour auswählen.

Reisezeit: Wenn der Schnee von den hohen Pässen über 2000 Meter verschwunden ist und es im Herbst noch nicht wieder geschneit hat, also ab Mitte/Ende Juni bis in den September hinein. Wer den August vermeidet, kann kurzfristiger buchen.

Rückreise: Peschiera del Garda (Abfahrt 16.48 Uhr) nach Zürich HB (Ankunft 22.27 Uhr), täglich ohne Umsteigen, 75 Euro in der 2. Klasse, 115 Euro in der 1. Klasse, ein Veloplatz kostet 12 Euro. Mehr dazu hier.

Wenn man nicht noch einen Tag entlang des Gardasees pedalieren möchte, um nach Peschiera zu kommen, bucht man wie die Freunde aus dem grossen Kanton einen Shuttle (ab 130 Euro) von Riva del Garda nach München, von wo aus täglich sieben Direktzüge nach Zürich (ab 50 Euro) fahren.

Die Reise wurde realisiert mit der Unterstützung der italienischen Zentrale für Tourismus.