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Meinung

Papablog
Meine selbstsüchtige Vaterschaft

Vaterschaft aus Liebe – nicht für die Gesellschaft.
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Zu einer der widerlichsten Strategien, Frauen in die Mutterrolle zu zwingen, gehört die Erzählung, Frauen ohne Kinder seien irgendwie egoistisch. Es sei eine selbstsüchtige Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, damit frau frei von Verantwortung Selbstverwirklichung betreiben, ihre Karrierepläne verwirklichen und Freundschaften pflegen kann. Allgemein unterstellt man kinderlosen Frauen gerne, sie hätten zu viel Freizeit. Das ist nicht nur lächerlich, sondern geradezu bösartig. Denn erstens leben Frauen ja trotzdem noch in einer Gesellschaft, die sich kapitalistischen Erwerbszwängen unterwirft. Sie gehen soziale Bindungen und Beziehungen ein, sie übernehmen Verantwortung, sie kümmern sich. Apropos kümmern: Zweitens pflegen doppelt so viele Frauen als Männer ihre Angehörigen.

Doppelmoral

Und das sind ganz sicher nicht alles Mütter. Der Gender Care Gap ist also auch für kinderlose Frauen sehr real. Drittens muss mir irgendwie entgangen sein, dass man kinderlosen Männern ebenso vorwirft, aufgrund fehlender Vaterschaft ihren Beitrag nicht zu leisten. Dass man Männer zwischen 30 und 50 dafür angeht, was denn mit ihnen los sei. Sätze wie «Da hat der feine Herr wohl zu viel Bock auf Freizeit und Karriere gehabt!» fallen nicht. Männer haben andere geschlechtsspezifische Zwangsverpflichtungen, die auch alles andere als lustig sind. Um in diesem Kontext zu bleiben: Sie haben insbesondere auf dem Land nach wie vor gefälligst Söhne statt «nur» Töchter zu zeugen, sonst gelten sie als Versager, als «Büchsenmacher».

Viertens wird der Eindruck erweckt, Frauen wären «uns allen» ihre Mutterschaft irgendwie schuldig. Gerne wird das mit einem angeblich natürlichen Mutterinstinkt verknüpft, einem unwiderstehlichen Drang zur Mutterschaft, den Frauen durch Kinderlosigkeit bewusst hintergehen. Hierzu ein kleiner Newsflash: Ungewollte Kinderlosigkeit ist sehr real, und das Letzte, was ungewollt kinderlose Frauen brauchen, sind übergriffige Kommentare darüber, warum sie ihrer «natürlichen Vermehrungspflicht» nicht nachkommen. Ausserdem tickt die Uhr nicht bei allen Frauen. Kinderlose, oder hier besser kinderfreie Frauen, wissen häufig schon vor der Volljährigkeit, dass sie keine Kinder wollen.

Kinderkriegen, ein Akt des Egoismus?

Fünftens, und damit sind wir bei mir, ist das komplett falschrum. Wenn überhaupt, dann ist Kinderkriegen egoistisch. Weil ich nicht für Sie sprechen möchte und kann, will ich das an mir festmachen: Ja, selbstverständlich habe ich mich aus egoistischen Gründen für meine Kinder entschieden. Was denn sonst? Sie, Sie und, ja, auch Sie an Ihrem Smartphone gerade waren mir dabei komplett egal. Es interessiert mich kein Stück, dass meine Kinder womöglich dafür benötigt werden, irgendwem die Rente zu erarbeiten, sie oder ihn zu pflegen und ganz allgemein mit ihrer Existenz dafür zu sorgen, dass «ein Volk nicht ausstirbt». Ich wollte mit meiner Lebenskomplizin 2 oder 4 Kinder.

Ich wollte Vaterschaft, Familie, Kinderquatsch, Verantwortung. Ich habe davon geträumt. Ich habe mir angemasst, davon auszugehen, dass wir das hinbekommen. Ich, wir und nicht ihr! Mir, meine, unsere – nicht eure! Kinder nur für mich und uns. Nicht für potenzielle Grosseltern, Geburtenrate und Gesellschaft. Und in Zeiten des Erstarkens von nationalkonservativen und rechten Strömungen: ganz sicher auch nicht für Führer, Volk und Vaterland. Falls sich also wirklich jemand über selbstsüchtige Familienplanung aufregen will: lieber über mich lästern, statt über kinderlose und -freie Frauen. Dafür bin ich in meinen Entscheidungen zweifellos egoistisch und eitel genug.