Folgen der Corona-PandemiePaketboten leiden unter immer schwererer Last
Die Anzahl der Pakete hat während der Pandemie stark zugenommen. Und die Päckli wurden schwerer. Doch so viel Freude uns Hanteln und Weinbestellungen machen, so sehr belasten sie die Zusteller.
Fitnessstudios sind geschlossen, und das in Zeiten, in denen man sowieso schon mehr auf der Couch sitzt als üblich. Die Coronavirus-Pandemie macht es auch Hobbysportlern nicht einfach. Doch offenbar heisst das dennoch nicht, dass der innere Schweinehund am Ende gewinnt: Schweizerinnen und Schweizer trainieren einfach mehr daheim. Das zeigt sich auch daran, dass vermehrt Hanteln und anderes Sportzubehör gekauft wird, wie die Gesellschaft für Konsumforschung in ihrem Marktmonitor 2020 feststellt.
Was die Körper der einen stählt und kräftigt, schadet den anderen. Denn die Hanteln werden in erster Linie online bestellt. Ausliefern müssen sie die Paketboten. Und die sind momentan durch die grössere Menge an Päckli ohnehin überdurchschnittlich gefordert. 23,3 Prozent mehr Pakete vermeldete allein die Post 2020 gegenüber dem Vorjahr. Und da sind die Päckli, die über private Zusteller wie UPS, DPD oder DHL zugestellt werden, noch nicht enthalten.
Möbel, Wein und Hanteln erhöhen das Paketgewicht
Auch das ist zu einem grossen Teil Folge der Coronavirus-Pandemie. Im Lockdown zogen die Onlinebestellungen logischerweise an, weil die meisten Läden geschlossen hatten. Viele Konsumentinnen und Konsumenten wurden zudem vorsichtiger und versuchten, Kontakte einzuschränken. Das heisst auch: mehr bestellen. Neben den Hanteln sind es unter anderem auch Möbel-, Wein- oder Elektrogerätebestellungen, die zu schweren Paketen führen.
Die Folge: Paketboten leiden stärker als früher unter körperlichen Problemen wie Rücken- oder Kreuzschmerzen. Die Zusatzbelastung der Paketboten sei «ein Riesenproblem», sagt Matthias Loosli von der Post-Gewerkschaft Syndicom. Es stehe hoch oben auf der Agenda. «In der Tendenz sind die Pakete momentan grösser und schwerer, mit entsprechenden Konsequenzen», so Loosli. «Der massive Zuwachs an Paketen wird vielerorts auf die Zusteller abgewälzt», bestätigt Philipp Zimmermann, Mediensprecher der Gewerkschaft Unia. Die Belastung sei sowohl zeitlich als auch körperlich stark gestiegen.
Post-Mitarbeitende erhalten Zugang zu Physio und Massagen
«Wir sind uns sehr bewusst, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen Ausserordentliches leisten», sagt Post-Sprecher Erich Goetschi. «Und wir wissen auch, dass das letzte Jahr in vielerlei Hinsicht belastend und herausfordernd war – und dass diese Belastung aktuell weiter anhält.»
Mitarbeitende haben laut Goetschi die Möglichkeit, Massagen in Anspruch zu nehmen, einen Zugang zu Physiotherapeuten sowie zu Krafträumen. Regelmässig thematisiere man auch das richtige Tragen und Heben. «Zudem haben die Mitarbeitenden technische Hilfsmittel zur Verfügung, zum Beispiel Handwagen», fügt er an. In der normalen Paketverarbeitung werden laut dem Post-Sprecher grundsätzlich Pakete mit einem Gewicht von bis zu 30 Kilo sortiert und zugestellt. Schwerere Pakete und Sperrgut, also Pakete mit Übergrösse, werden speziell verarbeitet und zum Teil als Stückgut transportiert.
Auch der private Dienstleister DPD verweist auf die verfügbaren Hilfsmittel wie Sackwagen, mit denen die Paketboten arbeiten können. «Uns sind keine gesundheitlichen Probleme der Boten bekannt, die auf ein schweres Paketgewicht zurückzuführen sind», heisst es.
«Das geht wirklich in die Knochen»
Tatsächlich gibt es jedoch einige Boten von DPD, aber auch von anderen Anbietern, die mit Rückenproblemen durch schweres Tragen zu kämpfen haben. Das zeigen Gespräche mit Branchenmitarbeitenden, die anonym bleiben wollen. «Ich habe mich kürzlich an einem Hantelpaket verhoben und hätte wohl eigentlich pausieren sollen», berichtet einer von ihnen. Doch er sei dermassen unter Zeitdruck gewesen, dass das keine Option gewesen sei. Ein Kollege berichtet, er schleppe regelmässig Pakete, die über der Suva-Grenze liegen, ohne jegliche Hilfsmittel herum. «Das geht wirklich in die Knochen.» Jemand anderes berichtet von einem Paket, das mit 43 Kilogramm deutlich über dem liegt, was man ohne Problem aus dem Wagen hieven kann.
Es existieren in der Tat Richtlinien der Suva, wie schwer Pakete maximal sein dürfen, wenn ein Bote sie allein ohne Hilfsmittel transportiert. Zumutbar sind demnach 25 Kilogramm. Doch der Zeitdruck, der auf vielen Boten vor allem privater Anbieter laste, sorge dafür, dass diese Hilfsmittel nicht immer zum Einsatz kämen, sagt Syndicom-Sprecher Loosli. «In der Situation stellt man sich dann die Frage: Mache ich lieber heute nur 2 Stunden Überzeit, die mancherorts sowieso bereits nicht bezahlt werden, und dafür den Rücken kaputt, oder arbeite ich drei Stunden mehr und schone dafür den Körper?», so Loosli.
Missstände bei DPD
Die Boten, die bei der Post angestellt sind, seien in einer besseren Situation, weil sie durch einen umfangreichen GAV geschützt seien. Das sei bei den Zustellern privater Postdienstleister anders. Diese sind oft über Subunternehmen angestellt und geniessen daher weniger Schutz als die Kollegen von der Post. Unbezahlte Überstunden gehören laut Philipp Zimmermann von Unia oft einfach dazu. Gerade bei DPD sieht Unia derzeit viele Probleme, die über die rein körperlichen hinausgehen.
Viele Fahrerinnen und Fahrer, die – über Subunternehmen angestellt – für DPD Pakete ausliefern, würden über Missstände klagen. «Die Vorwürfe betreffen verbreitete Unregelmässigkeiten bei Löhnen, Spesen, Arbeitszeiten, Nachtarbeit, Überwachung, Gesundheitsschutz und Fahrzeugsicherheit sowie die Verletzung von Gewerkschaftsrechten», teilt die Gewerkschaft mit. Am Dienstag will Unia an einer Medienkonferenz genauer darüber informieren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.