Eklat bei gemeinnützigem VereinOrganisator der Rütli-Feier wurde entlassen
Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft trennt sich überraschend von ihrem Geschäftsleiter Lukas Niederberger. Offizielle Begründung: «Differenzen in Führungsfragen».

Zwei Wochen vor der 1.-August-Feier auf dem Rütli ist deren Organisator seinen Job los: Der Geschäftsleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), Lukas Niederberger, wurde entlassen. Der Vereinsvorstand hat die Kündigung ausgesprochen. Niederberger wurde per sofort freigestellt.
Als Grund gibt der SGG-Vorstand auf der Website und in einem Tweet «Differenzen in Führungsfragen» an. Der Vorstand bedanke sich für Niederbergers grosses Engagement in den letzten neun Jahren, heisst es dazu kühl. Die «Weltwoche» hatte als Erste über die Entlassung berichtet.*
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Der Präsident der SGG, Nicola Forster, will sich darüber hinaus nicht äussern. Der 37-Jährige wurde erst vor zwei Jahren zum Präsidenten der SGG gewählt, als der heute 58-jährige Niederberger als Geschäftsleiter schon längst etabliert war.
Forster ist Co-Präsident der Grünliberalen im Kanton Zürich. Noch bekannter ist er als Mitgründer der aussenpolitischen Denkfabrik Foraus und der Operation Libero.

Niederberger bestätigt die Entlassung und Freistellung. Er sagt: «Ich hätte gern als Geschäftsleiter der SGG weitergearbeitet.» Niederberger war bis zur Kündigung noch voll involviert in die Vorbereitung der Bundesfeier auf dem Rütli.
«Jetzt führen Mitarbeitende den Anlass durch, die das zum ersten Mal tun.» Darum stehe er mit ihnen täglich per Mail in Kontakt, um sie zu unterstützen. Nicola Forster betont dagegen, ein «kompetentes Team» habe die Organisation des Anlasses übernommen.
Gemeinnützige Denkfabrik
Das Präsidium der SGG war lange in Händen verdienter ehemaliger Bundesbeamter. Von 2011 bis 2020 präsidiert Jean-Daniel Gerber den Verein, ein ehemaliger Wirtschafts-Staatssekretär. Dann wurde der Posten öffentlich ausgeschrieben.
Nicola Forster bewarb sich. «Mich hat die SGG interessiert, weil sie eine absolute Pionierin ist», sagt er. «Die SGG hat eine grosse historische Rolle und muss nun die gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Zukunft anpacken.»
Dass er die Gemeinnützige Gesellschaft in ein grünliberales Netzwerks integrieren will, bestreitet Forster als «absurd». Seinen Vorgängern sei die Nähe zu bürgerlichen Parteien auch nie zum Vorwurf gemacht worden.
Die 1810 gegründete SGG gab unter anderem den Anstoss zur Gründung von Lehrerseminaren, der Pro Juventute und der Pro Senectute. Forster nennt auch den Maggi-Würfel als ein Resultat der Bemühungen der SGG: Sie hatte das Problem der Mangelernährung unter der Industrie-Arbeiterschaft zum Thema gemacht, und der Thurgauer Mühlenbetreiber Julius Maggi erfand mit dem Suppenwürfel die Antwort darauf.
1859 kaufte die SGG die Rütli-Wiese und schenkte sie der Eidgenossenschaft. Seither verwaltet die Gesellschaft die Wiese und veranstaltet dort die Bundesfeier. Lukas Niederberger bemühte sich um moderne Formen dafür. Unter seiner Führung lancierte die SGG einen Wettbewerb für eine neue Nationalhymne. «Ich möchte eine Hymne, die an jeder Hundsverlochete läuft und moderne Werte vermittelt», sagte er der NZZ.
Der Philosoph und ehemalige Jesuit stiess damit eine Kontroverse an. Traditionalisten empörten sich. Durchgesetzt hat sich die neue Hymne bisher nicht. Am 1. August soll auf dem Rütli – wie in rund 100 Gemeinden der Schweiz – sowohl das traditionelle «Trittst im Morgenrot daher» als auch der von der SGG auserkorene neue Hymnentext «Weisses Kreuz auf rotem Grund» gesungen werden.
Geschäftsstelle massiv ausgebaut
Heute arbeiten auf der Geschäftsstelle der SGG über 20 Personen – mehr als doppelt so viele als beim Amtsantritt Niederbergers 2013. Eines der jüngsten Projekte ist der «Think + Do Tank» Pro Futuris. Er soll sich «für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie» einsetzen.
«Es gäbe genug Projekte, die ich gern bis zu meiner Pensionierung gestartet oder weiterbegleitet hätte», sagt ein sehr enttäuscht klingender Lukas Niederberger. Sein Nachfolger auf dem Chefposten ist vorerst bis Ende Jahr Peter Haerle, der bis 2020 Kulturdirektor der Stadt Zürich war.
* In einer früheren Version hiess es, die Zeitungen von CH Media hätten als erste über die Entlassung Niederbergers berichet. Es war aber die «Weltwoche».
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