Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Chinas Grossmachtpläne in Europa
Orban holt sich eine chinesische Uni

Zwei Autokraten: Ungarns Premierminister Viktor Orban bei einem Treffen mit Xi Jinping in Peking (April 2019).
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Zuerst schickte die chinesische Fudan-Universität Zehntausende Gesichtsmasken nach Ungarn, um den Kampf gegen die Pandemie zu unterstützen, nun wird sie einen Campus in der Hauptstadt Budapest eröffnen. Die ungarische Regierung stellt der in Shanghai beheimateten Hochschule umgerechnet knapp 2,4 Millionen Franken zur Verfügung, damit sie bis spätestens 2024 den Lehrbetrieb aufnehmen kann. Ein entsprechendes Abkommen hat kürzlich der ungarische Minister für Innovation und Technologie, Laszlo Palkovics, mit Xu Ningsheng unterzeichnet.

Xu ist Präsident der Fudan-Universität, die als eine der besten Hochschulen Chinas gilt. Oder galt. Denn im Dezember 2019 änderte die Uni unter Aufsicht des Erziehungsministeriums in Peking ihre Charta. Die «Freiheit des Denkens» und die «akademische Unabhängigkeit» wurden gestrichen und durch eine Jubelparole ersetzt: Die Uni Fudan verpflichtete sich, der chinesischen KP «mit patriotischer Hingabe treu zu bleiben und die staatliche Bildungspolitik vollständig umzusetzen».

Denkmal des Diktators

Was das in der Praxis bedeutet, konnte man im vergangenen April beobachten: Die Fudan-Hochschule und die Universität der Geowissenschaften in Wuhan veröffentlichten auf ihren Websites eine Mitteilung, wonach Studien zum Ursprung des Coronavirus vor Veröffentlichung geprüft werden müssen. Die Hinweise wurden kurz danach entfernt. Nach Angaben des Wissenschaftsmagazins «Nature» will Chinas Regierung die Virenforscher stärker kontrollieren. An der Fudan-Universität hat ein Denkmal Mao Zedongs einen Ehrenplatz. Der Diktator liess Millionen Chinesen einsperren, hinrichten oder einer Gehirnwäsche unterziehen und ruinierte die Wissenschaft des Landes.

An der Fudan-Universität hat ein Denkmal Mao Zedongs einen Ehrenplatz.

Derzeit studieren über 2300 Chinesen in Ungarn. Die Regierung von Premierminister Viktor Orban hofft, dass die neue Uni dazu beitragen wird, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu vertiefen. Als Anhänger einer «illiberalen Demokratie» agiert Orban zunehmend als Kofferträger der chinesischen Kommunisten innerhalb der EU, wo seine Diplomaten Peking-kritische Erklärungen blockieren oder verwässern.

Gegen unabhängige Forschung geht Orban hingegen hart vor. Ende 2018 knipste er der Central European University (CEU) das Licht aus. Mit Studenten aus 110 Ländern und Dozenten aus mehreren westlichen Staaten genoss die CEU den Ruf einer Vorzeigeuniversität. Orban war die Hochschule aber zu liberal, zu feministisch, zu kritisch und zu proeuropäisch. Seine Unterstützer im Parlament bezeichneten die Professoren der CEU als «Offiziere einer Besatzungsarmee».

Der Nationalist Orban hat George Soros, den in Budapest geborenen Juden, längst zum Lieblingsfeind erkoren.

Die Uni wurde nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Ungarn vom US-amerikanischen Milliardär George Soros gegründet und fast drei Jahrzehnte lang von ihm finanziell unterstützt. Der Nationalist Orban hat den in Budapest geborenen Juden längst zum Lieblingsfeind erkoren und ihn als «Globalisten» beschimpft, der Ungarn mit jungen Männern aus der muslimischen Welt überschwemmen wolle.

Die Central European University hat mittlerweile einen neuen Standort in Wien gefunden. Im Oktober entschied der Europäische Gerichtshof, dass Ungarns Hochschulgesetz gegen europäisches und internationales Handelsrecht verstosse. Mit dem als Lex CEU bekannten Gesetz hatte Orban den Rauswurf der Hochschule eingeleitet.

Konfuzius-Institute in 142 Ländern

Die Shanghaier Fudan-Universität will bis zu 6000 Studenten und Studentinnen in Budapest aufnehmen. Sie wird die erste chinesische Hochschule innerhalb der EU sein. In Ungarn sind derzeit auch fünf Konfuzius-Institute tätig, die offiziell die chinesische Sprache und Kultur fördern und zugängig machen sollen. Kritiker sehen die Institute als Propaganda- und Spionagezentralen der Volksrepublik. Derzeit gibt es in 142 Ländern etwa 500 Konfuzius-Institute, darunter auch zwei in der Schweiz, in Basel und in Genf. Chinas Staatschef Xi Jinping lobt die Arbeit der Bildungsanstalten: Die Theorie des Westens, dass «Kapitalismus das Höchste ist, wackelt, während der Sozialismus ein Wunder durchlebt». China gibt derzeit etwa 500 Milliarden Franken für Forschung aus – nur etwas weniger als die USA. Wenn es nach den Plänen von Xi Jinping geht, soll China schon 2050 weltweit die Führungsrolle in der Wissenschaft übernehmen. Allein in Afrika vergibt das fernöstliche Riesenreich 50’000 Stipendien.

Einfallstor nach Europa: Der griechische Hafen von Piräus ist längst in chinesischer Hand.

Im Rahmen der neuen Seidenstrasse (auch «Belt and Road Initiative» genannt), mit der China zur Grossmacht auf globaler Ebene aufsteigen will, soll Ungarn eine wichtige Rolle spielen. Im vergangenen Jahr stellte eine chinesische Bank der ungarischen Regierung einen Kredit in der Höhe von umgerechnet knapp zwei Milliarden Franken zur Verfügung, um die Eisenbahnstrecke von Budapest nach Belgrad zu modernisieren. Ein chinesisch-ungarisches Konsortium soll das Projekt bis 2025 umsetzen. Alle Dokumente, die das Bauvorhaben betreffen, hat das von Orbans Fidesz-Partei dominierte Parlament als geheim eingestuft.

Zugang zum EU-Binnenmarkt

Mit der Bahnstrecke soll der Handelsweg über den Balkan verkürzt werden. Waren, die im griechischen Hafen von Piräus landen, könnten schnell nach Zentral- und Osteuropa transportiert werden. Piräus, längst in chinesischer Hand, bildet für Peking das Einfallstor nach Europa. Ungarn soll den Chinesen ausserdem einen einfacheren Zugang zum EU-Binnenmarkt ermöglichen. Das Telekommunikationsunternehmen Huawei betreibt in Budapest sein grösstes Produktions- und Logistikzentrum ausserhalb Chinas.

Der Campus der Fudan-Universität, so ein Sprecher der ungarischen Regierung, stehe im Einklang mit der «Öffnungspolitik nach Osten». Man erwarte, dass bessere Bildungsstandards Ungarn zu einem Investitionsschub chinesischer Firmen verhelfen. Über die zukünftige Zusammenarbeit Ungarns und der anderen osteuropäischen Staaten mit Peking sinnieren auch die Mitarbeiter des China-CEE-Instituts. Der chinesische Thinktank hat seinen Sitz im Herzen Budapests.