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Rechtsbruch in Ungarn
Ein Uni-Rektor bietet
dem Autokraten Paroli

Seine Universität wurde aus Ungarn vertrieben – auf rechtswidrige Art und Weise, wie jetzt klar ist: Michael Ignatieff. 
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Offiziell hat die Central Eastern University (CEU) noch ein Standbein in Budapest und will dort weiter Flagge zeigen; das ist Michael Ignatieff sehr wichtig. Nicht nur, weil die CEU, die von der Fidesz-Regierung aus tiefer Feindschaft gegen ihren Gründer und Sponsor immer nur «Soros-Universität» genannt wird, noch bis 2022 in Ungarn arbeiten darf. Sondern aus Prinzip. Nach dem Motto: Jetzt erst recht.

Vor Premier Viktor Orban zu kapitulieren, sei keine Option, hatte Ignatieff vor einem Jahr gesagt, als die Hochschule ihre ersten Kurse in Wien anbot. Die Vertreibung der von ihm geleiteten Universität aus Ungarn, die 2017 mit einem Gesetz erzwungen worden war, sei ein Zeugnis dafür, dass Orban Ungarn in einen Einparteienstaat umwandele, in dem kritische Stimmen unerwünscht seien, und dass er mit der CEU auch die Freiheit der Forschung attackiere.

Ein Störfaktor für Viktor Orban

Deshalb sitzt der Rektor mit seinem Büro immer noch in Budapest. Auch wenn Wien jetzt eigentlich der neue Standort ist, an dem Anfang Oktober der volle Studienbetrieb mitsamt neuem Bachelor-Programm aufgenommen wurde. Und so betonte Ignatieff bei der Eröffnungszeremonie erneut: «George Soros hat diese Universität gegründet, weil er wusste, dass freie Universitäten lebenswichtig sind für die Demokratie.» Kein Wunder, dass Orban die CEU, die ihre Studenten «für die Freiheit» trainiere, als Störfaktor sehe.

Ignatieff liebt das: starke Sätze, starke Effekte, starke Szenen, starke Auseinandersetzungen. Der Kanadier ist auch ein bekannter Schriftsteller und ehemaliger Politiker; er kann sehr effektvoll reden und schreiben, und er kann, wenn nötig, pathetisch sein oder angriffslustig.

Zu Unrecht aus Budapest verdrängt

Diese Woche, nur wenige Tage nach dem feierlichen Start ins neue Studienjahr, hatte Uni-Präsident Ignatieff dann allen Grund zur Euphorie: Der Europäische Gerichtshof erklärte das ungarische Gesetz, das sich gegen die liberale und international ausgerichtete Hochschule gerichtet hatte, als unvereinbar mit europäischem Recht. Ignatieff hatte die Übertragung der Urteilsverkündung aus Strassburg mitverfolgt. Auf der Webseite der CEU sieht man ihn vor dem Fernsehschirm; im Hintergrund hängt, wie eine Provokation, eine riesige Fahne mit dem Slogan: «Wir haben geöffnet».

Das Urteil stelle die Gerechtigkeit wieder her, sagte der 73-Jährige, es sei ein «juristischer, aber auch ein moralischer Sieg». Der CEU stehe nun der Rückweg nach Budapest offen. Was Soros umgehend ausschloss: Dafür sei es zu spät.

Präsent, dominant, populär

Ignatieff ist ein präsenter, dominanter, populärer Universitätspräsident – und vielleicht, weil er auch eitel und kämpferisch ist, der richtige Mann zur richtigen Zeit. Seine Familiengeschichte ist so illuster wie seine Lebensgeschichte bunt: Zu seinen adeligen Vorfahren gehören mehrere Minister russischer Zaren; er hat neben erfolgreichen Krimis und Romanen auch Bücher über Russland geschrieben. Als Diplomatensohn, der viel umziehen musste, besuchte er zeitweilig ein Internat in Kanada und ging später nach Grossbritannien, wo er unter anderem in Cambridge studierte, in Oxford lehrte und für die BBC arbeitete. Er wechselte in die USA, wo er in Harvard unterrichtete, und kehrte dann zurück nach Toronto.

In Kanada startete er 2004 eine politische Karriere bei der Liberalen Partei, kandidierte erfolgreich für das Parlament und wurde erst stellvertretender Parteivorsitzender, dann für einige Jahre Parteichef. Er trat jedoch 2011 nach einem schlechten Wahlergebnis zurück und übernahm 2016 die CEU. 2021 will er dort aufhören. Seine Erklärung dazu ist ein klassischer Ignatieff: Er spricht von Mut und Freiheit und davon, dass man gemeinsam Geschichte geschrieben habe. Und wenn kein Nachfolger gefunden werde, bleibe er gern auch noch ein bisschen länger.