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Gehässige Parlamentsdebatte in Österreich
Opposition nimmt Kanzler Kurz in die Mangel

Unter Druck: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz – hier mit Vizekanzler Werner Kogler (links) während der Sondersitzung des Nationalrats in Wien.
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Der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer redete als Erster. Und er liess sich es sich nicht nehmen, zu Beginn der Sondersitzung des Nationalrats über das sehr prosaisch klingende Thema «Die verzögerte Lieferung von E-Mails und anderen Akten aus dem Finanzministerium an den Ibiza-Untersuchungsausschuss» an ein Jubiläum zu erinnern: Genau zwei Jahre sei es her, dass das Ibiza-Video die Republik erschüttert habe.

In dem Video hatte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchin zahlreiche Vorteile versprochen, wenn sie nur die «Kronen Zeitung» übernähme und der FPÖ zu mehr Medienmacht verhelfen würde.

«War das nur ein Sittenbild?», fragte Krainer und beantwortete die Frage selbst: Der in der Folge eingesetzte Ibiza-Ausschuss habe zahlreiche Skandale und einen problematischen Umgang mit der Wahrheit zutage gefördert – bei der ÖVP.

Ursprünglich hatte der Ausschuss zur möglichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung, der – parallel zu Ermittlungen der Justiz – nach dem Bruch der FPÖ-ÖVP-Koalition von der Opposition eingesetzt worden war, sich vorwiegend auf die FPÖ konzentrieren wollen. Schliesslich gab es in dem Video zahlreiche Indizien dafür, dass der spätere Vizekanzler Strache möglicherweise korrupt gewesen sein könnte.

Die Polarisierung der österreichischen Politik hat ungewöhnliche Ausmasse angenommen.

Aber spätestens mit Chatprotokollen des Chefs der Staatsholding, Thomas Schmid, die dieser vor einer Hausdurchsuchung zu vernichten versuchte, die aber wiederhergestellt werden konnten, drehte sich das Bild.

Nun konzentrierten sich Ermittlungen, Recherchen, Befragungen und Aktenbestellungen auf die Konservativen. Mehrere Anzeigen gegen ÖVP-Politiker und konkrete Schritte der Staatsanwaltschaft waren die Folge. Kanzler Sebastian Kurz ist der Falschaussage beschuldigt, gegen den Finanzminister wird wegen Bestechlichkeit ermittelt, weitere Regierungsmitglieder sind im Visier der Justiz. (Lesen Sie dazu die Analyse «Die Ermittlungen gegen Kurz sind ein Hammer».)

Mittlerweile sind die letzten Brücken zwischen Regierung und Opposition abgebrochen. Die Polarisierung der Politik hat ungewöhnliche Ausmasse angenommen. Die Kanzlerpartei spricht von «Anpatzungen», «Unterstellungen», «Diffamierung», «Beschädigung» und «Vernichtung».

«Der Kanzler steht nicht über dem Gesetz»: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in der Nationalratsdebatte.

Die Opposition attestiert dem Kanzler fehlenden Respekt für Parlament und Justiz und fehlende Moral. Auch an der Sondersitzung des Nationalrats wurde es schnell giftig. Kurz beschuldigte die versammelte Opposition, sie habe kein Interesse mehr am demokratischen Diskurs.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erklärte Kurz, alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich – und ob er vor dem Ausschuss die Wahrheit gesagt habe, ob er angeklagt werde, das entscheide nicht er, sondern eine Instanz, deren Rolle er nicht respektiere: eine unabhängige Justiz.

Spekulation über Neuwahlen

Weil selbst zahlreiche grüne Abgeordnete nicht etwa ihrem Koalitionspartner, der ÖVP, sondern den Rednern der Opposition applaudierten und ein mögliches Verfahren gegen den Kanzler wegen Falschaussage die Grüne Partei zu einem fast unmöglichen politischen Spagat nötigen würde, wird in Wien lautstark über Neuwahlen spekuliert.

Aber die Grünen müssten mit Verlusten rechnen, die SPÖ ist intern zerstritten, und eine Koalition aus Sozialdemokraten, Neos und Grünen würde vermutlich nicht genug Stimmen bekommen, um eine Regierung bilden zu können, ohne sich von der FPÖ dulden lassen zu müssen – ein schwer vorstellbarer Zustand.

Schliesslich stimmte das Parlament über eine ganze Reihe von Anträgen ab, die es in sich haben könnten, wenn denn nicht jeweils schon vorher klar gewesen wäre, dass nicht alle Oppositionsparteien miteinander stimmen würden.

Mit einem Misstrauensantrag gegen den Kanzler stand die FPÖ allein. Einen Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel, der zuletzt im Clinch mit der Justiz, dem Parlament und dem Verfassungsgericht lag, stimmte zwar die Opposition zu, aber das reichte nicht. Eine Ministeranklage gegen Blümel wurde eingebracht, aber umgehend in den Verfassungssauschuss verwiesen – sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

Was bleibt, ist bis auf weiteres die Hoffnung von Neos, SPÖ und FPÖ und wohl auch der Grünen, dass die Justiz sich vom Beschuss der ÖVP nicht beirren lässt.