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Ballett im Opernhaus
Die «Sechseläutenkurve» reisst es aus den Sitzen

Eine Clara ist nicht genug, um dieses facettenreiche Leben abzubilden: Karen Azatyan als Robert Schumann zwischen Clara als Pflegerin (Inna Bilash) und Clara als Ehefrau (Nancy Osbaldeston).
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In Kürze:
  • Das Ballett «Clara» zeigt diverse Facetten im Leben von Clara Schumann.
  • Sieben Tänzerinnen verkörpern Clara Schumann in verschiedenen Lebensabschnitten.
  • Cathy Marstons Choreografie verbindet Akrobatik mit traditionellen Erzählstrukturen.
  • Pianistin Ragna Schirmer unterstützt die Performance mit ihrer Schumann-Interpretation.

Es fühlt sich fast an, als sässe man in der Südkurve: Kaum ist der Schlussvorhang gefallen, springt das Publikum aus den Plüschsesseln und klatscht und jubelt und johlt, als gälte es, die ehrwürdigen Mauern des Opernhauses zum Einstürzen zu bringen. Ballettpremieren treffen in Zürich auf ein nicht nur wohlwollendes, sondern lautstark begeistertes Publikum. Diesmal «Clara», die neue Choreografie der Ballettdirektorin Cathy Marston über die ersten 37 Jahre im Leben von Clara Schumann.

Gleich sieben Tänzerinnen verkörpern diese aussergewöhnliche Frau, deren Leben mindestens ebenso viele Facetten umfasste, sodass man sich fragen muss, wie um alles in der Welt das von einer einzigen, zudem noch kleinen und zierlichen Figur gestemmt werden konnte. Clara wurde früh berühmt als Wunderkind (Giorgia Giani), das bereits im Alter von neun Jahren als Konzertpianistin auftrat. Sie blieb zeitlebens eine umschwärmte Klavierkünstlerin (Ruka Nakagawa) und Komponistin, die der Nachwelt zahlreiche romantische Musikstücke hinterlassen hat.

Sieben Leben in einem – sieben Claras auf der Bühne.

Sie war die Ehefrau (Nancy Osbaldeston) des Komponisten Robert Schumann, den sie erst nach langen, auch juristischen Kämpfen gegen ihren Vater heiraten konnte. Sie war die Mutter (Sujung Lim) von sieben überlebenden Kindern und in 14 Jahren neunmal schwanger. Sie wurde auch zur Pflegerin (Inna Bilash) ihres Mannes, der fortwährend zwischen Gesundheit und Krankheit, tiefster Depression und überquellender Schaffenskraft, Liebe und Eifersucht, Genie und Wahnsinn hin und her pendelte. Und sie war zeitlebens die Managerin (McKhayla Pettingill), die neben dem Grosshaushalt und der Kindererziehung auch ihre Konzertreisen, die Herausgabe der oft gemeinsamen Werke und damit auch die Finanzen organisierte. Schliesslich war sie immer auch die Muse (Max Richter), nicht nur für Robert Schumann, sondern auch für viele grosse Musiker ihrer Zeit und vor allem für den deutlich jüngeren Johannes Brahms, der ihr in tiefster Liebe zugeneigt war.

Sieben Leben in einem also, und so faszinierend es sein mag, diese Vielfalt auf sieben Charaktere und die entsprechend unterschiedlichen Tänzerinnen verteilt zu sehen, so fehlt dieser Zerstückelung auch die einende Kraft, die Clara Schumann zur alles umfassenden Gestalt verhelfen könnte, die sie verdient hat. So werden im frenetischen Schlussapplaus denn auch vorwiegend die Männer gefeiert. Der bestimmende Vater Friedrich Wieck (Publikumsliebling Esteban Berlanga), der über seine Tochter wachte, als sei sie sein Eigentum. Der schwärmerische Brahms, dem Chandler Dalton mit energiegeladener Frische einige himmelhochjauchzende und zugleich lyrische Szenen schenkt. Und allen voran der neue Solist im Zürcher Ballett, Karen Azatyan, der Robert Schumanns zerrissenes Wesen zwischen schillernder Virilität und tiefgreifender Verzweiflung in Tanz umsetzt.

Herausragende Schumann-Interpretin Ragna Schirmer

Für diesen Tanz findet Cathy Marston neue, stimmungsstarke Bewegungen und Gefüge, die beeindrucken. Gerade in den Liebesduetten zwischen Robert und Clara oder im unerfüllten (?) Begehren zwischen Clara und Johannes Brahms: Da verschlingen sich die Körper in geradezu akrobatischen Knoten, die Liebe, Sehnen, aber auch das Scheitern im Alltag fühlbar machen. Auch in den Hebefiguren drückt die Last des Schicksals die Tänzerinnen in verkrümmte Erstarrung, die jeden Höhenflug zurück zum Boden zwingt. Erdiger ist Marstons Bewegungssprache geworden, komplexer auch und etwas mutiger. Dabei bleibt die Choreografin eine eher traditionell verortete Geschichtenerzählerin, die weder die plakative Darstellung des klassischen Ballettkanons noch die Pantomime scheut. Sie choreografiert kaum je gegen die Musik, sondern setzt die Töne direkt in Bewegung um.

Zu Hilfe kommt ihr im Orchestergraben die herausragende Schumann-Interpretin Ragna Schirmer, deren nuanciertes Klavierspiel in der stark orchestrierten Musikzusammenstellung etwas unterzugehen droht. So konzentriert man sich denn auf die stimmungsvollen Bilder und die eingängige Erzählung, die die tragische Tragweite dieses Frauenschicksals nur ansatzweise aufblitzen lässt, die Zürcher «Sechseläutenkurve» aber zuverlässig aus den Sitzen reisst.