So quält sich Ons JabeurEin Baby gibts nur, wenn sie einen Grand-Slam-Titel gewinnt
Die Tunesierin ist bekannt als Frohnatur. In einer arabischen TV-Doku offenbart die 29-Jährige ihre verletzliche Seite und erzählt, wieso sie im Wimbledon-Final mental zusammenbrach.

Wir lernen schon früh, dass es eine Belohnung gibt, wenn wir etwas geschafft oder Unangenehmes erledigt haben. Wer den Salat und die Erbsen gegessen hat, kriegt als Kind noch ein Dessert. Wer die Hausaufgaben erledigt hat, darf danach noch spielen oder vielleicht sogar Fernsehen schauen. Das zieht sich immer weiter durchs Leben. Als Erwachsene belohnen wir uns ab und zu selber, wenn wir mit uns zufrieden sind. Der Arbeitgeber zahlt uns einen Bonus aus, wenn wir gut gearbeitet haben. Und manchmal sogar auch, wenn wir nicht so gut gearbeitet haben.
Geld ist für Ons Jabeur definitiv nicht der wichtigste Treiber. Sie hat schon über 12,3 Millionen Dollar Preisgeld eingespielt und als arabische Ausnahmesportlerin ein Vielfaches an Werbeeinnahmen. Aber sie wünscht sehnlichst, eine eigene Familie zu gründen. 29-jährig ist sie, was diesbezüglich noch kein Alter ist. Aber die Uhr tickt für sie als Tennisprofi. Sie setzt sich massiv unter Druck. So erzählte sie: «In Wimbledon sagte ich zu mir: Okay, ich kann das hier gewinnen. Und dann könnte ich mir vielleicht eine Pause nehmen und ein Baby bekommen.»
Ein Baby als Belohnung? Das kann nicht gut kommen
Ein Baby als Belohnung für den prestigeträchtigsten Titel im Tennis? Vermutlich würden ihr jede Psychologin und jeder Psychologe auf dieser Welt davon abraten, sich auf ein solches Gedankenspiel einzulassen. Sie spielt im All England Club gewissermassen um das Leben ihres ungezeugten Babys. Natürlich konnte das nicht gut kommen. So brach sie im Final mental ein und verlor gegen die unbeschwert aufspielende Aussenseiterin Marketa Vondrousova in zwei Sätzen.
«Das war die härteste Niederlage meiner Karriere. Sie hat mich emotional zerstört», sagt sie in der Anfang Jahr auf dem arabischen Streamingdienst Tod.tv ausgestrahlten TV-Doku über sie («Ons Jabeur: So bin ich»). «Ich verlor nicht nur diesen Final, auch die Idee eines Babys verschwand mit der Wimbledon-Trophäe», sagt sie da. «Das machte uns fertig, Karim und mich. Wir weinten wie Babys.»
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Die Doku ist momentan leider erst in Nahost und Nordafrika zu empfangen. Der zweieinhalbminütige Trailer macht aber Lust auf mehr. «Alles begann mit diesem kleinen Mädchen, das davon träumte, ein Grand-Slam-Champion zu werden», sagt Jabeur. «Ich schulde es ihr, ich schulde es mir. Ich muss es möglich machen. Manchmal zweifle ich an mir. Der schlimmste Gedanke ist, dass ich die anderen im Stich lassen könnte.»
Ihre Beteiligung an der ersten Staffel der Netflix-Tennis-Doku «Break Point» hatte sie dazu inspiriert, eine Doku über sich drehen zu lassen. Schon bei Netflix ist ihr Kinderwunsch das zentrale Thema. Es sind berührende Szenen, wie sie mit ihrem Mann und Fitnesstrainer Karim Kamoum herumalbert, als das Thema aufkommt. Jabeur sagt: «Ich liebe Babys. Hoffentlich können wir eines Tages einen Mini-Karim oder eine Mini-Ons haben. Wir freuen uns auf diesen Tag. Es ist unser gemeinsamer Traum.» Er sagt: «Nach einer guten Karriere. Ein Schritt nach dem anderen.» Ihr schiessen Tränen in die Augen.
Alle würden der Tunesierin mit dem Ballgefühl à la Federer einen Grand-Slam-Titel gönnen. Bereits drei grosse Finals hat sie verloren: 2022 in Wimbledon gab sie das Spiel gegen Jelena Rybakina nach überlegenem Startsatz aus der Hand (6:3, 2:6, 2:6). Zwei Monate später am US Open wirkte sie gegen Iga Swiatek die erste Stunde wie paralysiert und konnte die Partie nach einem 2:6, 0:3 nicht mehr drehen. Gegen Vondrousova (4:6, 4:6) produzierte sie 31 unerzwungene Fehler.
«Das ist jetzt wohl eine Panikattacke»
Obschon sie mit der französischen Psychologin Mélanie Maillard arbeitet, schafft sie es nicht, ihre Nerven in den wichtigsten Spielen ihrer Karriere in den Griff zu bekommen. In der 90-minütigen Doku, die sie auch in ihren bittersten Momenten zeigt, erzählt sie: «Am Tag des Finals, als ich die Routine mit Mélanie durchging, sagte ich zu ihr: ‹Ich bin zu gestresst. Ich kann es einfach nicht. Das ist zu viel für mich. Das ist jetzt wohl eine Panikattacke.›»
Es ist die andere, die verletzliche und manchmal verzweifelte Seite der Tunesierin, die wegen ihrer fröhlichen, zugänglichen Natur den Übernamen «Minister of Happiness» bekam. Vielleicht gelingt ihr ja der Befreiungsschlag ausgerechnet in Melbourne, wo es niemand erwartet.
Hier kam sie noch nie über den Viertelfinal hinaus und bekam im vergangenen Jahr nach ihrer frühen Niederlage kaum mehr Luft und musste ärztlich behandelt werden. «Ich dachte, sie würde sterben», sagt ihr Coach Issam Jellali in der Doku. Ein Knötchen, das operativ entfernt werden musste, hatte ihre Sauerstoffzufuhr massiv beeinträchtigt.
«Meine grösste Stärke? Ich glaube, das ist zu lachen. Mein Lachen ist ansteckend», sagt sie zu Beginn der Doku. Vielleicht sollte sie es in ihrem nächsten Grand-Slam-Final damit probieren.
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