Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Omas gegen Rechts»
«Wir möchten nicht, dass unsere Enkelkinder uns fragen, warum wir nichts getan haben»

Rosmarie Brunner in Blau, Monika Salzer mit Ohrring und Dörte Schnell in Rot bei einem Treffen von Omas gegen Rechts am 5. April 2025 in Basel.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Am Boden klebend.

Um den Baum gekettet.

Oder klassisch: Mit Parolen auf die Strasse.

Ziviler Widerstand kennt mittlerweile viele Formen – und vor allem: viele Altersstufen. Ältere Frauen sind durch den Frauenstreik, aber auch durch die Klimaseniorinnen, die vor rund einem Jahr in Strassburg ein historisches Urteil feierten, an die Öffentlichkeit getreten.

Und nun die «Omas gegen Rechts». Vor acht Jahren in Österreich gegründet, macht die Bürgerinitiative auch in Deutschland Lärm. Seit März gibt es nun auch in der Schweiz einen gleichnamigen Verein.

Eine Teilnehmerin bei der Fridays for Future-Demo in Berlin hält ein Schild mit der Aufschrift ’Omas gegen rechts’ vor dem Brandenburger Tor.

Rosmarie Brunner steht im Garten des Basler Begegnungszentrums des katholischen Frauenbundes. Sie gestikuliert energisch mit den Händen und sagt: «Das ist erst der Anfang.»

«Omas gegen Rechts» sind nicht nur gegen Rechts

Die 67-Jährige ist pensionierte reformierte Theologin und Mitgründerin der Schweizer «Omas gegen Rechts». Oder einfach «Omas», wie sie sie der Einfachheit halber im Gespräch nennt. Sie hat an jenem Samstagnachmittag Anfang April einen Austausch mit den ersten Mitgliedern und Interessierten organisiert. 

Rosmarie Brunner von Omas gegen Rechts, in Blau gekleidet, lehnt an einem Banner mit Aufschrift ’Omas gegen Rechts’ in Basel am 5. April 2025.

Sie hat sieben Enkelkinder, «angeschmuste», sagt Brunner und lacht. Denn man müsse keine blutsverwandten und auch generell keine Kinder oder Enkelkinder haben, um bei den Omas dabei zu sein. Es gäbe auch kein Mindestalter. Und auch Männer dürften mitmachen – einfach ohne Stimmrecht.

Redaktion: «Frau Brunner, wer soll sich bei den «Omas gegen Rechts» engagieren?»

Rosmarie Brunner: «Frauen, die sehen, wie rechtsextreme Positionen immer mehr in der Mitte der Gesellschaft ankommen – und verharmlost werden. Zum Beispiel der Begriff Remigration. Er verschleiert, dass eigentlich Zwangsdeportation gemeint ist – nur klingt Remigration nicht ganz so schlimm. Das wollen wir aufzeigen.»

Redaktion: «Gegen Rechts – damit könne man auch verstehen, dass sich die Omas gegen alle rechts der Mitte stellen. Auch Bürgerliche.»

Rosmarie Brunner: «Nein, wir stellen uns nicht gegen Konservative. Der Name ist vielleicht nicht ganz präzise. Aber wir haben ihn übernommen, weil er eine Marke ist – und uns länderübergreifend verbindet. Wir engagieren uns gegen rechtsextremes Denken und Handeln und damit gegen die Gefährdung der Demokratie. Uns geht es auch nicht nur um rechts-links.»

Redaktion: «Sondern?»

Rosmarie Brunner: «Auch um unten-oben: Wir setzen uns für die Schwächeren ein, die durch Rechtsextreme abgewertet und diffamiert werden.»

Hinter Rosemarie Brunner sitzen Monika Salzer und Dörte Schnell auf einer Holzbank. Sie tragen farbige Brillen, auffällige Ohrhänger, bunte Schals. Die Farben sind ein Statement. Genauso wie der Button an der Brust: «Omas gegen Rechts». Schwarze Schrift auf weissem Hintergrund. Diese Farbkombination kann keiner Partei zugeordnet werden.

Den Kindern und Enkelkindern schuldig

Monika Salzer, 77 Jahre alt, gründete 2017 die erste Gruppe in Wien. In jenem Jahr kam die rechtspopulistische FPÖ wieder in die Regierung und stand wegen der Nähe zu Rechtsextremen bereits in der Kritik. «Ich wollte die alte Frau als politische Kraft positionieren», sagt Salzer. Die Omas seien es ihren Kindern und Enkelkindern schuldig gewesen (und immer noch), sich gegen rechtsextreme Tendenzen zu wehren.

Monika Salzer mit auffälligem Ohrring in Basel bei einer Veranstaltung der ’Omas gegen Rechts’ am Samstag, 5. April 2025. © Foto Dominik Plüss

Dörte Schnell, 70 Jahre alt, ist ein Aushängeschild der deutschen Bewegung. Diese wurde am 27. Januar 2018 gegründet, am Tag der Befreiung von Auschwitz. Die Erinnerungskultur soll aufrechterhalten werden. Die deutschen Omas mahnen mit Aktionen an Gedenktage des Zweiten Weltkriegs, sie gehen an Schulen, demonstrieren regelmässig. Und fanden innert Monaten Tausende Anhängerinnen und Anhänger.

Redaktion: «Frau Schnell, warum sehen Sie sich in der Schuld der Kinder und Enkelkinder?»

Dörte Schnell: «Wir sind die Nachkriegsgeneration. Unsere Eltern sind im Zweiten Weltkrieg gewesen, als Opfer und als Täter. Und – damit hat eigentlich jede Oma zu tun – wir haben sie immer gefragt: «Warum habt ihr nichts getan gegen die Faschisten, als ihr noch konntet?» Solche Fragen konnten nie zufriedenstellend beantwortet werden. Für uns in Deutschland ist es ein ganz starker Motor, zu sagen: Wir möchten nicht, dass unsere Enkelkinder uns fragen, warum wir nichts getan haben. Darum stehen wir jetzt auf.»

Redaktion: «Frau Brunner, wie sehen Sie das in der Schweiz?»

Rosmarie Brunner: «Das gilt auch für die Schweiz, die im Zweiten Weltkrieg zu den Profiteuren gehörte. Uns ist wichtig, dass wir nicht wieder sogenannt neutral bleiben, also profitieren. Wir müssen rechtsextreme Tendenzen benennen. Es geht darum, dass wir in der Verantwortung stehen und es uns nicht egal ist, was wir der nächsten Generation überlassen. »

Redaktion: «Warum ist es Ihnen wichtig, das als Oma zu tun?»

Rosmarie Brunner: «Weil wir die erste alte Frauengeneration sind, die sehr gebildet ist in allen Variationen. Und mit sechzig nicht schon total kaputtgearbeitet ist. Wir haben noch Energie und das Know-how, wir haben die Möglichkeiten, aufzutreten und auf den wieder wachsenden Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Männlichkeitswahn hinzuweisen.»

Auftreten, das heisst Demonstrieren, Menschenketten bilden, Infostände aufstellen, Bühnenaufführungen machen, andere Zivilwiderstände unterstützen. 

In Deutschland ist die Bewegung besonders gross. Während sich in Österreich rund 1200 Mitglieder angeschlossen haben, sind es in Deutschland um die 30’000 «Omas gegen Rechts». Die deutsche Tageszeitung «taz» bezeichnete sie letztes Jahr als «die wohl grösste Frauenbewegung der deutschen Gegenwart».

«Omas gegen Rechts» erhalten Hassmails und Anfeindungen

Die Omas werden auch allmählich politischen Akteuren ungemütlich. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz etwa unterzeichnete im Februar eine Anfrage an die Bundesregierung, in der er die Bewegung ein «besonders umstrittenes Beispiel» für staatliche Förderung nannte. Und wissen wollte, ob es direkte Verbindungen zu bestimmten Parteien gäbe. Doch die «Omas gegen Rechts» sind ein ehrenamtlicher und kein gemeinnütziger Verein und erhalten daher auch keine staatlichen Fördergelder.

Mitglieder der Gruppe ’Omas gegen Rechts’ halten Protestschilder bei der Demonstration ’Laut gegen rechts’ in Bremen am 17. März 2024 hoch.

Angefeindet wurden sie auch schon von Exponenten der AfD. Ein Landtagsabgeordneter beschimpfte sie öffentlich als «abgewrackte Schabracken», die «überhaupt nichts hingekriegt haben in ihrem Leben». Die Polizei hatte daraufhin Anzeige erstattet, es kam jedoch zu keinem Strafverfahren.

Die Omas erhielten viele Hassmails und Anfeindungen, sagt Dörte Schnell. Rechte Gruppierungen würden auch zunehmend handgreiflich, «vor allem in Ostdeutschland. Dort muss man viel Mut haben, um eine ‹Oma gegen Rechts› zu sein.»

Redaktion: «In der Schweiz gibt es zwar rechtsextreme Gruppierungen. Doch das politische, konsensorientierte Klima lässt sich kaum mit Deutschland oder Österreich vergleichen. Gegen welches Rechts sollen sich die Omas hier engagieren?»

Dörte Schnell: «Das stimmt, ich war überrascht zu erfahren, wie sehr der Konsens hier verankert ist.»

Monika Salzer: «Ich finde, jedes Land macht sich in irgendeiner Weise mitschuldig, wenn Situationen wie jetzt in Europa entstehen, wo Menschen vertrieben werden oder im Mittelmeer ertrinken. Die Schweiz lebt im europäischen Kontext.»

Rosmarie Brunner: «Und wer schweigt, macht sich mitschuldig.»

Dörte Schnell: «Ich würde mir wünschen, dass sich die Schweiz im Sinne der Menschlichkeit positioniert. Jetzt kommt ja beispielsweise diese Diversitätsdebatte wieder auf, die von den USA auch hinüber in die Schweiz schwappt, indem gefordert wird, dass Firmen ihre Diversitätsprogramme auflösen sollen. Da bin ich gespannt, wie sie sich verhalten.»

Rosmarie Brunner in Blau, Monika Salzer mit Ohrring und Dörte Schnell in Rot von Omas gegen Rechts lachen gemeinsam auf einer Bank in Basel am 5. April 2025.

Noch stehen die Schweizer «Omas gegen Rechts» ganz am Anfang. Einige Dutzend Interessierte aus der ganzen Schweiz hätten sich bereits gemeldet. Nun geht es gemäss Rosmarie Brunner darum, herauszufinden, welche Aktionen entstehen werden.

Schweizer «Omas gegen Rechts» stehen noch am Anfang

Doch nicht nur die Mitgliederzahlen der «Omas gegen Rechts» zeigen nach oben. Die AfD erreicht dieser Tage neue Wahlumfrage-Rekordwerte. Und mit Trumps Zoll-Chaos deutet wenig auf eine konsensorientierte Weltpolitik hin. Demotiviert seien die «Omas gegen Rechts» deswegen nicht.

Monika Salzer: «Nein. Das Gute ist, dass wir diese Kraft haben, uns zu Wort zu melden, und es gibt uns auch ein Stück Freiheit und Befriedigung.»

Dörte Schnell: «Wenn wir das Gefühl hätten, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, wäre das demotivierend. Dann wären wir nicht mehr handlungsfähig. Aber die ‹Omas gegen Rechts› haben dafür gesorgt, dass die alte Generation eben genau handlungsfähig ist.»

Rosmarie Brunner: «Und mir gibt das eine innere Energie, aufrecht hinzustehen und zu sagen: ‹Nein, nicht mit uns.›»