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Demonstration in Einsiedeln
Gehässigkeiten im Pilgerort – aber der Aufruhr ist von kurzer Dauer

Teilnehmerin der "Demo gegen rechts" in Einsiedeln, Schweiz, hält Schild mit der Aufschrift: "Was würde dir die selige Maria sagen, Alice?" am 22. Februar 2025. Im Hintergrund sind Gebäude zu sehen.
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Aufregung in Einsiedeln: Der Zug setzt sich in Bewegung. Nicht am Bahnhof, sondern auf dem Dorfplatz: Gut 200 Demonstrierende laufen los, sie wollen ein Zeichen setzen gegen die Politik der deutschen AfD, gegen den Rechtsruck in Deutschland. Das soll am Wochenende der deutschen Bundestagswahl geschehen, in Einsiedeln, wo die AfD-Chefin Alice Weidel zu Hause ist, was in den letzten Wochen für Aufsehen gesorgt hat.

Der Aufmarsch versetzt den beschaulichen Wallfahrtsort in Wallung. Blaulicht blitzt durch die engen Gassen im Dorf, der Föhn bläst die Temperaturen in die Höhe. Auch deshalb ist alles auf den Beinen, Schaulustige, Spaziergängerinnen, Velofahrer und nicht zuletzt: Klosterbesucher. Reihenweise fahren voll beladene Cars vor dem Kloster vor.

Gegendemonstrierende haben sich angekündigt, im Gegensatz zu der linken Kundgebung haben sie von der Polizei keine Genehmigung erhalten. Niemand weiss so recht, wie viele kommen, doch die Schwyzer Behörden sind vorsichtig. Sie kontrollieren schon im Vorfeld kleinere Gruppen und Privatfahrzeuge am Ortseingang, weisen fünf Personen weg, die verbotene Gegenstände auf sich tragen, wie sie später kommunizieren. Einige hielten sich aber nicht an die polizeilichen Wegweisungen und wurden vorübergehend festgenommen. Für die Präsenz in Einsiedeln haben sie sich bei den Kollegen vom Innerschweizer Korps Verstärkung geholt: Eine Hundertschaft soll es sein, heisst es um die Mittagszeit. Die Jungsozialisten des Kantons Schwyz raten von einer Teilnahme an der bewilligten Kundgebung ab – zu unberechenbar.

Wurde von der Polizei weggeleitet: Gegendemonstrant Nicolas Rimoldi.

Vor Ort ist dann der Spuk schnell vorbei. Im Demonstrationszug werden Plakate gereckt, «Kekse statt Nazis» steht da oder: «Langläuferinnen gegen rechts». Die Szenerie ist bunt, auf beiden Seiten: Im Tross wehen Regenbogenflaggen, von einem Balkon hängt ein blaues «Trump/Vance»-Banner.

Von allen Seiten wird der Zug von Polizisten in Vollmontur begleitet, im Ortskern müssen diese eingreifen. Die Kundgebung erlebt ein hässiges Spalier, in Kleingruppen stehen die Gegendemonstrierenden da, sie pfeifen und brüllen «haut ab», «verreist». Grössere Ansammlungen wie die «Mass-voll»-Bewegung um Nicolas Rimoldi hat die Polizei schon in einer Seitengasse neben dem Bahnhof festgesetzt – er und seine Mitstreiter schaffen es nicht bis zum Klosterplatz.

Dort bietet sich um etwa 14.30 Uhr ein unwürdiges Schauspiel: Der Zug zieht langsam die Strasse hoch, die beiden Parteien brüllen sich gegenseitig an, von den Terrassen der Restaurants gaffen und filmen Schaulustige – von 1000 Unbeteiligten schreibt die Polizei später. Einmal fliegt ein Bierbecher, dazu ein paar Schneebälle. Als sich die verbalen Auseinandersetzungen zu intensivieren drohen, unterbindet die Polizei ohne grosse Mühe.

«Ich bin nicht links und nicht rechts», sagt einer aus dem pfeifenden Spalier, der extra aus St. Gallen angereist ist. Aber eine Demonstration gegen eine Person, die nicht mal anwesend sei, das gehe zu weit.

Teilnehmer der ’Demo gegen Rechts’ in Einsiedeln, Schweiz, am 22. Februar 2025 halten ein Banner mit der Aufschrift: ’Die Schweiz und Alice Weidel, früher das Nazigold beschützt, heute als Faschowohnstätte bewohnt’.

Der Zug macht auf dem Paracelsusplatz schräg gegenüber dem Kloster Halt. Zögerlich stimmt die Menge das Partisanenlied «Bella ciao» an, darauf bilden ein paar eine Menschenkette – wogegen genau, bleibt unklar. Die Pfiffe der Gegendemonstranten werden leiser, einige sind schon abgezogen.

«Wir sind zufrieden, haben so viele Menschen unserem Aufruf Folge geleistet», sagt Virginie aus Lausanne. Sie engagiert sich in der antifaschistischen Bewegung, zusammen mit Kolleginnen aus der Deutschschweiz und Deutschland hat sie in den letzten Tagen die Kundgebung organisiert. «Wir sind bewusst hier in Einsiedeln, der Auftritt hier verschafft unserem Anliegen Gehör.»

Gegen 15 Uhr setzt sich der Tross der Demonstrierenden wieder in Bewegung, beschützt von der Polizei geht es zurück zum Bahnhof. Hinterher trottet eine lose Meute junger Männer, «demonstriert doch in Deutschland», rufen sie, «abfahre».