Von wegen König FussballTrotz 30 Absagen und viel Skepsis: Thierry Henry greift nach Gold
Der einstige Weltklassestürmer musste als Trainer der Franzosen lernen: Das olympische Fussballturnier stösst auf wenig Gegenliebe. In der Schweiz kennt man das.
Er träumte von Kylian Mbappé, Antoine Griezmann oder Olivier Giroud. Vergebens. Er hoffte auf Lucas Chevalier, Leny Yoro oder Khéphren Thuram. Wieder nichts. Also machte sich Thierry Henry irgendwann Sorgen: Bekommt er überhaupt ein Team zusammen, das gut genug ist, die Heimnation im Fussballturnier der Olympischen Spiele würdig zu vertreten?
Der einstige Spitzenstürmer mit Weltformat ist Trainer der französischen Olympiaauswahl. Doch trotz seines exzellenten Rufs: Für die Kaderselektion fing sich Henry erst einmal Absagen ein. Über 30 seien es gewesen, schreibt «L’Équipe». Aber Not macht anscheinend erfinderisch: Frankreich steht im Olympiafinal. Gegner am Freitagabend im Parc des Princes ist Spanien.
Fussball und Olympia: Diese Geschichte ist kompliziert. Im Gegensatz zu den Frauen ist das olympische Turnier der Männer auf unter 23-Jährige beschränkt. Ausnahmen bilden drei ältere Spieler pro Team. Zudem schert sich die Fifa wenig um die Sommerspiele, das olympische Turnier kommt in ihrem Rahmenkalender nicht vor. Heisst: Die Clubs sind nicht verpflichtet, ihre Spieler für Olympia abzustellen.
Auch Xhaka, Shaqiri und Behrami sagten einst ab
Schon die Schweiz machte unliebsame Erfahrungen damit. Nachdem sie sich für die Spiele 2012 qualifiziert hatte, sagten unter anderem Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka und Valon Behrami ab, auf Geheiss ihrer Arbeitgeber. Innocent Emeghara folgte dem Ruf, wurde daraufhin aber von seinem Club Lorient kaltgestellt. Selbst daheim herrschte Zunder: GC polemisierte öffentlich gegen die erstmalige Olympiateilnahme der Schweiz nach 84 Jahren.
Dass auch Thierry Henry auf Gegenwind stiess, als es darum ging, eine schlagkräftige Olympiamannschaft zu nominieren, könnte ihn verwundert haben. Schliesslich gehört er zu den beliebtesten und angesehensten Fussballern der Welt. Es ist ihm schliesslich immerhin gelungen, mit Alexandre Lacazette einen Altstar vom Kommen zu überzeugen. Er machte den 33-Jährigen von Lyon gleich zum Captain. Jean-Philippe Mateta von Crystal Palace ist ein weiterer Routinier.
Den Posten des U-21-Nationaltrainers, der Henry zum Verantwortlichen der Olympiaauswahl machte, hat der heute 46-Jährige seit vergangenem Herbst inne. Es ist seine dritte Trainerstation nach Monaco und Montreal – bei beiden Clubs war nach wenigen Monaten wieder Schluss. Davor hatte er dem belgischen Nationalcoach Roberto Martinez assistiert. Eine Funktion beim wenig geliebten Nachbarn, die in der Heimat mit Argwohn beobachtet wurde.
Jetzt also ist Henry Trainer der «Bleuets», so wird die höchste Juniorenauswahl des Landes genannt. Und die ist, nach Gruppenspielen in Marseille und Nizza, dem Viertelfinal in Bordeaux und dem Halbfinal in Lyon, nun auch zurück in der Hauptstadt. «Paris, wir kommen!», hatte nach dem Halbfinalsieg über Ägypten der junge Goalie Guillaume Restes ins Mikrofon gerufen. Die Sportnation stimmte in den Jubel ein.
Trotzdem: Die Skepsis ist noch nicht ganz gewichen. «L’Équipe» schreibt zwar, wie Henry allein mit seiner Aura das junge Team antreibe und inspiriere. «Sie haben Gold in den Füssen», schreibt die Sportzeitung. Allerdings auch dies: «Seit Beginn des Turniers gelang es der französischen Mannschaft, das Publikum zu langweilen. Gleichzeitig gelang es ihr fast immer, es am Ende zu begeistern.»
Exakt 40 Jahre ist es her, dass Frankreichs Fussball 1984 einen Sommer des Ruhms erlebte. Zunächst, im Juni, führte Michel Platini das A-Team zum EM-Titel im eigenen Land. Es war der erste grosse Titel überhaupt für die Fédération Française de Football. Besonders pikant mit Blick auf Freitag: Der Finalgegner im Parc de Princes hatte Spanien geheissen.
Sechs Wochen später gewann Frankreich erneut Gold, diesmal im Final des olympischen Turniers gegen Brasilien. Vor über 100’000 Zuschauerinnen und Zuschauern in Pasadena bei Los Angeles.
Einer der damaligen Spieler hiess Michel Bensoussan, kein einziges Mal trug er vorher und nachher das französische Nationaltrikot. Bensoussan ist als Teil jener Mannschaft zum Final vom Freitag eingeladen. Der Zeitung «Ouest France» sagte er: «Es ist eine Freude, dieser Mannschaft zuzuschauen. Sie strahlt etwas aus. Wenn man aus dem Nichts kommt, stärkt das die Bindung. Das ist 1984 auch uns passiert.»
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