Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Wahlparteitag der SPD
Olaf Scholz greift Union und Grüne scharf an

96 Prozent Zustimmung seiner Partei: Der Sozialdemokrat Olaf Scholz, 62, Finanzminister, Vizekanzler und Kanzlerkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl im Herbst.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Sechs Stunden lang haben die deutschen Sozialdemokraten am Sonntag versucht, sich bei einem digitalen Wahlparteitag neuen Mut für die Bundestagswahl im September zuzusprechen. In den Umfragen liegen sie derzeit weit hinter den Grünen und den Christdemokraten zurück – und nur noch knapp vor FDP und AfD.

Am Ende sprachen 96 Prozent der knapp 550 Delegierten Olaf Scholz das Vertrauen als Kanzlerkandidat aus. Mehrere Spitzenpolitiker hatten zuvor die Christdemokraten, mit denen die SPD in Berlin derzeit noch regiert, scharf angegriffen. Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete die Union als «kaputt und inhaltlich leer». Sie dürfe in Zukunft nicht mehr die Verantwortung für das Land tragen.

CDU/CSU «ein Risiko für den Wohlstand»

Parteichef Norbert Walter-Borjans verglich CDU/CSU mit einem Autofahrer, den man aus dem Verkehr ziehen müsse, weil er mit rücksichtslosen Manövern die Allgemeinheit gefährde. Als Beispiel diente ihm die jüngste Kehrtwende der Union in der Klimapolitik. Jahrelang habe diese auf der Bremse gestanden, um nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts plötzlich alle links zu überholen.

Olaf Scholz, in der amtierenden Regierung von Angela Merkel Finanzminister und Vizekanzler, sagte in seiner 45-minütigen Motivationsrede, die Christdemokraten seien mittlerweile ein Risiko für den Wohlstand und die gedeihliche Zukunft des Landes. In den Grossen Koalitionen seit 2013 hätten CDU/CSU jedenfalls immer nur gebremst, deswegen sei der «Fortschrittstau» nun so gross.

Ein Aufbruch sei jetzt dringend. «Ich habe einen präzisen Plan für die Zukunft.» Zudem verfüge er als langjähriger Bürgermeister von Hamburg und mehrfacher Bundesminister auch über die Erfahrung, um den Plan umzusetzen. Das unterscheide ihn sowohl von der Union wie von den Grünen.

Erfahren, aber wenig beliebt: CDU-Chef Armin Laschet, 60, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Kanzlerkandidat der Union.

Armin Laschet, der Kanzlerkandidat der Union, habe überhaupt keinen Plan. Und wie die Korruptionsfälle im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmasken gezeigt hätten, bestehe Wirtschaftskompetenz bei CDU/CSU nur noch darin, dass viele «in die eigene Tasche» wirtschafteten.

Die Grünen von Annalena Baerbock wiederum hätten zwar hehre Ideen, aber wie diese in Wirklichkeit zu verwandeln wären, wüssten sie nicht. Die SPD, so der 62-Jährige, sei die einzige Partei, die gesellschaftlichen Fortschritt ermögliche, ohne den sozialen Zusammenhalt weiter zu schwächen.

Früher habe die Union Wahlplakate mit dem Satz «Auf den Kanzler kommt es an» gedruckt. Dies gelte nun wieder. Und: «Ich kann es.» Wenn er Kanzler werde, werde er alles dafür tun, um Deutschland wieder in eine «Gesellschaft des Respekts» zu verwandeln. Deutschland brauche dafür eine «breite Allianz für Fortschritt», eine «Zukunftsregierung», geführt von seiner SPD.

Unerfahren, aber beliebt: Annalena Baerbock, 40, Chefin und Kanzlerkandidatin der Grünen.

Dass es so weit kommt, halten Beobachter derzeit für wenig wahrscheinlich. Scholz’ Problem besteht darin, dass die Deutschen ihn zwar schätzen und für kompetent halten, von seiner Partei aber nur noch wenig erwarten. Ganz anders bei den Grünen. Obwohl – oder gerade weil – diese seit 2005 im Bund nicht mehr regiert haben, traut man ihnen und ihrer 40-jährigen Kandidatin jede Menge Erneuerung zu. Und hält sie zunehmend auch für eine Alternative zur Union.

Zwei weitere Widersprüche lähmen die SPD: Sie steht zwar geschlossen hinter Scholz, kann aber doch nicht vergessen machen, dass sie ihn noch vor eineinhalb Jahren nicht als ihren Chef haben wollte. Programmatisch sind die Genossen seit 2019 erheblich nach links gerückt – Scholz als ihr Kanzlerkandidat steht aber geradezu idealtypisch für den eher konservativen, pragmatischen Flügel. Ob die Wähler bei soviel Dissonanzen nochmals Lust auf diese Partei und ihren Kandidaten entwickeln, scheint eher zweifelhaft.