Corona-Massnahmen des Bundesrats Kino, Fitness, Sport – ab Montag alles wieder möglich, «aber das ist kein Signal, um nachzulassen»
Der Bundesrat überrascht alle und lockert. «Wir gehen ein Risiko ein», sagte Alain Berset und erklärte den Entscheid vor den Medien. Der Ticker zum Nachlesen.
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Das Wichtigste in Kürze
Der Bundesrat lockert überraschend viele Corona-Massnahmen – obwohl seine eigenen Kriterien dafür nicht erfüllt sind.
«Wir gehen ein Risiko ein», sagt Alain Berset zur Öffnung, «es ist aber vertretbar für unsere Gesellschaft.»
Was ist neu erlaubt? Welche Einschränkung bleiben? Die wichtigsten Antworten zu den Lockerungen in der Übersicht.
Ist dieser Schritt erst der Anfang? «Die nächste Etappe ist davon abhängig, was nach der Öffnung vom Montag passiert», sagt Alain Berset.
Der Bundesrat hat zudem entschieden die Kosten für Antikörpertherapien zu übernehmen: Bund will für Covid-Therapie zahlen, die Donald Trump bekam
Der Bundesrat lässt weiter prüfen, in welcher Form der Bund die Herstellung und Entwicklung von Covid-19-relevanten Arzneimitteln und Impfstoffen stärken kann.
Der Entscheid überrascht, nachdem Virginie Masserey vom BAG noch am Dienstag zur Zurückhaltung aufgerufen hatte.
Zusammenfassung
Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern lockert die Schweiz ihre Corona-Restriktionen weiter. So dürfen ab Montag Restaurants und Bars ihre Aussenbereiche wieder öffnen, wobei maximal vier Gäste pro Tisch erlaubt sind, wie der Bundesrat ankündigte. Auch Kinos, Theater und Konzerthallen dürfen wieder aufmachen, dabei ist eine maximale Zahl von 50 Besuchern erlaubt.
Auch Publikumsveranstaltungen in Aussenbereichen wie etwa Sportereignisse und Open-Air-Konzerte sind wieder möglich, dürfen aber nur von höchstens 100 Menschen besucht werden. Ebenso ist der Präsenzunterricht an den Universitäten wieder zulässig. Private Sportaktivitäten sind nun in Gruppen von bis zu 15 Menschen erlaubt. In Innenräumen sind Sportarten mit Körperkontakt aber weiterhin verboten. Auch bleiben Wellnessanlagen und Freizeitbäder sowie Diskotheken und Tanzlokale geschlossen.
Der Bundesrat nannte die Corona-Lage im Land zwar weiterhin fragil, die Situation habe sich in den vergangenen Wochen weiter verschlechtert. Doch sei das Risiko der Lockerungsschritte vertretbar. Der Bundesrat verwies dabei auf die fortschreitende Impfkampagne sowie die «laufende Ausdehnung der Teststrategie». Gesundheitsminister Alain Berset lobte zudem, dass sich der Grossteil der Bevölkerung weiterhin vorsichtig verhalte. «Wir können ein gewisses Risiko in Kauf nehmen», sagte der SP-Bundesrat.
Bereits Anfang März waren im Land die Corona-Einschränkungen gelockert worden. (AFP)
Medienkonferenz zu Ende
Die Medienkonferenz ist nach gut einer Stunde zu Ende. In Kürze folgt hier eine Zusammenfassung.
Was sagen Sie?
Muss man sich alle 6 Monate impfen?
Berset sagt, es werde stets geforscht, wie lange die Impfung helfe. Ob es mit mRNA-Impfungen zu einem dritten Impftermin kommen werde, könne man derzeit noch nicht sagen. Es sei aber durchaus möglich.
Werden die Massnahmen aufgehoben, wenn alle geimpft sind?
Berset sagt, dass bis dieser Zeitpunkt erreicht sei, es schwierig werde. Ab dann werde es eine Frage der Eigenverantwortung sein. Danach könne man harte Restriktionen nur noch schwer rechtfertigen. Man könne zwar darüber diskutieren, ob die Massnahmen zu stark oder zu schwach seien, aber: «Das Ziel des Bundesrates war es immer, verhältnismässig zu handeln.»
Wieso werden Aktivitäten in Innenräumen erlaubt?
Die Antwort von Berset: «Die Vorgaben sind jeweils sehr restriktiv und müssen auch kontrolliert werden. Nur auf diese Art und Weise kann man diese Öffnungen vornehmen.»
Sollen Richtwerte nicht geändert werden – nur noch Spitalzahlen und Todesfälle?
Berset: «Wir brauchen gute und verlässliche Informationen, wir brauchen relevante Anhaltspunkte. Dann kann der Bundesrat sich auf möglichst viele Fakten beziehen, um die Lage der Pandemie zu beurteilen.»
Wer entscheidet über Vergrösserungen von Terrassen?
Das sei in der Kompetenz der Kantone und Gemeinden, erklärt ein Mitarbeiter des Bundes. Vielerorts dürfen Beizen draussen mehr Platz beanspruchen, die Städte Basel und Bern hätten bereits entsprechende Erleichterungen beschlossen. Es müsse aber immer beachtet werden, dass der Verkehr und Notfalldienste nicht behindert werden.
Wann dürfen die Beizen drinnen wieder öffnen?
«Die nächste Etappe ist davon abhängig, was nach der Öffnung vom Montag passiert», antwortet der Gesundheitsminister. Er appelliere deshalb an die Menschen, sich vorerst möglichst viel draussen aufzuhalten.
Ist eine Planbarkeit möglich?
Der Freiburger sagt, dass man immer die Dynamik der Situation im Auge behalten müsse. Das Ziel sei es, einen guten Weg mit der Gesamtbevölkerung zu finden, nicht wieder in die nächste Krise zu rutschen. Die Beendigung der Pandemie sei eine Frage des Vertrauens in der Schweiz.
Trägt das Volk die Massnahmen bald nicht mehr mit?
Berset antwortet, dass man sich bewusst sei, dass die Krise schon länger als ein Jahr daure. Die Situation mache vielen Schwierigkeiten. «Wir sind an der Grenze. Wir können nicht mehr.»
Berset erläutert noch die Vorgaben der Richtwerte. «Diese Kriterien sind nicht erfüllt. Aber wird sind nicht weit davon entfernt. Wir haben ja kein Ampelsystem eingerichtet, das wollten wir auch nicht.» Wichtiger sei die Dynamik. «Wir gehen ein Risiko ein. Es ist aber vertretbar für unsere Gesellschaft.»
Wann kommt der nächste Öffnungsschritt?
Berset sagt, dass kein konkretes Datum für weitere Schritte vorgesehen sei. «Wir werden die Lage wie bisher ständig beobachten. Und wenn es nötig ist, entsprechend reagieren.» Man müsse jetzt schauen, wie sich dieser Öffnungsschritt Anfang Mai auswirken werde und dann wieder entscheiden.
Dürfen geimpfte Personen auf die Maske verzichten?
Nein, antwortet Berset, mit Ausnahme der Altersheime. «Es gibt einen grossen Unterschied. Die Altersheimbewohner leben in diesen Heimen, sie müssen also den ganzen Tag in ihrer Wohnung Masken tragen. Das ist hart. Deshalb gibt es da Erleichterungen.»
Wie entwickeln sich die Richtwerte?
Berset: «Es gibt viele Punkte, welche noch angeschaut werden müssen. Auch bei einer grösseren Durchimpfung gibt es Punkte, welche man berücksichtigen muss.»
Fall Moutier: Warum sind die Fallzahlen nicht explodiert?
Berset antwortet zu Moutier, wo viele nach der Abstimmung feierten, folgendes: «Wir analysieren die Situation. Es würde auch zeigen, dass draussen weniger Ansteckungen stattfinden können.»
Was ist anders als noch vor einem Monat?
«Erstens kann man dank dem Wetter jetzt mehr draussen machen. Und zweitens sind bereits grosse Teile der am meisten gefährdeten Personen geimpft», sagt Berset, «das ist der Unterschied noch zur Situation vor vier Wochen. Wir sehen und spüren die Wirkung der Impfung.»
Wie sieht es mit dem Homeoffice aus?
Ein Journalist fragt, wieso die Homeoffice-Pflicht nicht aufgehoben würde. Berset sagt, dass das dazu führen würde, dass wieder mehr Menschen pendeln würden, was gefährlich sei. Zudem habe sich die Wirtschaft gut auf die Homeoffice-Pflicht eingestellt. «Über Homeoffice wird aber sehr bald wieder entschieden werden.»
Sind die Öffnungen das richtige Signal für die Bevölkerung?
Die Fragerunde beginnt. Berset antwortet auf die Frage: «Die Beschlüsse sind nicht als Signal zu interpretieren, dass Corona jetzt fertig ist. Gerade deshalb habe ich vorhin gesagt, dass man unbedingt die Schutzmassnahmen einhalten muss.» Aber der Bundesrat ist nun bereit, diese Öffnungen zu wagen.
Bundesrat prüft Engagements bei Herstellung von Impfstoffen
Nach der Kontroverse um die Kontakte des Bundes mit der Basler Firma Lonza lässt der Bundesrat prüfen, in welcher Form der Bund die Herstellung und Entwicklung von Covid-19-relevanten Arzneimitteln und Impfstoffen stärken kann. Und der Bund will in einer ersten Phase die Kosten für Antikörper-Medikamente übernehmen.
Er habe das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) mit der vertieften Prüfung eines möglichen verstärkten Engagements des Bundes bei der Herstellung und Entwicklung von Covid-19-relevanten Arzneimitteln inklusive Impfstoffen beauftragt, teilte der Bundesrat am Mittwoch mit.
Mit der Änderung des Covid-19-Gesetzes vom März habe man nun diesbezüglich grösseren Spielraum. Der Bundesrat hat damit die Grundlage erhalten, wichtige medizinische Güter selber herstellen zu lassen. Er soll auch die Finanzierung der Herstellung regeln. Damit soll die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen medizinischen Gütern gewährleistet werden.
Kein Tabu mehr
Die Kontakte des Bundes mit Verantwortlichen des Walliser Produktionsstandorts von Lonza in Visp hatten eine Kontroverse über mögliche Investitionen des Bundes in die Impfproduktion ausgelöst. Im Vordergrund stand die Frage, ob der Bundesrat ein Angebot von Lonza für den Kauf einer Impfstoff-Produktion ausgeschlagen habe. (Lesen Sie dazu unseren Artikel: Streit um Impfstoffe: Bundesrat Berset und Lonza-Präsident Baehny wollen zusammenarbeiten).
Laut Gesundheitsminister Alain Berset ging es dabei aber um Investitionen. Um den Kauf einer Infrastruktur, die Impfstoff produziert, sei es nie gegangen. Unterdessen gelten für Politikerinnen und Politiker aller Couleur staatliche Investitionen in Krisenzeiten in diesem Bereich nicht mehr als Tabu.
Kredit für Monoklonale Antikörper-Kombinationstherapien
Der Bundesrat will sich überdies wappnen im Hinblick auf die Versorgung mit wichtigen und vielversprechenden Arzneimitteln gegen Covid-19, wie er weiter mitteilte. Er habe dafür einen Kredit von 100 Millionen Franken freigegeben, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch in Bern vor den Medien.
So würden etwa sogenannte Monoklonale Antikörper-Kombinationstherapien in der Schweiz bald verfügbar sein. Bis die Krankenversicherer die Kosten übernehmen, will vorerst der Bund für die Finanzierung dieser Behandlungen aufkommen. Diese Therapien sind laut Berset zwar sehr teuer, verhindern aber einen schweren Krankheitsverlauf und damit eine Intensivbehandlung im Spital. «Die Resultate von klinischen Studien sind vielversprechend.»
Diese einmalig intravenös im frühen Krankheitsstadium verabreichten Medikamente verhindern das Eindringen des Virus in die Zelle und senken laut ersten Studien das Erkrankungsrisiko deutlich. Vorbild und Grundlage sind Antikörper, die aus dem Plasma eines Menschen gewonnen werden, die Covid-19 überstanden haben. In den USA oder Italien etwa gab es bereits Notfallzulassungen für solche Medikamente.
Medikamente mit monoklonalen Antikörpern gibt es bereits seit den 1990er-Jahren. Sie wurden bisher meist gegen Krebserkrankungen oder Autoimmunkrankheiten eingesetzt.
Jede Öffnung ein Risiko
Berset sagt noch: «Die Situation bleibt fragil. Jede Öffnung ist ein Risiko. Aber es muss nun möglich sein, ohne Jo-Jo-Effekt eine gute Lage in der Pandemie zu haben.»
SDA/red
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