TV-Kritik «Tatort»«Ocean’s 8»? Eher «Main’s 4»!
Der neue «Tatort» aus Frankfurt baut deutsche Frauen-Wirklichkeit rund um einen Entführungsfall.
Nach der Sommerpause steigt das deutsche Fernsehen eher konventionell in die «Tatort»-Saison ein: mit einer Entführungsstory, die in der Familie bleibt. Der schwerreiche Papa des Entführten ist ein unsympathischer Wirtschaftsanwalt mit steuertechnischem Dreck am Stecken (schön eklig: Bernhard Schütz) und einer Blofeld-Katze namens Caligula. Seinen eigenen Anwalt wiederum hat er wie ein Hündchen abgerichtet. Kein Wunder, dass dieser Vater glaubt, sein Sohn täusche die Entführung nur vor.
Der Golf-begabte Sohnemann ist tendenziell ein Taugenichts, der als wohlstandsverwahrloster Millionenerbe in spe irgendwann wohl seine Seele verloren hat und auf jeden Fall schon lang das Interesse an seinen beiden Kindern und an seiner Ex (Britta Hammelstein kann starke Frauen!), die seinerzeit das Medizinstudium der Kinder wegen abbrach.
Aha, realisiert da gleich Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich): ein typisches frustrierendes Frauenschicksal. Und über das Frauenthema hat Drehbuchautorin Petra Lüschow sich doch noch den Weg in eine gesellschaftskritische «Tatort»-Ausgabe gebahnt. Ein feministischer Selbstverteidigungsclub entpuppt sich als Knotenpunkt.
Es ist, als seien die Diebinnen von «Ocean’s 8» hier zu unglamourösen – wenn auch superintelligenten – «Main’s 4» geschrumpft: Es geht bei den hart arbeitenden Frauen so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Aber gerade darin liegt der Reiz von «Wer zögert, ist tot», samt Brownie-Points für die entscheidende Rolle, die die transsexuelle Schauspielerin Zazie de Paris hier bekommt. Normalerweise steht sie als Vermieterin der Bleibe von Kommissar Paul Brix (Wolfram Koch) etwas weniger im Zentrum.
Im Finale wartet Autorin und Regisseurin Lüschow dann gar noch mit einem schmucken Dreh auf. Dennoch: Zwischendrin hängt die Chose ein wenig durch, etwa während der obligaten Geldübergabe-Aktion oder während der endlosen Gänge durch die – historisch interessanten – Weltkriegsbunker, die Frankfurt quasi untertunneln. Auch die hochkonstruierte Tragik des Vater-Sohn-Konflikts lässt eher kalt. Immerhin versucht Lüschow bildtechnisch eine Menge, um das Beengende, Unheimliche einzufangen.
Etwas aufgepappt wirkt schliesslich der Mix zwischen Splatterkomik und Grusel: So landen diverse abgeschnittene Finger nach und nach bei der Polizei, unter anderem ist dabei ein vegetarisch ernährter Hund involviert. Ein Tick weniger Sauce und ein kleines bisschen mehr Fleisch am Knochen hätten auch dem Krimi gutgetan.
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