O Captain! My Captain!
Die Rapperswil-Jona Lakers haben sich einen neuen Leader gesucht. Der Amerikaner Andrew Rowe soll nun den Aufbruch in eine von Kampfgeist geprägte Zeit verkörpern.
Auf der Autogrammkarte fehlt nur der Drachen, und das Heldenbild wäre komplett. Doch Andrew Rowe, Stürmer aus Michigan, hat auch ohne Monster geschafft, was es eigentlich nicht gibt im Eishockey. Etwas «Unnatürliches», wie er selbst sagt. Denn wenn die Lakers in zehn Tagen in die Meisterschaft starten, wird der 31-Jährige als Captain auflaufen – gewählt von Spielern, die vor einem Monat Fremde waren.
Keine vier Wochen brauchte Rowe, um ein ganzes Team in seinen Bann zu ziehen. Nachdem die Lakers per anonyme Wahl ihren Captain gekürt hatten, gab es einen klaren Sieger. «Ich hätte ein Veto gehabt», sagt Trainer Tomlinson, «aber ich konnte nur zustimmen.»
Rowe selbst bezeichnet es als «Schocker», was ihm da widerfuhr. Ein Dutzend Jahre war er durch kleinere amerikanische Ligen getingelt, zuletzt spielte er in Schweden. Doch so etwas hat er noch nie erlebt. «Ich bin geschmeichelt, es macht mich demütig und stolz», sagt er. Dabei sagt dieser Vorgang mindestens so viel über den Club aus wie über jenen Mann, der künftig das C auf der Brust trägt.
«Ein rechter Bär»
Im Duden wird ein Captain schlicht als «Mannschaftsführer» definiert. Doch bei den Lakers 2019 ist er so viel mehr: Er muss auf dem Eis jenen Wandel verkörpern, den der Club hinter den Kulissen längst durchlebt hat. Rowe, der Kämpfer aus Übersee, soll nicht nur sportlichen Mehrwert bringen, sondern auch eine neue sportliche Identität. Und die hat der Club vom Obersee dringend nötig.
«Wir haben einen Charakterspieler gesucht, einen Leader», erklärt der neue Sportchef Janick Steinmann. Am 1. Mai trat er seinen Job an, tags darauf gab er die Verpflichtung von Rowe bekannt, gleich für zwei Jahre. Man darf das als Signal verstehen. Nicht Edeltechniker Roman Cervenka, der zweite prominente Zuzug, soll die Lakers künftig verkörpern. Sondern ein hierzulande kaum bekannter Zweiweg-Center. «Ein rechter Bär», wie Steinmann sagt. «Einer, der sich nicht schont, der alles tut für die Mannschaft», schwärmt Tomlinson.
Um zu verstehen, wie der Club an diesen Punkt kam, lohnt sich ein Blick zurück. Als Rapperswil-Jona 2018 als Aufsteiger in die Saison startete, kam es eigentlich schon zu spät. Der Transfermarkt war leer gefegt, und so wurde das Personal, das während dreier Jahre die Swiss League dominiert hatte, aus Loyalität oder mangels Alternativen grossteils behalten. Entsprechend waren die Resultate.
Es wurde eine Chronik der Überforderung. Von den ersten 11 Spielen gingen 10 verloren, am Ende hatte man am wenigsten Tore geschossen und am meisten erhalten. Weniger als ihre 32 Punkte erreichte seit Einführung der 3-Punkte-Regel einzig der spätere Absteiger EHC Basel 2007.
Eine Saison, fünf Captains
Diese Vorgeschichte ist so prägend wie die drei Jahre Zweitklassigkeit, in denen die Lakers zuvor den Wandel weg vom Chaosverein, hin zum National-League-tauglichen Sportunternehmen vollzogen hatten. Nur auf dem Eis war diese Tauglichkeit nach dem Aufstieg nicht gegeben. Und nirgends zeigte sich das deutlicher als beim Captain.
So trugen nicht weniger als fünf verschiedene Spieler vergangenen Saison das C auf dem Leibchen. Antonio Rizzello, nach dem Abstieg 2015 als Integrationsfigur zum Captain gemacht, war zwar erneut fürs Amt vorgesehen. Doch dann fand Trainer Tomlinson für den mittlerweile 34-Jährigen in der Hälfte aller Partien keinen Platz im Team.Am Ende blieb Rizzello ohne Torerfolg, erhielt kaum Eiszeit und keinen neuen Vertrag.
So etwas soll sich nicht wiederholen. Und darum ist es auch wenig wahrscheinlich, dass es trotz fünf Ausländern im Kader ausgerechnet Rowe ist, der diese Saison oft zuschaut. Zu viel haben die Lakers in ihren Vorkämpfer investiert, selbst die neuen Mitspieler. Ob sie mit ihrer überraschenden Wahl auch ein Zeichen setzen wollten, dass es nicht weitergehen kann wie bisher?
«Absolut», glaubt Rowe, «es könnte schon im Hinterkopf gewesen sein: dass man vielleicht eine neue Stimme braucht, neue Ideen, einen neuen Typen. Das stimmt für mich auch: Ich habe keine Angst, meine Stimme zu erheben und meine Meinung zu sagen.»
Es macht ganz den Anschein, als hätten die Lakers mit ihrem Heldenthema ins Schwarze getroffen. Korrekt ist ihre Autogrammkarte natürlich trotzdem nicht. Dem Drachentöter fehlt das C auf der Brust.
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