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Verblüffende Studie
Nur mit Gedanken die Muskeln stärken? Doch, das geht

Visualisieren für Fortgeschrittene: Mit möglichst exakter gedanklicher Simulation eines «echten Trainings» werden dieselben Teile des Gehirns angesprochen.
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Wir springen für unser Thema zurück in jene Pandemie-Zeit, als in vielen Ländern das öffentliche Leben fast stillstand. Jene Situation offenbart nämlich, wie aussergewöhnliche Lebenssituationen zu aussergewöhnlichen Experimenten führen können.

Antonio Dello Iacono heisst der italienische Sportwissenschaftler, der an der University of the West of Scotland lehrt und das damals beste Basketballteam der britischen Liga von seinen Ideen überzeugte. Es handelt sich um die Glasgow Rocks.

Diese Basketballer hatten wie viele Menschen das Problem, sich von Trainingsorten fernhalten zu müssen. Darum konnte Dello Iacono die Betreuer und die Spieler für einen ungewöhnlichen Versuch gewinnen.

Er verordnete den Topathleten, die also alle schon auf hohem Niveau ihren Sport betrieben, ein imaginäres Krafttraining. Konkret: Er teilte 30 Männer in drei Gruppen ein. Zehn sollten dreimal die Woche über 6 Wochen exakt folgende zwei Kraftübungen nur in ihren Gedanken simulieren: Kniebeugen und Bankdrücken mit 85 Prozent ihres Maximalgewichts, sechs Wiederholungen in drei Sets – mit 2 Minuten Pause zwischen diesen Sets. Die zweite Gruppe sollte sich ein Gewicht von 55 bis 65 Prozent ihres Maximums vorstellen (das sie natürlich kannten). Die dritte Gruppe sollte gar keine imaginären Gewichte stemmen.

9 Prozent mehr Maximalkraft

Hinzu kamen für alle drei Gruppen zweimal in der Woche kurze Sprints. Wichtig auch: Sämtliche Spieler hatten sich zuvor in imaginärem Wurftraining geübt, sie wussten, was Wissenschaftler Dello Iacono von ihnen verlangte. Er erstellte einen exakten Ablauf mit ihnen, eine Art Protokoll, das sie mental durchgingen. Sie mussten sich vorstellen, wie sie den Kraftraum betraten, das entsprechende Gewicht auf die Stange hievten, sich die Stange auf die Schulter legten etc. Die Abwärtsbewegung der Stange sollte exakt zwei Sekunden dauern (wie üblich), die Aufwärtsbewegung so schnell wie möglich. 

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Mit der Fortdauer der Trainingswochen mussten die Sportler die Zahl der Wiederholungen auf acht steigern, die Pausen nahmen leicht zu. Nach den sechs Trainingswochen liess Dello Iacono alle Probanden testen. Er wollte wissen, ob sie ihre Maximalkraft verbessert hatten (indem sie pro Übung einmal möglichst viele Kilos stemmten). 

Alle waren verblüfft. Gruppe 1 (diejenige mit dem meisten imaginären Gewicht) steigerte sich im Schnitt in der Kniebeuge um 9 Prozent, im Bankdrücken um 7 Prozent. Gruppe 2 (mittleres Gewicht) um 5 (Kniebeuge) bzw. 2 Prozent (Bankdrücken). Gruppe 3, welche kein imaginäres Krafttraining absolviert hatte, büsste an Maximalkraft ein. Wer die Details lesen will: Sie sind hier im renommierten «Medicine & Science in Sports & Exercise» nachzulesen.

Möglicher Placeboeffekt?

Dello Iacono konnte also zeigen, dass sich einzig mit Gedankenarbeit die Maximalkraft von exzellent trainierten Sportlern deutlich steigern liess. Trotzdem ist er im Gespräch zurückhaltend, was die Resultate betrifft. Sicher ist er sich, dass sich mit dieser Trainingsform entsprechende Resultate erreichen lassen. Unsicher ist er, ob diese teilweise signifikanten Verbesserungen nicht erheblich durch einen Placeboeffekt ausgelöst wurden. 

Warum der Ansatz funktioniert, erklärt er so: Mit möglichst exakter gedanklicher Simulation eines «echten Trainings» werden dieselben Teile des Gehirns angesprochen und dieselben Signalwege in der Wirbelsäule aktiviert. Durch die wiederholte Ausführung werden die neuronalen Schaltkreise neu verdrahtet, sodass die Versuchspersonen für eine bestimmte Bewegung mehr Muskelfasern einsetzen oder diese intensiver anspannen können. 

Breiter Einsatz für Profis

Funktioniert der Ansatz auch für Hobbyathleten? Dello Iacono überlegt, sagt: «Wenn sie perfekt instruiert und im Umgang mit solchen spezifischen Trainingsformen vertraut sind: ja.» Und er zählt mögliche Einsatzgebiete dieser imaginären Trainingsform für Profis auf: wenn sie verletzt sind. Wenn sie am Reisen sind und keine Möglichkeit haben, anders zu trainieren. Wenn sie eine körperliche Vorermüdung in Form eines «realen» Aufwärmens vermeiden wollen. Wenn sie ohnehin schon müde sind und sich damit mit weiteren «realen» Trainings verletzen könnten.

Obschon das Experiment erfolgreich verlief, kehrten die Rocks nach der Aufhebung strenger Pandemie-Regeln vollumfänglich zum normalen Krafttraining zurück. Das sei allerdings ein Thema für sich, findet Wissenschaftler Antonio Dello Iacono: wie man Coaches und Athleten überzeugen könne, innovative Ansätze ins Training zu integrieren.