Mobility-PricingNur eine City-Maut – nein, danke!
Nicht nur bürgerliche Parteien wehren sich gegen die Pläne des Bundesrats. Auch die Grünliberalen fordern Korrekturen.
Simonetta Sommaruga will testen, inwieweit es möglich ist, den Strassen- und Schienenverkehr zeitlich besser über den Tag zu verteilen. So sollen die Verkehrsspitzen geglättet und das bereits heute strapazierte System vor weiterer Überlastung geschützt werden; bis 2040 wird der Personenverkehr gemäss Bund um ein Viertel wachsen, der Güterverkehr um mehr als ein Drittel.
Der SP-Magistratin ist es gelungen, den Bundesrat von der Vorlage zu überzeugen: ein Bundesgesetz, das regionale Pilotprojekte erlaubt. Das Vorhaben hat im Parlament jedoch einen schweren Stand. Das zeigt die Vernehmlassung, die am Montag endet. Die Kritik entzündet sich nicht an der Grundidee, Fahrten auf Strasse und Schiene je nach Zeitpunkt und Abschnitt zu verteuern oder zu verbilligen.
Vielmehr ist es die konkrete Ausgestaltung der Vorlage. Für heftige Kritik sorgt der Vorschlag, dass interessierte Kantone und Gemeinden bei den Pilotprojekten nicht zwingend beide Verkehrsträger einbeziehen müssen, also den öffentlichen Verkehr sowie den motorisierten Individualverkehr. Die SVP sieht darin ein ideologisch motiviertes «Schlupfloch» zur Einführung eines Roadpricing, das nur die Autofahrer belasten, die Pendler des öffentlichen Verkehrs aber verschonen würde. In der Stadt Bern etwa gibt es bereits Pläne für eine solche City-Maut, und zwar bei der Monbijoubrücke.
FDP fürchtet irreversible Fakten
Auch die FDP akzeptiert einseitige Versuche nicht. Es sei wichtig, dass die Pilotprojekte beide Verkehrsträger abdecken würden, da sonst die gewonnenen Erkenntnisse nicht aussagekräftig seien, sagt FDP-Kommunikationschef Arnaud Bonvin. «Wenn ein Transportmittel der neuen Preisgestaltung nicht unterliegt, erfolgt ein Umstieg auf das andere, was wiederum zu Kapazitätsproblemen führt.» Die Freisinnigen mahnen zudem, dass die Versuche keine irreversiblen Fakten schaffen dürfen.
Auf Korrekturen drängen nicht nur die bürgerlichen Parteien. «Der Bundesrat muss über die Bücher», sagt auch Nationalrätin Barbara Schaffner von den Grünliberalen. Die Bedingungen für Versuche, kritisiert die Partei in ihrer Stellungnahme, seien so restriktiv ausgestaltet, dass de facto ausschliesslich eine City-Maut möglich sei. Gerade dieses Instrument sei aber bereits im Ausland erprobt. «Pilotprojekte in der Schweiz bringen keinen Mehrwert.» Sie würden bloss das öffentliche Vorurteil zementieren, dass Mobility-Pricing nur eine City-Maut sei und Zusatzsteuern für den motorisierten Individualverkehr bringe.
«Pilotprojekte in der Schweiz bringen keinen Mehrwert.»
Als Votum gegen Mobility-Pricing will die GLP ihre Kritik nicht verstanden wissen. Im Gegenteil, die Partei sieht darin ein taugliches Instrument, das den Verkehr lenken und Kostenwahrheit einführen kann. Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, sollen sich Pilotprojekte aber nicht nur auf einzelne Regionen beschränken, sondern landesweit erfolgen. «Der Bundesrat darf die Verantwortung nicht einfach auf die Kantone und Gemeinden abschieben», sagt Schaffner. Konkret sollen auch Betriebe, die wie die SBB landesweit operieren, und der Bund selber Träger eines Pilotprojekts sein können. Als Schlüssel sieht die GLP Tests mit freiwilligen Probanden. Autofahrer etwa könnten die Mineralölsteuer und andere Abgaben zurückerstattet erhalten, wenn sie im Gegenzug bereit wären, zeit- und distanzabhängige Mobilitätsabgaben zu zahlen. Wie das bei den ÖV-Passagieren aussehen könnte, ist noch unklar. «In letzter Konsequenz», stellt Schaffner aber klar, «muss auch das GA abgeschafft werden.»
Die Stellungnahmen der SP, Grünen und Mitte-Partei liegen noch nicht vor. Es zeichnet sich aber ab, dass die Vorlage in der aktuellen Form kaum mehrheitsfähig ist. Allein SVP, FDP und GLP bringen es im Nationalrat auf 100 von 200 Sitzen. Ein vorzeitiges Scheitern der Vorlage kann sich der Bundesrat nur schwerlich leisten, denn mit Mobility-Pricing will er nicht nur den Verkehr besser lenken, sondern auch die Finanzierung von Strasse und Schiene langfristig sichern.
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