Kommentar zum Scannen von NummernschildernWarum so heimlich?
Es gibt verständliche Gründe, Nummernschilder von Fahrzeugen zu erfassen. Aber die Grenzen eines solchen Systems müssen öffentlich und auf nationaler Ebene diskutiert werden.
Bern macht es schon, Obwalden ebenso, das Tessin auch – und Zürich arbeitet daran: Immer mehr Kantone erfassen auf ihren Strassen automatisch die Nummernschilder aller Fahrzeuge (lesen Sie hier die ganze Recherche zum Thema). Grösster Akteur ist aktuell der Zoll, der rund 400 Kameras betreibt – total sind es heute rund 450 Kameras. In Zukunft dürften es deutlich mehr werden, insbesondere, wenn die Polizeien auch auf die Tausenden Kameras des Bundesamts für Strassen zugreifen dürfen.
In den kantonalen Parlamenten flammt die Debatte rund um diese Kameras immer wieder auf – mit unterschiedlichen Resultaten. In einigen Kantonen bremst Linksgrün, in anderen haben die Gerichte die Polizeien zurückgepfiffen. Anders Bern: Dort darf die Polizei in absehbarer Zeit die Daten von 24 Kameraanlagen für 60 Tage aufbewahren, um nach Nummernschildern zu suchen, die erst nachträglich relevant werden.
Das Problem der kantonalen Debatten: Es fehlt der Blick aufs grosse Ganze. Denn richtig effektiv werden die Kameras erst, wenn sie im ganzen Land – also in allen Kantonen – installiert sind. Erst dann lassen sich Fahrten von Verdächtigen lückenlos verfolgen. Umgekehrt wird auch dann erst erkennbar, wie weit sich dieses System bereits in Richtung Massenüberwachung bewegt hat. Und es tun sich neue Möglichkeiten auf: Soll man auch die Personen erfassen, die hinter dem Steuer eines Fahrzeugs sitzen? Oder automatisch gesichtserkennende Software laufen lassen?
Das Problem ist der Föderalismus
Anders gesagt: Eine Diskussion auf der Ebene der Kantone ist eine Diskussion über einzelne Bäume. Dabei geht vergessen, dass der Wald als Ganzes entscheidend ist.
Dass die nationale Debatte fehlt, hat mit dem Schweizer Föderalismus zu tun. Die treibenden Kräfte sind nicht der Bund, sondern die Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren und die Konferenz der Polizeikommandanten. Es sind also die Kantone, die sich hinter verschlossenen Türen auf eine gemeinsame Strategie festlegen – und im Fall der automatischen Kameras auch gemeinsam Millionen in ein Projekt stecken.
Diese Konferenzen der Kantone werden immer wichtiger. Das bedeutet, dass sie auch aktiver informieren müssen – zum Beispiel durch Pressekonferenzen. Insbesondere, wenn sie politisch brisante Initiativen vorantreiben – zum Beispiel die Verzahnung automatischer Kameras im Strassenverkehr. Erst dann kann die Bevölkerung verstehen, was sie vor sich hat. Und erst dann kann eine informierte Debatte stattfinden.
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