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Interview mit Berner Sicherheitsdirektor
«Ich persönlich habe kein Problem, wenn die Polizei mein Nummernschild für einige Tage erfasst»

Interview mit Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) zu Krieg, Asyl, Polizei anlässlich Wahl zum Regierungspräsident des Kantons Bern. © Adrian Moser / Tamedia AG
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Philippe Müller, der Kanton Bern ist ein Schweizer Vorreiter bei der Fahndung mit automatischen Kameras im Strassenverkehr. Weshalb nutzt die Berner Kapo dieses Mittel, das in verschiedenen Kantonen so kontrovers diskutiert wird?

Wir brauchen dieses System, um schwere Straftaten aufzuklären. Ich mache Ihnen ein ganz konkretes Beispiel: Nach einer Bancomatensprengung ermittelt die Kantonspolizei und kommt zum Schluss, dass die mutmasslichen Täter in einem polizeilich gesuchten Fahrzeug mit einem bestimmten Nummernschild davongefahren sind. Wir können so den Weg dieses Fahrzeugs nachverfolgen.

Im Strassennetz des Kantons Bern sind inzwischen 24 automatische Kamera-Anlagen aufgestellt. Kritiker sagen, hier werde ein System zur Massenüberwachung aufgebaut.

Falsch. Wir reden von einem Fahndungssystem, das in ganz klar definierten Grenzen zum Einsatz kommen darf: bei Ermittlungen nach schwereren Straftaten – und zur Erkennung von Personen, die trotz entzogenem Fahrausweis fahren.

Kritiker monieren, dadurch sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller autofahrenden Bürgerinnen und Bürgern betroffen.

Moment – was wird konkret gespeichert? Das Nummernschild. Das ist in meinen Augen kein schwerer Eingriff. Ich persönlich habe kein Problem, wenn die Polizei mein Nummernschild für einige Tage erfasst. Solange klar ist, dass sie dieses nur in ganz bestimmten Fällen auswerten darf. Das erscheint mir verhältnismässig. Und gleich noch ein Punkt.

Bitte.

Das absurdeste Argument ist für mich, wenn eingewendet wird, man dürfe solche Datenbanken nicht anlegen, weil sie gehackt werden könnten. Wenn dieses Argument ziehen würde, könnten wir alle Behörden schliessen, die mit noch viel sensitiveren Daten arbeiten: die Kesb, die Gerichte, die Spitäler. Oder zurück zum Papierbüro. Und das will niemand.

Bern will noch einen Schritt weitergehen: Schon bald darf die Polizei die erfassten Nummernschilder auch speichern – für 60 Tage.

Genau, das wird kommen, das hat bei uns bereits das Parlament so festgelegt. Auch hier wieder das Beispiel der Bancomatensprengung: Vielleicht finden wir drei Tage nach dem Vorfall heraus, dass es noch ein zweites Fahrzeug gab, mit dem die mutmasslichen Täter geflüchtet sind. Dann wollen wir dieses ebenfalls ausfindig machen. Das wäre ohne Speicherung nicht möglich. Und gleich noch ein Beispiel: Es gab einmal einen Nordwestschweizer Mordfall, bei welchem der mutmassliche Täter die Leiche im Thunersee versenken wollte. Der Verdächtige sagte, er sei in einem ganz anderen Teil der Schweiz unterwegs gewesen. Uns half dann Kommissar Zufall: Sein Fahrzeug war auf einer Bancomatenkamera zu erkennen. Mit Verkehrskameras hätten wir grössere Chancen gehabt, den Täter auch ohne diesen Zufallstreffer zu überführen.

Und was entgegnen Sie der Befürchtung, es wachse hier langsam ein immer ausgefeilteres Überwachungssystem heran?

Wir geben heute freiwillig in den sozialen Medien viel heiklere und vor allem auch viel mehr Daten preis. Handys und moderne Autos zeichnen alles auf – und alle Daten sind bei privaten Firmen. Und ausgerechnet in der Kriminalitätsbekämpfung, wo so viel auf dem Spiel steht, sollten wir besonders zurückhaltend sein? Die gesetzlichen Schranken funktionieren ja, das zeigen die Beispiele aus der Praxis. Wir müssen diese modernen Mittel nutzen, um gegen eine immer modernere Kriminalität gerüstet zu sein. Ich habe es früher auch nicht geglaubt, aber heute sage ich: Datenschutz ist Täterschutz.