Weltrekordschwimmer Noè Ponti150’000 Dollar in zwei Wochen – doch der Herbst ist für ihn viel mehr wert
Auf den Olympia-Blues folgte für den 23-Jährigen ein Herbst-Hoch und die RS: Noè Ponti ist der Schnellste je über 50 m Schmetterling – und verdiente damit viel Geld.
- Noè Ponti ist der beste Schwimmer, den die Schweiz je hatte.
- Nach Olympiabronze 2021 wurde er an den Spielen in Paris Vierter.
- Im dreiteiligen Weltcup nun schwamm er Weltrekord über 50 m Schmetterling und verdiente eine sechsstellige Summe.
- Vor einer Woche rückte er in die Spitzensport-RS ein und startet am Wochenende in Sursee.
Es gab manche, die schrieben auf Instagram: «Was für eine Legende!» Jérémy Desplanches, guter Freund und Olympiabronzegewinner von 2021, meinte bewundernd: «Ich bin sprachlos, und du bist grenzenlos.» Und Noè Ponti selber, dem die Elogen galten, antwortete in seiner zurückhaltenden Art, die manchmal auch ganz nüchtern sein kann: Und jetzt geht es zurück an die Arbeit!
Dort ist der 23-jährige Tessiner nun nach drei Wochen Weltcup im Fernen Osten, die er als «eine der besten Erfahrungen in meiner Karriere» bezeichnet. Zurück an der Arbeit heisst derzeit: Ponti ist vor einer Woche in die Rekrutenschule eingerückt. Auch er profitiert von der Spitzensport-RS in Magglingen, die Training und militärische Dienstpflicht kombiniert. Zweimal jährlich wird der 18-wöchige Kurs mit bis zu 70 Athletinnen und Athleten durchgeführt, jetzt gerade sind Sommersportler an der Reihe.
Ponti hat das langfristig geplant: nach den Spielen in Tokio 2021 der Wechsel in die USA (und die unerwartet schnelle Rückkehr), nach Paris dann die RS. Auf der Zugfahrt von Biel zurück ins Tessin sagt er am Freitagnachmittag: «Nach Olympischen Spielen ist das optimal, jetzt kann ich es ein bisschen langsamer angehen.»
Ha! Langsamer! Von wegen!
Wenn da momentan einer Tenü A oder auch B anzieht, ist das nichts weniger als der schnellste Mensch je über 50 m Schmetterling – ein Weltrekordhalter. Ein Schweizer Weltrekordhalter im Schwimmen, der sich selber noch wundert über seine herausragenden Leistungen der vergangenen Wochen – und nun eine Doppelaufgabe hat. Er sagt: «Ich verdränge meinen vierten Rang an den Olympischen Spielen nicht, das ist keine Katastrophe, ich will meine Lehren daraus ziehen. Aber ich muss nun versuchen, zu lernen, immer so locker zu schwimmen, wie ich es an den Weltcups getan habe.»
Auf Augenhöhe mit dem Dominator
Seine dreiwöchige Asienreise führte ihn von Shanghai über Incheon in Südkorea nach Singapur. Zusammen mit dem vierfachen Olympiasieger Léon Marchand aus Frankreich hinterliess er an den drei Stationen eine gedemütigte Gegnerschaft. Ponti schwamm nicht einen, sondern sogar zwei Weltrekorde über 50 m Schmetterling (erst 21,67, dann 21,50), einen Europarekord und zwei weitere nationale Rekorde. Er gewann sieben Rennen und belegte in der Gesamtwertung der Serie Rang 2 hinter Marchand.
Ein Triumphzug ohne Ansage.
Und für einmal ist es für den 1,92 m grossen Modellschwimmer nicht bei Ruhm und Ehre geblieben. Die Erfolgstournee hat ihm fast 150’000 US-Dollar Preisgeld eingetragen. Das ist für Schwimmverhältnisse enorm, der Betrag ist auch deshalb so üppig, weil Ponti die Rennen gleich serienweise dominierte und dafür zusätzliche Boni erhielt. Es ist für ihn ein dünnes Trostpflaster für entgangene Prämien, die ihm eine Olympiamedaille eingebracht hätte. Und es ist ein Einkommen, das der Schweizer benötigt, weil er einen grossen Teil der Wettkampfausgaben selber stemmen muss. Niemand vergütet ihm die Flüge, die er und sein Trainer brauchen.
Dennoch stellt Ponti klar: «Ich habe es nicht wegen des Preisgeldes gemacht. Ich wollte einfach wieder locker anfangen, nach Paris hatte ich eineinhalb Monate pausiert.» Für einen Schwimmer ist das lang, er hat in dieser Zeit Pilates entdeckt und lieben gelernt. «Beim Neuanfang ging es erst nur darum, das Gefühl für das Wasser wiederzufinden», sagt er.
Doch bald stellte Ponti fest, dass wohl viel seiner Olympiaform, viel seines immensen Trainings, noch vorhanden war. «Das meiste entscheidet sich aber sowieso im Kopf, und bei diesen Wettkämpfen ging es mehr um Spass und weniger um hohe Erwartungen.»
Dennoch bezeichnet er die Weltcup-Erfahrung als «echt wow!». Wie ein kleiner Zirkus seien sie getourt, gleiches Hotel, gleicher Pool, gleiche Rennen – «ich habe neue Freundschaften geschlossen, die Stimmung war ganz anders als an einer WM oder EM». Es ist ein weiterer Ausdruck dafür, wie wichtig Ponti die Gesellschaft anderer Schwimmerinnen und Schwimmer ist, wie sehr er bei Konkurrenz aufblüht – vor allem deshalb hat er auch von Locarno Nuoto zum SC Uster gewechselt. Wenn es ihm im Leistungszentrum in Tenero zu einsam wird, kann er nach Bedarf mit den Ustermern trainieren.
Ohne einen Atemzug zum Weltrekord
Ponti hat sich selber Marken gesetzt, die künftig zu seiner grossen Herausforderung werden. Er ist der stärkste Unterwasserphase-Schwimmer, er hat bei seinen Weltrekorden jeweils perfekt angeschlagen – und er hat dafür nicht einmal atmen müssen. Welch Vorstellung! 21 Sekunden Höchstleistung, bei der Arme und Beine gegen den Widerstand des Wassers arbeiten, ohne Atemzug. Er sagt: «Ich habe eine solche Zeit nicht schon im ersten Rennen erwartet, vielleicht zuletzt in Singapur.» Oder vielleicht am nächsten Wochenende, wenn in Sursee die Kurzbahnmeisterschaften stattfinden.
Sein schwierigstes Unterfangen wird in den nächsten Jahren sein: so locker zu schwimmen, wie es ihm in Fernost gelungen ist. «Das muss jetzt der Anspruch sein, sonst kann ich nicht mehr viel verbessern.» Er weiss, dass Olympische Spiele mit nichts zu vergleichen sind. Und er weiss, dass er 2021 in Tokio ganz ohne Druck zu Bronze schwamm, 2024 in Paris aber mit ganz viel Druck Vierter wurde. Druck, den er sich selbst gemacht hatte, den seine Entwicklung aber auch in der Öffentlichkeit provozierte.
Ponti redet aber nicht nur von Ansprüchen, sondern auch von Träumen eines Schwimmers. «Ein Olympiasieg ist einer, ein Weltrekord ein anderer. Einen solchen habe ich nun, und in Paris wäre ich sowieso nur mit Olympiagold zufrieden gewesen.» Deshalb: zurück an die Arbeit, vorerst in Magglingen.
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