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Regierungskrise in Schottland
Nicola Sturgeons Vorgänger will sich an ihr rächen

Kämpft um ihre Glaubwürdigkeit: Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon. 
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Ob sie sich von diesem Hieb wieder erholt: Das weiss in Schottland niemand zu sagen. Gegenwärtig ringt Nicola Sturgeon verzweifelt um Glaubwürdigkeit und politische Balance. Am Mittwoch musste die schottische Regierungschefin sich vor einem Untersuchungsausschuss ihres Parlaments gegen die Beschuldigung wehren, eine Verschwörung gegen ihren Vorgänger Alex Salmond angezettelt und das Parlament belogen zu haben. Sturgeon hält den Vorwurf für «absurd». Sie will «nach bestem Gewissen» gehandelt haben.

Aber getroffen hat Salmonds wütender Streich sie schwer. Bei dem bitteren Streit geht es im Kern darum, dass mehrere Frauen seit 2018 über sexuelle Belästigung durch Salmond während dessen Amtszeit als Schottlands Regierungschef, also vor 2014, klagten. Ein Schwurgericht sprach den 66-Jährigen voriges Jahr vom Vorwurf krimineller Vergehen frei. Nicht verwinden konnte Salmond, dass die schottische Regierung nach Bekanntwerden der ersten Beschwerden über ihn eigene Untersuchungen eingeleitet hatte.

Einst Weggefährten, jetzt Feinde

Dabei war es zu Verstössen gegen geltende Vorschriften gekommen seitens der Administration. Dass Sturgeon und ihre engsten Vertrauten damals aber auch versucht hätten, seinen Ruf gezielt zu zerstören und die Öffentlichkeit irrezuführen: Das sind die Vorwürfe, die Salmond neuerdings erhebt und gegen die sich seine Nachfolgerin verteidigen muss. Der Streit ist umso fataler, als Salmond und Sturgeon lange politische Weggefährten in der Schottischen Nationalpartei (SNP) waren.

Zur Partei stiess Sturgeon schon mit 16 Jahren. Die Thatcher-Ära habe sie «radikalisiert», erklärte sie später. Aber statt der Labour Party schloss sie sich, «im Protest gegen London», den schottischen Separatisten, also der SNP, an. Nach einem Jurastudium und einigen Jahren Mitarbeit in einer Anwaltskammer in Glasgow begann Sturgeon, voll in die Politik einzusteigen – und wurde schnell zum Nachwuchsstar der SNP.

2004 war sie bereits Partei-Vizevorsitzende und 2007 stellvertretende Regierungschefin in Schottland, unter Alex Salmond. Als Salmond nach der Niederlage der SNP beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum von 2014 abtrat, war sie seine offensichtliche Nachfolgerin.

Will sich an seiner Nachfolgerin rächen: Der ehemalige schottische Premier Alex Salmond. 

Schon während der Referendumskampagne von 2014 holte sie sich viel Lob für ihren Kampfgeist und ihr Überzeugungsvermögen. An der Spitze von Partei und Regierung folgte sie einem mehr oder weniger sozialdemokratischen Kurs, der dem Nationalismus der SNP eine deutlich progressive Note verlieh und in bemerkenswerten Wahlsiegen resultierte – einem Kurs, der in scharfem Kontrast erst zur Austeritäts- und später zur Brexit-Politik der englischen Konservativen stand.

Beim Brexit-Beschluss von 2016 stimmten 62 Prozent der Schotten gegen den EU-Austritt. Dass sich London auf keinen Kompromiss einlassen wollte, trieb der schottischen Unabhängigkeitsbewegung neue Anhänger zu. Obwohl es auch Kritik an ihrer Politik, etwa im Bildungsbereich, gab, stärkte Sturgeon ihre Stellung nach Beginn der Covid-Pandemie weiter. Als «Königin im Norden» wurde sie von neiderfüllten Bewunderern im Süden gefeiert. Aber dann holte Alex Salmond zu seinem Prankenschlag aus.

Wie sich der Skandal auf die schottische Parlamentswahl im Mai auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Die Umfragen zeigen weiter eine grosse Mehrheit für die SNP, doch sind Sturgeons Popularitätswerte bereits zurückgegangen. Bis jetzt hoffte die schottische Regierungschefin auf eine so grosse Mehrheit, dass sie von der britischen Regierung ein zweites Unabhängigkeitsreferendum verlangen kann. Doch dieses Vorhaben könnte jetzt um Jahre zurückgeworfen werden.