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Ausschankverbot in Schottland
Die Schottin, die Boris Johnson
den Kurs diktiert

Diktiert den Kurs: Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon. 
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Man tritt den meisten Schotten sicher nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass ihnen ein Kulturbruch bevorsteht. Von diesem Wochenende an dürfen Pubs keinen Alkohol mehr ausschenken. Kein Ale, kein Lager, kein Whisky, nichts. Das Verbot gilt zunächst für 16 Tage. In den Regionen, die am schlimmsten vom Coronavirus betroffen sind, müssen Gaststätten sogar ganz schliessen. Für all jene Schotten, die sich als Teil der legendären Pub-Kultur ihres Landes wähnen, ist das ein Dekret, das ziemlich wehtut.

Verantwortlich dafür ist Nicola Sturgeon, 50 Jahre alt, Chefin der Scottish National Party (SNP) und seit 2014 Regierungschefin in Schottland. Als First Minister hat sie mit ihrer Corona-Politik nicht nur das Wohl des Landes im Blick, sondern auch ein klares politisches Ziel: Sie will schneller und entschlossener handeln
als Boris Johnson, der für die Corona-Regeln in England zuständig ist.

Johnson kann nur nachahmen

Seit Ausbruch der Pandemie treibt sie den Premier immer wieder geschickt vor sich her. Sturgeon fasste Entscheidungen, die Johnson nur noch nachahmen konnte. Wie es aussieht, wird auch er in der kommenden Woche ein Alkoholverbot verhängen – zumindest in jenen Teilen Nordenglands, wo die Infektionszahlen dramatisch gestiegen sind. Sturgeon könnte das nur recht sein. Einmal mehr stünde sie als diejenige da, die dem zaudernden Premier den Kurs diktiert.

Im Vergleich zu Johnson hat Nicola Sturgeons Popularität in der Corona-Krise bei Weitem nicht so stark gelitten. Das liegt auch daran, dass ihr Politikstil so ziemlich das Gegenteil von Johnsons Auftreten ist: Im Regierungsviertel von Edinburgh gilt sie als detailversessene Technokratin, die eigentlich nur dann aus der Haut fährt, wenn es darum geht, für Schottlands Unabhängigkeit zu kämpfen.

Ein zweites Referendum ist aufgegleist

Sturgeon will noch vor der schottischen Parlamentswahl im Mai einen Gesetzentwurf für ein erneutes Referendum vorlegen. Auch damit will sie Johnson unter Druck setzen. Der Premier lehnt einen Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich strikt ab. Sturgeons Vorstoss ist einerseits Symbolpolitik, weil die Frage, ob Schottland eine solche Volksabstimmung abhalten darf, vom britischen Parlament entschieden werden müsste. Andererseits kann Johnson das Manöver auch nicht als absurde Träumerei abtun. Denn je höher der mutmassliche Wahlsieg von Sturgeons SNP ausfallen sollte, desto stärker könnte sie Johnson unter Zugzwang setzen, ein Referendum zu gestatten.

Im Jahr 2014 hatten die Schotten mit 55 zu 45 Prozent für einen Verbleib im Vereinigten Königreich gestimmt. Doch mittlerweile ist Umfragen zufolge eine Mehrheit für den Austritt. Als Hauptgrund für den Abspaltungswunsch gilt der Brexit, den Sturgeon «unverantwortlich» nennt. Damit weiss sie die Mehrheit der Schotten hinter sich.

An ein heikles Treffen will sie sich nicht erinnern

Sturgeon ist bereits mit 16 Jahren in die SNP eingetreten, um die konservative Politik von Margaret Thatcher zu stoppen. Zuletzt bekam Sturgeons Image als Kämpferin allerdings Kratzer. Ihr wird vorgeworfen, das schottische Parlament in die Irre geführt zu haben. Es geht um die Frage, wann sie von den Anschuldigungen gegenüber ihrem Amtsvorgänger Alex Salmond erfahren hatte, der wegen sexueller Belästigung angeklagt und schliesslich freigesprochen wurde. In dieser Woche gab sie zu, dass sie doch schon früher als behauptet davon gewusst habe – ein Treffen mit Salmond habe sie «vergessen».

Die Opposition in Edinburgh macht ihr seitdem einen Vorwurf, den Johnson des Öfteren zu hören bekommt: dass sie es mit der Wahrheit offenbar nicht so genau nimmt.