Krieg in NahostDer General, der um seinen Sohn und seinen Neffen trauert
Angeblich gibt US-Präsident Joe Biden den Israelis noch drei Wochen, um die Hamas entscheidend zu schwächen. Derweil stösst ein prominentes Mitglied des Kriegskabinetts an persönliche Grenzen.
Die Israelis kennen ihn als Soldaten in Uniform, aber nicht als Mann in Zivilkleidung, der mit den Tränen kämpft und sich in enger Umarmung mit seiner Frau und seinem Sohn in der Öffentlichkeit zeigt: Gadi Eisenkot, der langjährige frühere Generalstabschef der israelischen Armee, hat in den vergangenen Tagen die persönliche Erfahrung gemacht, welchen Preis dieser Krieg kostet.
Innerhalb von zwei Tagen starben sein Sohn Gal und sein Neffe Maor Cohen Eisenkot bei Einsätzen im Gazastreifen. Der 25-jährige Gal wurde im nördlichen Gazastreifen durch eine in einem Tunnel versteckte Bombe so schwer verletzt, dass er später verstarb. Der 19-jährige Moar Cohen fiel in Khan Younis, im Süden des Gazastreifens, wo die israelische Armee ihre Kämpfe gegen die Hamas in den vergangenen Tagen intensiviert hat.
Eisenkot, der dem Kriegskabinett angehört, wandte sich mit tränenerstickter Stimme am Grab direkt an seinen Sohn, Arm in Arm mit seiner Frau und weiteren Familienmitgliedern: «Gal, ich verspreche dir, wir werden die Kampagne fortsetzen und kämpfen, um den Staat zu stärken, der stark, fortschrittlich und gerecht bleiben wird.» Er sagte, «dass sein grosses Opfer und das der anderen Gefallenen nicht umsonst sein wird». An der Trauerzeremonie nahmen Israels Präsident Isaac Herzog, Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Eisenkots politischer Mitstreiter in der Opposition, Benny Gantz, teil.
Hamas feuert immer noch Raketen nach Israel
Am Montagmorgen gab die israelische Armee die Namen weiterer Gefallener bekannt. Mehr als 100 Soldaten sind es, die seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen ums Leben kamen. Ausserdem wurde verkündet, dass seit Beginn des Krieges 22’000 Ziele im Gazastreifen angegriffen worden seien. Die Hamas kann aber noch immer Raketen auf Israel abfeuern – am Montag gab es auch rund um Tel Aviv wieder Raketenalarm.
Die israelische Armee rückt derzeit in drei parallelen Gefechten mit massiver Feuerkraft in den Süden vor und stösst in Khan Younis, der zweitgrössten Stadt im Gazastreifen, auf heftigeren Widerstand als zuvor. Es ist ein Kampf Haus um Haus, der aber auch in Tunneln ausgetragen wird. Eisenkots Sohn und Neffe sind nicht bei direkten Auseinandersetzungen, sondern durch Explosionen getötet worden, als sie in einen Tunnel und ein Gebäude vordrangen.
Die Militärführung hat das Ziel ausgegeben, dass auf jeden Fall der Hamas-Chef im Gazastreifen, Jahia Sinwar, und der Befehlshaber des militärischen Arms der Hamas, Mohammed Deif, gefasst werden müssen. Sinwar soll sich nach Beginn der Bodenoffensive der israelischen Armee in einem Hilfskonvoi in den Süden des Küstenstreifens abgesetzt haben, meldeten israelische Zeitungen.
Netanyahu: «Sterbt nicht für Sinwar!»
Israels Armee hat in den vergangenen Tagen versucht, die Hamas als geschwächt darzustellen. Armeesprecher Daniel Hagari erklärte, Dutzende Terroristen und Hamas-Kommandanten hätten sich ergeben und ausgesagt, ihre Kämpfer befänden sich in einer schwierigen Lage.
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Der israelische Geheimdienst Shin Bet veröffentlichte ein 14-minütiges Video mit dem festgenommenen ehemaligen Kommunikationsminister der Hamas, Yousef al-Mansi. Der Hamas-Funktionär machte Sinwar für die Zerstörung des Gazastreifens verantwortlich und sagte, man müsse ihn loswerden. Unter welchen Umständen diese Aufnahmen zustande kamen, teilte der israelische Geheimdienst nicht mit. Am Sonntag hatte Israels Ministerpräsident Netanyahu in einer Videobotschaft Hamas-Kämpfer zum Aufgeben aufgerufen. «Sterbt nicht für Sinwar! Gebt auf! Jetzt!»
Biden gibt den Israelis noch drei Wochen
Damit will die israelische Führung offenkundig auch den Eindruck erzeugen, dass der Krieg nicht mehr allzu lange dauert. Das dürfte nicht zuletzt an die Adresse der USA gerichtet sein. US-Präsident Joe Biden hat Israel bereits öfter aufgefordert, mehr für den Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung zu unternehmen. Inzwischen ist die Zahl der Toten im Gazastreifen nach palästinensischen Angaben auf etwa 18’000 gestiegen.
Vertreter von UNO-Organisationen hatten am Wochenende in drastischen Worten auf die Lage aufmerksam gemacht und darauf verwiesen, dass etwa die Hälfte der 2,3 Millionen Menschen Hunger leide. Sie warnten eindringlich vor einem Kollaps des Versorgungs- und Gesundheitssystems, zumal nun 80 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens aus ihrem Heim fliehen mussten.
Das US-Medium «Politico» berichtet, dass US-Präsident Biden dem israelischen Militär noch drei Wochen zur Fortsetzung des derzeitigen Militäreinsatzes gebe. Danach solle Israel mit Blick auf die humanitäre Situation seine Truppen abziehen, höchsten noch kleinere Razzien gegen verbliebene Hamas-Hochburgen sollte es danach geben.
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