Singles brauchen EigenkapitalNeuseeländer suchen auf Tinder Partner, um ein Haus zu kaufen
In Neuseeland hat sich die Zahl der Tinder-Nutzer verdoppelt, die einen reichen Partner suchen. Der Grund: Die Eigenkapitalhürde für einen Hauskauf ist für viele Singles zu hoch.
Eine Umfrage hat es jüngst an den Tag gebracht: Wohnangst zählt zur Hauptsorge der Neuseeländerinnen und Neuseeländer – sie kommt noch vor den Sorgen um Corona, Kriminalität oder Lebensmittelkosten. Innerhalb eines Jahres sind im Land die Preise für Häuser durchschnittlich um mehr als 20 Prozent gestiegen.
906’532 neuseeländische Dollar (etwa 591’000 Franken) muss im Durchschnitt für ein Eigenheim im Inselstaat hingeblättert werden. Für die Finanzierung verlangen die Banken – wie auch in der Schweiz – ein Eigenkapital von 20 Prozent. Das entspricht rund 181’000 Dollar (circa 118’000 Franken). Für alle, die nicht von einem generationenübergreifenden Reichtum profitieren können, entspricht diese Summe mehr als dem Dreifachen des durchschnittlichen Jahreslohns.
Partnerschaften anzustreben und einzugehen sind somit eine logische Folge auf die zunehmende Verzweiflung der jüngeren Neuseeländer, wenn sie vom Wohnungsmarkt nicht ausgeschlossen sein wollen.
«Die Bank hat mir gesagt, ich brauche einen Partner, um ein Haus zu kaufen.»
Das grösste Nachrichtenportal Neuseelands, «Stuff», hat von Tinder Daten erhalten, die belegen, dass sich die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer, die in ihrem Profil «to buy a house» («ein Haus kaufen») angaben, zwischen Juni letzten Jahres und Juni 2021 mehr als verdoppelt hat. Tinder lieferte auch Beispiele von Biografien von Nutzern, die auf dem Immobilienmarkt mitspielen wollen.
In der Biografie können sich Nutzer der Dating-App Tinder selbst beschreiben und angeben, was sie sich für eine Art von Beziehung wünschen und was ihnen an einem Partner wichtig ist.
Doppelt bestraft
In Neuseeland verdienen Alleinstehende laut «Stuff» in der Regel etwa die Hälfte des Einkommens eines Durchschnittshaushalts. Die Immobilienmaklerin Tracey Topp sagt denn auch dem Portal, sie habe gerade einmal einen einzigen Kunden, der jung und Single sei. Dieser habe die 20-Prozent-Anzahlung allerdings nur mithilfe seiner Eltern tätigen können.
«Ich möchte nur, dass jemand ein Haus kauft, nichts Ernstes.»
Topp zufolge führt die 20-Prozent-Regel dazu, dass Junge benachteiligt werden. «Sie werden bestraft, weil sie diese 20-Prozent-Einlage nicht haben», sagt die Maklerin. Zudem würden sie ein zweites Mal bestraft, weil ihr Einkommen nicht so hoch sei. Nimmt eine Einzelperson einen Kredit auf, muss sie ihn dann auch ganz allein abzahlen.
Das führt dazu, dass immer mehr junge Menschen in Mietwohnungen leben – ein Trend, der in Neuseeland seit 1990 beobachtet werden kann. So lebten 1991 61 Prozent der 25- bis 29-Jährigen in einem Eigenheim. Bis 2018 sank der Anteil auf 44 Prozent. Noch stärker ist der Rückgang bei den 30- bis 34-Jährigen – er ging von 72 auf 51 Prozent zurück. Bei den 35- bis 39-Jährigen sank er von 79 auf 59 Prozent.
Hart arbeiten macht nicht mehr reich
Dass es für ein Paar viel einfacher sei, ein Haus zu kaufen, als für eine einzelne Person, bestätigt auch eine Sprecherin der Verbraucherorganisation Consumer NZ. «Viele Menschen wollen Ressourcen bündeln – sei es durch romantische oder platonische Partnerschaften», sagte sie dem «Guardian». «Ich höre von Fällen, in denen Leute Gruppen von Freunden zusammenbringen, um Häuser zu kaufen.» Dabei würden sie günstigere Häuser abseits von zentralen Lagen erwerben, um in den Markt einzusteigen.
«Wir steuern auf einen Ort zu, in dem es zwei Neuseeländer gibt.»
Im Grossen und Ganzen sei das Bild düster. «Wir steuern auf einen Ort zu, an dem es zwei Neuseeländer gibt: jene, die Eigentum haben und deren Kapitalgewinne weiter wachsen werden, und jenen, die ausgesperrt sind.»
Der Sprecherin zufolge ist es heute nicht mehr so, dass, wenn man «einen tollen Job» hat und «wirklich hart arbeitet» und spart, man den Durchbruch erziele und sich am Ende ein Haus leisten könne. «Wir sind bald am Punkt angelangt, an dem das unmöglich sein wird.»
Viele Neuseeländerinnen und Neuseeländer sehen das offenbar genauso. Einer Umfrage zufolge finden 82 Prozent, der Immobilienmarkt sei übermässig aufgebläht oder gar ausser Kontrolle.
Neuseeland hat einen der teuersten Immobilienmärkte der Welt, und Eigenheime werden immer weniger erschwinglich. Einer der Gründe dafür sei, dass jahrelang steuerfreie Kapitalgewinne einen florierenden Anlegermarkt angetrieben, Eigenheimbesitzer aber verdrängt hätten, schreibt der «Guardian». Längerfristige Probleme mit der Erschwinglichkeit seien zum einen durch extrem niedrige Zinssätze verschärft worden und zum anderen dadurch, dass sich die Wirtschaft schneller als erwartet von der Pandemie erhole.
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