Millionen-InvestitionenNeue Hotels fürs Engadin
In keiner andern Schweizer Feriendestination fliesst so viel Geld in die Erneuerung der Hotellerie wie im Bündner Hochtal. Fünf Stationen des Aufbruchs.
St. Moritz: König und Kirchenmusik
Wo in St. Moritz wohnen der (spätere) neue König von Thailand mit Entourage, Bob-Cracks und Teilnehmende an Chorwochen unter dem gleichen Dach? Im Laudinella! Aus der Genossenschaftsherberge, die während Jahrzehnten auch als Epizentrum sakralen Musikschaffens galt, ist ein Hotelbetrieb geworden, der den Gesetzen des Marktes folgt. Christoph Schlatter führt als Vertreter der Familienholding die Laudinella Gruppe mit dem Stammhaus, dem benachbarten Reine Victoria und dem Corvatsch. Der dynamische Unternehmer ist Präsident des lokalen Hoteliervereins und nimmt demnächst Einsitz im Gemeindevorstand, der St. Moritzer Exekutive. Der 39-Jährige fiebert dem kommenden Sonntag entgegen, wenn das Stimmvolk grünes Licht geben soll für das grösste Projekt in der Laudinella-Historie. Schlatter plant 51 bewirtschaftete Zweitwohnungen, deren Verkauf den Um- und Neubau mit 40 Zimmern, vier Restaurants und zwei Bars finanziert. «Unser Projekt passt zur Investition von Hunderten von Millionen Franken in die St. Moritzer Hotellerie», sagt Schlatter. «Corona hat alles beschleunigt. Auch grosse Hotelketten wollten unbedingt einsteigen, schreckten dann aber vor den exorbitanten Immobilienpreisen zurück.»
In der Laudinella bleibt man sich treu: «Eine Kulturstiftung sorgt dafür, dass der Geist des Hauses erhalten bleibt», sagt Schlatter. Und so werden auch in Zukunft Chöre, Spitzensportler und VIPs unter dem gleichen Dach nächtigen.
St. Moritz: Von der Bauruine zum Bijou
Ein sechstes Fünfstern-Hotel für St. Moritz? Überflüssig wie ein Kropf! «Die fünf Sterne», sagt David Frei, der junge General Manager des Grace La Margna St. Moritz, «hängen wir nicht an die grosse Glocke. Wir wollen anders sein als die etablierten Nobelhotels.» Die 74-Zimmer-Herberge zwischen Bahnhof und Carlton feiert teilweise Ende Februar 2023 Eröffnung. Das alte La Margna war von einem reichen Griechen gekauft worden, der irgendwann die Lust verlor. Die Umbauarbeiten ruhten sieben Jahre, bevor ein Investor aus Irland übernahm. Mittlerweile ist das Jugendstil-Hotel aufwendig renoviert und ein Neubau hochgezogen worden. Fast 80 Millionen Franken sind verbaut. Teure Materialien, hochwertiges Design und diverse Restaurants und Bars mit originellen Konzepten sollen ein urbanes Publikum ins Grace locken. Filetstück: eine Wellnesszone mit einem 20-Meter-Pool.
Das Haus bleibt 365 Tage im Jahr geöffnet. Ambitioniert im Umfeld von Luxushotels, die im Sommer entweder nur ein paar Wochen öffnen oder ganz geschlossen bleiben. «Wir zählen auf ein jüngeres Publikum, das zwar keinen Wert auf Dresscode und Ähnliches legt, aber durchaus auf guten Service», hofft David Frei. Zumindest was die Übernachtungspreise betrifft, liegt das neuste St. Moritzer Hotelbijou nicht allzu weit entfernt von der hochsternigen Konkurrenz. Frei rechnet im Winter mit Doppelzimmerpreisen um 1000 Franken.
La Punt: Baron greift nach den Sternen
Die Krone in La Punt hat einige Jahrhunderte auf dem Buckel, ist aber wunderschön renoviert und steht unter neuer Leitung. James Baron macht in britischem Understatement: «Natürlich strebe ich Punkte und Sterne an. Erzwingen kann ich aber keine Auszeichnung.» Zwei Wochen nach dem Gespräch ist aus Baron wieder ein Sterne-Koch geworden. «Michelin» hat ihn für sein Wirken im Fine-Dining-Restaurant La Chavallera in der Krone – Säumerei am Inn ausgezeichnet. «Gault Millau» legte mit 16 Punkten nach. Natacha und James Baron kamen samt Nachwuchs erst im Juni aus Honkong ins Engadin, wo der 36-Jährige das Doppelamt als Chef de Cuisine und Geschäftsführer der Krone antrat.
«Ich bin sehr zufrieden mit dem Start», sagt der perfekt Deutsch sprechende Engländer, der unter anderem auch bei Andreas Caminada gearbeitet hatte. Auffallend: in den beiden Restaurants in der Krone speisen viele Einheimische. Und für Auswärtige, die in einem der 17 Zimmer ruhen, lohnt sich der Weg ins Engadin schon allein der himmlischen Brioches wegen, die Baron zum Gourmet-Dinner reicht. Er vereinigt in den Gerichten Süsses, Salziges und Säuerliches, was dem Mahl eine erfrischende Note verleiht.
Pontresina: Star-Architekt am Werk
Wenn Gion A. Caminada ein Hotel baut, ist dem Projekt ein grosses Echo gewiss. Bettina und Richard Plattner leben seit sieben Jahren für ihr Maistra 160. Dass sie den Bündner Stararchitekten und Professor für das neue Hotel begeistern konnten, gleicht einem Sechser im Lotto. Der Preisgekrönte hatte etwa in seinem Heimatdorf Vrin fürs «Neue Bauen in den Alpen» Massstäbe gesetzt.
«Natürlich fordert uns der Architekt», sagt Bettina Plattner, «aber wir stehen in der Verantwortung, im Dorfzentrum etwas Schönes und Nachhaltiges zu bauen». Für das Maistra 160 wurde das alte Hotel Post abgerissen, neu entstehen 36 Zimmer und elf Wohnungen, die entgegen den Gepflogenheiten im Engadin in Plattners Besitz bleiben. Aufsehenerregend am Vierstern-Superior-Hotel (Investitionsvolumen 30 Millionen Franken)o, das im Sommer 2023 eröffnet wird, ist die Wellnessoase auf zwei in den Hang gebauten Etagen samt Kreuzgang mit nach oben offenen Innenhof. Plattner & Plattner, die bereits 19 hochwertige Ferienwohnungen in Pontresina betreiben, tun seit jeher viel für das Dorf und die Kultur. Bettina wird sich selbst um eine feine Hotelbibliothek mit regionaler, ja sogar romanischer Literatur kümmern. Und der lokale Jugendverein lässt achtmal pro Saison im neu gebauten Pöschtlikeller, eine Legende in Pontresina, die Post abgehen. Ausserdem wird der Keller als Eventlocation, Hotspot für Aprés-Ski oder Nachtbar genutzt. «Das Hotel», glauben Bettina und Richard Plattner, «wird viel Kraft verströmen».
Pontresina: Sunstar erstmals im Engadin
An der Via Fulluns 6 in Pontresina ist der Baulärm unüberhörbar: in 13 Monaten soll hier das Sunstar Hotel Pontresina die ersten Gäste empfangen.
Sunstar? Da war doch was: Alpine Bettenburgen aus den 80ern, Zeitzeugen der «Alles-fahrt-Schi»-Schweiz. Buchstäblich Schnee von gestern. Sunstar Swiss Hotel Collection hat sich neu sortiert und besteht heute aus sieben Hotels, fünf in den Alpen, je eines im Tessin und im Piemont. «Jedes Haus ist nun dezidiert auf die Kundschaft des jeweiligen Standortes ausgerichtet» sagt Silvio Schoch, seit 2019 CEO von Sunstar. Die Gruppe lässt das alte Hotel La Collina kernsanieren und erweitert es um einen schmucken Neubau. Total 46 Lofts und Doppelzimmer entstehen, die beiden Unterkunftstypen können zu geräumigen Apartments kombiniert werden. «Das Hotel spricht ein lifestyleaffines Publikum an, das selbständig ist und nicht auf eine Rundum-Versorgung zählt», beschreibt Schoch das Konzept.
Sunstar verzichtet in Pontresina auf ausgedehnte Restauration und eine Küchencrew. Ähnlich wie in City-Hotels der neusten Generation gibt es zwar ein Frühstücksbuffet, im weiteren Verlauf des Tages aber vor allem Verpflegung aus dem «Grab& Go-Kiosk».
Die Reise wurde unterstützt von Engadin St. Moritz Tourismus.
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