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TV-Kritik «Tatort»
Nazi über Nacht

Kommissarin Bönisch (Anna Schudt) verhaftet unzimperlich einen eingewanderten Drogendealer (Shadi Eck) – und wird so zum Idol für Rechtsextreme.
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«Heile Welt»? Wenn ein «Tatort» so heisst, darf davon ausgegangen werden, dass es in dieser Folge nicht um die schönen Seiten des Lebens gehen wird. Und tatsächlich, es beginnt mit einem Brandanschlag, einer Toten, einer möglichen Vergewaltigung. Bald kommen Fremdenfeindlichkeit, rechte Hetze, linke Agitation dazu. Und dann steht plötzlich Kommissarin Martina Bönisch als «Nazisau» da.

Schon wieder Nazis? Am vergangenen Sonntag wurde uns ja bereits eine «Hetzjagd» um einen – vermeintlich – rechtsextrem motivierten Mord aus Ludwigshafen serviert. Die Herangehensweise in Dortmund ist aber subtiler. Stamm-Drehbuchautor Jürgen Werner verdichtet seine Themen zu einer Geschichte, die fast ausschliesslich in einer tristen Hochhaussiedlung spielt.

Nichts, wirklich gar nichts scheint dort heil zu sein: Der Abwart des Gebäudekomplexes spioniert jungen Frauen mit versteckten Kameras nach. Der Sohn des örtlichen Imams handelt mit Drogen. Ein aalglatter Politiker hetzt gegen alles Fremde. Und ein Computerverkäufer – gespielt vom Schweizer Darsteller Jürg Plüss – haust halb verwahrlost in seinem Ladenlokal, das er wegen Corona schliessen musste.

Eine Neue im Dortmunder Team

Darüber hinaus soll also die sonst so rechtschaffene Kommissarin Bönisch (Anna Schudt) ein Nazi sein? So einfach, «über Nacht», wie sie selber sagt? Wie schnell das gehen kann, zeigt dieser «Tatort» exemplarisch: eine manipulierte Handyaufnahme, tausendfach multipliziert im Netz. Schon wird Bönisch zur Hassfigur für die einen und zum Idol für andere. Nicht nur Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger), die neu ins Dortmunder Team aufgenommen wurde, beginnt sich ernsthaft Fragen zu stellen.

Der «Heile Welt»-«Tatort» ist gelungen, weil er es fertigbringt, sein Publikum zu verunsichern. Vielleicht neigt die Kommissarin ja tatsächlich zu rechtem Gedankengut. Vielleicht lässt sich die Welt ja wirklich simpel in Gut und Böse unterteilen. Vielleicht … aber natürlich ist alles viel komplexer.

Um seine Kollegin zu beeindrucken, hat Kommissar Faber (Jörg Hartmann) einen Liebhaber-Opel erstanden. Nicht zuletzt deswegen hat er ausnahmsweise sogar gute Laune.

Das betrifft auch Peter Faber (Jörg Hartmann), der sonst in den Dortmunder Fällen als zu genialischem Trübsinn neigender Kommissar eher im Zentrum steht. Faber löst zwar auch diesen Fall schliesslich im Alleingang. Aber für seine Verhältnisse ist er schon fast fröhlich drauf. Er ist nämlich ein bisschen verliebt. Ausgerechnet in die Kommissarin Bönisch.

Um seine Kollegin zu beeindrucken, hat er sich einen Oldtimer-Opel gekauft. Unterwegs spielt er für sie Wohlfühlmusik wie «Sunshine Reggae». Sie lachen gar zusammen, und er zündet Räucherstäbchen an.

Also doch eine heile Welt? Keineswegs. Am Ende steigt sie bei einem andern ins Auto.