TV-Kritik «Tatort»Was ist bloss los, Frau Odenthal?
Im neuen Fall der Ludwigshafener Kommissarin geht vieles schief. Und Zeitlupe sollte sie ihrem Regisseur sowieso verbieten.
Der 73. Fall von Lena Odenthal beginnt mit zwei anderen Frauen, die frühmorgens noch ein wenig im Bett liegen bleiben. Der Partner der einen ist schon auf, er steckt eine Pistole ein. Der Partner der anderen, ein Veranstalter von «Rock gegen Rechts»-Konzerten, geht joggen. Bald liegt er erschossen am Rheinufer.
Viel später, am gleichen Abend, werden sich die beiden Frauen – die des Opfers und die eines Täters – in einer Imbissbude treffen. Weil sie keinen Platz zum Schlafen haben, werden sie sich ein Hotelzimmer teilen, ohne von der Identität der anderen zu wissen. So schreiende Zufälle gibt es eigentlich sonst nicht einmal in miesen Filmen. Hier aber entwickelt sich daraus die interessanteste Passage eines sonst unterdurchschnittlichen «Tatorts».
Lena Odenthal ist seit 32 Jahren im Amt
Die von Ulrike Folkerts gespielte Lena Odenthal, seit 1989 im Amt und damit so lange, wie keiner ihrer Kolleginnen oder Kollegen, ist ja eine sympathische Figur. Sie trägt das Herz auf dem rechten Fleck, lässt sich von nichts und niemandem einschüchtern. Und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) bekommt langsam genug Profil, um Odenthals 2018 ausgeschiedenen Partner Kopper vergessen zu machen.
Aber so richtig zu zünden vermochte bisher keiner der neueren Fälle der Ludwigshafener Kommissarinnen. Das liegt im konkreten Film namens «Hetzjagd» eindeutig am Drehbuch und an der Regie. Für beides zeichnet Tom Bohn verantwortlich, eigentlich ein Routinier: Seinen ersten Odenthal-«Tatort» inszenierte er bereits 1995, acht weitere sind dazugekommen.
Aber hier wirkt die ganze Folge, nicht nur wegen der Zufallsnacht der beiden Frauen, arg konstruiert. Es geht um Rechtsradikale, aber die sind auch Opfer. Es geht um den Verfassungsschutz, der auch nicht sauber arbeitet. Und es geht um eine Werberin, die ein wunderbares Haus bewohnt. Die Auflösung erinnert dann schon fast an «Derrick» – der Mörder, oder in diesem Fall die Mörderin, ist die mit der schönsten Villa.
Zeitlupe und Zeitsprünge
Weil der Regisseur seiner eigenen Geschichte wohl doch nicht ganz traute, motzt er sie mit filmischen Mätzchen auf. Es gibt immer wieder zerdehnte Szenen sowie Einschübe in die Zukunft und die Vergangenheit, gefilmt gern auch im Gegenlicht. Aber das ist nur Ablenkung. Der Kern bleibt schlecht.
Was nun, Frau Odenthal? Ein Anfang wäre, ihrem Hausregisseur den Gebrauch von Zeitlupe zu verbieten. Und dann einfach auf Klarheit und gesunden Menschenverstand setzen! Einen Ansatz gibt es schon ganz am Ende der «Hetzjagd». Da kommt endlich ein junger Polizist, der schon zuvor oft penetrant ins Bild gerückt wurde, zum grossen Auftritt. Mit seiner Pistole will er Selbstjustiz üben. Aber die Kommissarin kann ihn gerade noch aufhalten. Sie sagt: «Stopp. Es reicht. Finden Sie nicht?»
Doch. Finden wir.
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