Opposition gegen PutinNawalnys Team kämpft im Untergrund für den Umsturz
Der prominente russische Oppositionelle Alexei Nawalny sitzt in Haft, doch seine Mitstreiter geben nicht auf. Jetzt gründen sie ein Netzwerk und suchen Helfer.
Seit einem Jahr und neun Monaten ist Alexei Nawalny kein freier Mann mehr. Der russische Oppositionelle, den man vergiftet, festgenommen und verurteilt hat, verbüsst eine Haftstrafe in der berüchtigten Strafkolonie Nummer 6 in Melechowo, 250 Kilometer östlich von Moskau. Doch wenn das Regime in der Hauptstadt bezweckt haben sollte, seinen vermutlich hartnäckigsten Gegner damit loszuwerden, hat es sich geirrt. Denn Nawalnys Unterstützer haben ihre Arbeit nie aufgegeben. Erst recht nicht, seit Präsident Wladimir Putin seine Armee in die Ukraine einmarschieren liess.
Jetzt will Nawalnys Team noch offensiver an seinem Ziel arbeiten. Es besteht in nichts weniger als einem Umsturz im Kreml. In einem am Dienstag auf Youtube veröffentlichten, achteinhalbminütigen Video kündigten Nawalnys Vertraute Leonid Wolkow und Iwan Schdanow die Bildung eines Netzwerks aus «Untergrundpartisanen» an. Sie wollen Freiwillige rekrutieren, die dabei helfen, Putins Regime ins Wanken zu bringen und es schlussendlich, so die Hoffnung, zu stürzen.
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Nach mittlerweile mehr als sieben Monaten Krieg in der Ukraine, nach dem Tod von offenbar Zehntausenden russischen Soldaten und nach der Ankündigung einer Teilmobilmachung gebe es keinen besseren Moment, sagen Wolkow und Schdanow, um selbst mobilzumachen – gegen all das. Denn es seien «Putin und seine Handlanger», die Ukrainer und Russen in den Tod schickten. Im Zuge der Teilmobilmachung habe Nawalnys Team zahllose Nachrichten von Russen empfangen, die wissen wollten, wie sie um den Einsatz herumkommen können. Mit der Aussicht auf den Tod, den eigenen oder den der Söhne, Brüder, Ehemänner, stellten nun selbst die Russen Fragen, die zuvor unkritisch waren, berichten Wolkow und Schdanow.
Dieses Momentum wollen die Oppositionellen nutzen. Aber weil in den vergangenen Tagen und Wochen der Kreml auch die kleinsten Proteste hat niederschlagen lassen, gehe das zunächst am besten im Untergrund. Dafür bräuchten sie Künstler, Hacker, Anwälte, sagt Wolkow – einfach jeden, der bereit ist, etwas gegen Putin zu unternehmen.
Der Traum vom Systemwechsel
Erst vor wenigen Tagen hat Alexei Nawalny in einem Gastbeitrag in der «Washington Post» erklärt, dass ein Nachkriegsrussland, in und mit dem sich irgendwie leben lassen soll, nur ohne Putin vorstellbar sei. Und auch das nur, wenn sein Nachfolger nicht aus seinem Umfeld stammt, anders als etwa Ex-Präsident und Putin-Propagandist Dmitri Medwedew. Sonst würde der «Teufelskreis des imperialen Autoritarismus» ewig weitergehen, warnt Nawalny. Es sei deshalb am russischen Volk, einen Systemwechsel hin zu einer parlamentarischen Demokratie herbeizuführen, in der nicht mehr einer allein entscheidet.
Das ist das – wohl eher langfristige – Ziel des neu zu formierenden Oppositionsnetzwerks. Vor dem Ukraine-Krieg war es Nawalny und Gleichgesinnten nicht gelungen, eine breite Protestbewegung zu mobilisieren – nicht zuletzt, weil Putin Proteste stets schnell unterdrücken liess, auch mit extremen Mitteln. Eine offizielle Opposition existiert in Russland de facto kaum mehr, auch aus Angst vor den verschärften Repressionen.
Deshalb verspricht Nawalnys Team allen, die sich dem Partisanennetzwerk anschliessen, Anonymität. Anmelden kann sich jeder über eine Internetplattform. Dort erfragt das Netzwerk den (Spitz-)Namen und E-Mail-Kontakt, die Herkunftsregion und ob man sich gerade in Russland befindet. Und es will wissen, was man bereit ist, zu tun: Rechtsbeistand geben zum Beispiel, Flugblätter verteilen, Regierungsseiten hacken. Ob auch drastischere Aktionen vorstellbar sind, bleibt ungesagt. Das Präsentationsvideo der Netzwerker zeigt jedenfalls einen Ausschnitt aus einem Video, das in den Tagen nach der Teilmobilmachung herumging: Es soll einen jungen Mann zeigen, der Brandsätze auf ein russisches Rekrutierungsbüro wirft.
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