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Russischer Oppositioneller
Nawalny wirft den Wärtern Folter vor

Berüchtigtes Straflager: Die «Besserungsanstalt 2» in Pokrow, einer Kleinstadt östlich von Moskau.
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Humor war stets die Rüstung von Alexei Nawalny, er hat ihn auch in der Strafkolonie nicht verloren. Zumindest sollen das die Nachrichten signalisieren, die seine Anwälte für ihn auf Instagram veröffentlichen. Die werden zwar immer bedrückender, der ironische Ton des russischen Oppositionellen ist aber noch da. «Wenn ich mich auf meinen rechten Fuss stütze, falle ich einfach um», hat Nawalny, der seit Wochen unter Rückenschmerzen leidet, den Anwälten diktiert. Sein Bein sei inzwischen teilweise taub. «Es ist ein bisschen frustrierend – in letzter Zeit habe ich mich doch an mein rechtes Bein gewöhnt. Ich möchte mich nicht von ihm trennen.»

Seit dem Giftanschlag auf sein Leben war es Nawalny besonders wichtig zu betonen, dass er keine Angst habe. Doch seine Anwälte und Unterstützer fürchten um seine Gesundheit, seitdem Nawalny am 17. Januar festgenommen wurde. Die Polizei wartete am Flughafen auf ihn, als Nawalny damals nach Russland zurückkehrte. Zuvor hatte er sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok erholt.

Nerv eingeklemmt

Nun sei wohl ein Nerv durch das «ständige Sitzen im Gefängnistransporter» eingeklemmt, schreibt der Oppositionelle. Mitte März ist er vom Moskauer Untersuchungsgefängnis in eine Strafkolonie nach Pokrow verlegt worden, einer Kleinstadt östlich von Moskau. Dort muss er noch zweieinhalb Jahre einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe absitzen.

Die «Besserungsanstalt 2», in der Nawalny einsitzt, gilt als besonders streng. «Ich hatte keine Ahnung, dass man 100 Kilometer von Moskau entfernt ein echtes Konzentrationslager gründen kann», schrieb Nawalny in seiner ersten Nachricht von dort. Er habe zwar keine Gewalt gesehen. Aber die Häftlinge seien angespannt, wagten nicht, ihren Kopf zu drehen. Das liesse ihn «leicht glauben, dass hier bis vor kurzem Leute mit Holzhämmern halb zu Tode geschlagen wurden». Die Methoden hätten sich inzwischen geändert, es herrschten strenge Regeln, überall seien Videokameras angebracht.

Nawalny wurde als fluchtgefährdet eingestuft. Nachts, schreibt er, wache er jede Stunde auf, weil ein Wachmann neben seinem Bett stehe, ihn filme und protokolliere: «2.30 Uhr, der Verurteilte Nawalny.» Sei doch grossartig, schreibt der Verurteilte, so werde er niemals verloren gehen. Er hat sich über den Schlafentzug formal bei den Behörden beschwert und es als Folter bezeichnet.

Zwei Ärzte gestorben

Dass Nawalny nicht schlafen könne, trage zu den Rückenproblemen bei, schreibt seine Frau auf Instagram. Die Schmerzen hätten im Untersuchungsgefängnis begonnen und seien schlimmer geworden, nachdem Nawalny verlegt wurde. «Alexei hat uns verboten, darüber zu sprechen, damit es nicht so aussieht, als würde er sich beschweren», schreibt Julia Nawalnaja. Nach ihren Erfahrungen in Omsk wolle sie sich nicht auf Mediziner verlassen, die die Gefängnisbehörde ihm schicke. In Omsk war Nawalny nach seiner Vergiftung und der Notlandung behandelt worden. Ärzte im dortigen Spital nahmen ihren ersten Verdacht auf Vergiftung wieder zurück. Sie zögerten zudem hinaus, dass Nawalny nach Deutschland ausgeflogen werden konnte. Julia Nawalnaja schreibt, ihr Mann brauche Ärzte, denen er vertraue. In den russischen Medien hiess es nun, in der Omsker Klinik sei schon ein zweiter Arzt gestorben. Es handle sich um den Leiter der Abteilung für Traumatologie und Orthopädie. Er soll im Dezember einen Schlaganfall erlitten haben. Bereits im Februar war der Tod des stellvertretenden Chefarztes der Klinik gemeldet worden. Todesursache sei ein Herzinfarkt gewesen.

Proteste angekündigt

Bereits am Dienstag vergangener Woche hatte Nawalnys Team erneute Proteste angekündigt. Unter einer Bedingung: Vorher sollen eine halbe Millionen Menschen online unterschreiben, dass sie für Nawalnys Freiheit demonstrieren wollen. Am Mittwoch, einen Tag nach Umfragestart, wurden seine Anwälte dann nicht zu Nawalny vorgelassen. Später stellte sich heraus, dass der Oppositionelle zur Untersuchung in ein Spital gebracht worden war. Am Donnerstag berichtete Nawalny , dass er noch keine Diagnose und nur zwei Tabletten Ibuprofen bekommen habe. Er habe lange geschwiegen, weil Rückenschmerzen schliesslich nicht tödlich seien und behandelt werden könnten. Er werde aber eben nicht behandelt und könne nur noch unter Schmerzen aus dem Bett aufstehen.

Mehr als 20 russische Ärzte forderten in einem offenen Brief, dass Nawalny von einem zivilen Arzt untersucht wird. Wenn ein Häftling mit akuten Schmerzen nicht behandelt werde, sei das Folter, schreiben sie. Sie schlagen sogar vor, einen der deutschen Spezialisten hinzuzuziehen, die Nawalny nach seiner Vergiftung behandelt haben.