Geldblog: Schokoladenkoffer und Give-awaysNaturaldividenden verlieren wegen Corona an Bedeutung
Als Aktionär sollte man sich nicht von schönen Geschenken beeindrucken lassen. Martin Spieler sagt, was wirklich zählt.
Gibt es ein schweizweites Verzeichnis für Firmen, die ihre Aktionäre mit Naturalien beschenken, im Volksmund etwas despektierlich «Fressaktien»? Ich denke dabei zum Beispiel an Schokoladen-Geschenke, feines Essen wie Berner Platte an der Aktionärsversammlung oder Give-aways. Leserfrage von U.Z.
Ich musste über Ihre Frage schmunzeln, denn aus meiner Sicht sollten Naturaldividenden wie Schokolade oder andere Geschenke oder auch erstklassiges Essen an der Generalversammlung kein Entscheidungskriterium für einen Aktienkauf sein.
Das von Ihnen in der Frage angesprochene Beispiel Lindt&Sprüngli ist für mich vielsagend: Damit Sie in den Genuss des berühmten Schokoladenkoffers kommen, müssen Sie Besitzer einer Namenaktie sein und bereit sein, aktuell etwa 115'000 Franken pro Aktie auf den Tisch zu legen. Als Inhaber von Partizipationsscheinen kommt man indes nicht in den Genuss des Schokoladengeschenkes.
Die Namenaktie von Lindt bringt es auf eine bescheidene Dividendenrendite von rund 1 Prozent. Selbst wenn man den Wert der Schokolade im Koffer auf vielleicht 300 bis 400 Franken festlegt, bleibt die Dividendenrendite tief. Zum Vergleich: Bei Nestlé hat man eine Dividendenrendite von rund 2,5 Prozent. Allein mit der Differenz könnte man schon ziemlich viel Schokolade von Lindt& Sprüngli oder auch von Cailler kaufen.
Auch andere Firmen sind für ihre Aktionärsgeschenke bekannt – so etwa die Swatch Group für die Aktionärsuhr oder Bell für die Give-aways aus eigener Produktion. Legendär sind auch die Pyjamas, die man als Aktionär von Calida bekommt. Bekannt für Naturaldividenden sind auch die Bergbahnen. Hier erhält man meist Gratiskarten oder verbilligte Abos.
Ich weiss, dass solche Naturaldividenden viele Fans haben. Wie Sie meinen Zeilen entnehmen, bin ich aber skeptisch.
Mit der Corona-Pandemie haben Naturaldividenden für die Aktionäre – etwa in Form von Apéro Riche und weiteren kulinarischen Höhepunkten – dramatisch an Bedeutung verloren. Die meisten Firmen führten ihre Generalversammlung in Zeiten der Pandemie nur noch digital, ohne Anwesenheit der Aktionäre durch. Damit erübrigt sich die Frage der aufwendigen Bewirtung. Ich gehe davon aus, dass auch künftig Generalversammlungen mit physischer Präsenz deutlich an Bedeutung verlieren werden. Viele Gesellschaften dürften auch künftig auf digitale GVs setzen, zumal dies mit den Änderungen im Aktiengesetz auch gesetzlich möglich ist.
Natürlich ist es schade, wenn GVs nicht mehr wie vor der Pandemie durchgeführt werden. Denn solche Anlässe boten auch die Möglichkeit für einen Austausch von Aktionären und Firmenvertretern. Bleiben dürften bei einigen Gesellschaften immerhin die Geschenke und Vergünstigungen für Aktionäre. Diese können auch digital oder per Post zugestellt werden. Eine Liste von Naturaldividenden in Tabellenform hat das Portal www.schweizeraktien.net zusammengetragen.
Das Problem dabei ist, dass die in der Tabelle aufgeführten Naturaldividenden ohne Gewähr und in der Regel vergangenheitsbezogen sind. Damit ist nicht garantiert, dass die in der Tabelle aufgelisteten Naturaldividenden auch nach der Corona-Pandemie noch ausgeschüttet werden. Ich weiss, dass solche Naturaldividenden viele Fans haben. Wie Sie meinen Zeilen entnehmen, bin ich aber skeptisch.
Aus meiner Sicht ist es sinnvoller, darauf zu achten, welche Aktien attraktive Wachstumschancen und interessante Dividendenrenditen aufweisen. Wenn man solche Aktien kauft, kann man sich mit deren Renditen selbst schöne Geschenke kaufen oder feines Essen finanzieren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.