Krieg in der UkraineNato verstärkt die Präsenz an den östlichen Grenzen
Indirekt droht Wladimir Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen, sollten andere Staaten die Ukraine unterstützen. Das westliche Militärbündnis will die Ostflanke stärken. Die EU plant neue Sanktionen.
Im UNO-Sicherheitsrat in New York hatte Generalsekretär António Guterres noch gefleht: «Präsident Putin, halten Sie Ihre Truppen davon ab, die Ukraine anzugreifen, geben Sie dem Frieden eine Chance. Zu viele Menschen sind bereits gestorben!» Vergebens. Am Mittwochabend hatten die von Moskau kontrollierten Separatisten in der Ostukraine Putin um militärische Hilfe gebeten. Es ist der finale Akt einer Inszenierung, vor der die USA und ihre Verbündeten gewarnt haben.
Minuten nach dem Appell in New York wiederholte Putin die durch nichts belegte Behauptung, die Menschen im Donbass würden «seit acht Jahren unter Verfolgung und einem Völkermord des Kiewer Regimes» leiden. Russland verteidige sie.
Zudem beschrieb er den Einsatz als gegen die Nato-Osterweiterung gerichtet. Das sei eine «rote Linie», von der er vielfach gesprochen habe. Indirekt drohte Putin sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen, sollten andere Staaten die Ukraine unterstützen.
EU-Sondergipfel in Brüssel
Wenig später werden aus Kiew, Charkiw, Odessa und anderen Städten der Ukraine Explosionen und teilweise auch Kampfhandlungen gemeldet. Das russische Verteidigungsministerium gab bekannt, die ukrainische Luftabwehr sei ausgeschaltet worden und die militärische Infrastruktur der ukrainischen Luftwaffenstützpunkte zerstört. Offenkundig hat das russische Militär Marschflugkörper und ballistische Raketen abgefeuert. Die Separatisten verkünden einen Vormarsch an der gesamten Front in der Ostukraine, und der weissrussische Diktator Alexander Lukaschenko befahl seinen Truppen, Russlands Einmarsch in die Ukraine von Weissrussland aus zu unterstützen.
EU-Ratspräsident Charles Michel hat für den Abend zu einem Sondergipfel nach Brüssel eingeladen. Am Morgen kündigte er neue Sanktionen gegen Russland an. EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen werde ein Paket vorlegen, das dann von den EU-Regierungen beschlossen werden soll, teilte er mit. Die Massnahmen sind seit Monaten vorbereitet worden. Dazu gehören unter anderem scharfe Strafen gegen den russischen Finanzsektor und Exportbeschränkungen für Hochtechnologie. Michel kündigte an, die EU werde der Ukraine weitere politische, finanzielle und humanitäre Hilfe leisten.
US-Aussenminister Tony Blinken sagte, er und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hätten mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg telefoniert. Dabei sei es um eine Verstärkung der östlichen Grenzen der Nato gegangen. Blinken versicherte den Nato-Mitgliedern zudem, dass die USA zu Artikel 5 des Nato-Vertrages stünden, also der Verteidigungszusage im Falle eines Angriffs. Polen forderte die Nato auf, ihre Ostflanke zu verstärken. Dafür sei es jetzt Zeit, sagte ein Regierungssprecher. «Wir erwarten, dass solche Entscheidungen getroffen werden.»
Vertreter der 30 Nato-Staaten sollten noch am Morgen zu einer Krisensitzung zusammenkommen. Die Beratungen des Nordatlantikrats in Brüssel waren für 8.30 Uhr angesetzt. Bei der Sitzung könnte beschlossen werden, dem Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa weitreichende Befugnisse zu übertragen. Möglich wäre demnach auch, dass sofort weitere Nato-Truppen zur Verstärkung der Ostflanke in Staaten wie Estland, Lettland und Litauen verlegt werden.
Keine militärische Unterstützung für die Ukraine
Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins forderte Konsultationen nach Artikel 4 des Nordatlantikvertrags. Dieser sieht Beratungen vor, wenn nach Auffassung eines Mitgliedsstaates die «Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit» einer der Parteien bedroht ist. Lettland grenzt an Russland und dessen Verbündeten Belarus. Auch Polen, Rumänien und die anderen Baltenstaaten Estland und Litauen forderten die Aktivierung von Artikel 4.
Militärische Unterstützung für die Ukraine gilt unterdessen weiter als ausgeschlossen, weil dadurch ein noch grösserer Krieg zwischen der Nato und Russland ausgelöst werden könnte. Da die Ukraine kein Mitglied des Bündnisses ist, kann sie auch nicht nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags Beistand beantragen.
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