Beschluss der NationalratskommissionAsylsuchende sollen bei der Ausschaffung künftig ruhiggestellt werden dürfen
Die Verabreichung von Medikamenten soll bei renitenten Asylsuchenden erlaubt sein. Die SVP-Forderung erhält erstmals eine Mehrheit – trotz ethischer und grundrechtlicher Bedenken.

- Die vorberatende Kommission des Nationalrats befürwortet die Zwangsmedikation bei Ausschaffungen renitenter Asylsuchender.
- Die Massnahme soll bei drohender Selbst- oder Fremdgefährdung angewendet werden.
- Internationale Gremien kritisieren die Zwangsverabreichung von Medikamenten als menschenrechtswidrig.
- Der Vorstoss geht nun zur Beratung an die ständerätliche Kommission weiter.
Wehren sich abgewiesene Asylsuchende physisch gegen eine Ausschaffung, werden bereits heute Zwangsmittel eingesetzt. Dazu zählen Hand-, Arm-, Bein- und Fussfesseln oder Gurten zur Fixierung. Um die Betreffenden ins Flugzeug zu bringen, können sie zudem auf einen Rollstuhl gefesselt werden.
Künftig soll auch der zwangsweise Einsatz von Beruhigungsmitteln erlaubt sein. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat einer entsprechenden Initiative von Benjamin Fischer (SVP) zugestimmt. Medikamente sollen demnach erlaubt sein, namentlich «wenn eine Selbst- oder Fremdgefährdung droht».
Fischer begründet seinen Vorstoss damit, dass die rechtsstaatliche Ordnung beeinträchtigt werde, wenn zwangsweise Rückführungen aufgrund physischen Widerstands nicht durchführbar seien. «Eine der wirkungsvollsten und für alle Beteiligten einfachsten Methoden ist hierfür der Einsatz von Beruhigungsmitteln.»
Die SVP hat bereits mehrfach versucht, die Zwangsmedikation als Mittel bei Ausschaffungen zu legalisieren. Bisher wurden diese Vorstösse jeweils von der vorberatenden Kommission und vom Nationalrat abgelehnt. Nun wurde Fischers Initiative mit 11 zu 9 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen. Gegen den Vorstoss stimmten SP und Grüne.
Einst wegen Verstoss gegen Menschenwürde abgelehnt
Aus rechtlicher Sicht ist der zwangsweise Einsatz von Medikamenten problematisch. So verwies die Nationalratskommission bei der früheren Beratung eines gleichlautenden SVP-Vorstosses darauf, dass die Zulassung von Arzneimitteln «dem verfassungsmässigen Anspruch auf Achtung der Menschenwürde sowie dem europäischen und dem internationalen Recht widerspricht».
Das Europäische Komitee für die Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung hielt fest, dass abgesehen von klar und strikt umschriebenen Ausnahmefällen Arzneimittel nur mit dem Einverständnis der Betroffenen verabreicht werden dürften. Und die Ärzteverbindung FMH schreibt auf Anfrage: «Eine allfällige Medikation muss medizinisch indiziert und verhältnismässig sein.»
Laut Fischer wurden in der Schweiz bei Ausschaffungen schon in der Vergangenheit in Einzelfällen «Tranquilizer» gespritzt, um eine Selbst- oder Fremdgefährdung zu vermeiden. Allerdings liegen diese Fälle laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) mehrere Jahre zurück. Die Beruhigungsmittel seien damals teilweise auf Wunsch der betroffenen Person verabreicht worden oder weil vom Arzt eine Selbstgefährdung für die Auszuschaffenden diagnostiziert worden sei. Dem SEM sei aber kein Fall bekannt, in dem einzig wegen renitenten Verhaltens Medikamente verabreicht worden seien.
Fischer Vorstoss geht nun an die Schwesterkommission des Ständerats. Falls diese ebenfalls zustimmt, erarbeitet die Nationalratskommission eine Gesetzesänderung, die vom Parlament beraten werden muss.
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