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Erklärung zur Weltordnung
«Wir sind nicht das gallische Dorf»: Nationalrat will «aktive Rolle der Schweiz» für Europas Sicherheit

Bundesrätin Karin Keller-Sutter diskutiert mit Fabian Molina während der Budgetdebatte der Wintersession der Eidgenössischen Räte 2024 im Nationalrat in Bern.
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In Kürze:
  • Der Nationalrat hat eine Erklärung zur Sicherheitspolitik verabschiedet.
  • Die Schweiz soll eine aktivere Rolle in der europäischen Sicherheitspolitik übernehmen.
  • Die SVP stimmte dagegen, weil sie die Neutralität gefährdet sieht.
  • Die FDP stimmte zu, fände es aber wichtiger, die Gelder für die Armee aufzustocken.

Nichts scheint mehr, wie es war. Die bisherige Weltordnung wankt, internationale Regeln werden missachtet, die USA wenden sich von Europa ab. Das transatlantische Zerwürfnis beschäftigt den ganzen Kontinent: Die europäischen Staats- und Regierungschefs halten Krisengipfel ab.

Was bedeutet all das für die Schweiz? Wie reagiert sie darauf? Der Bundesrat hat bisher geschwiegen. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter liess am Wochenende lediglich verlauten, die Schweiz setze sich weiterhin für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ein und verurteile die russische Aggression. Die bundesrätliche Devise heisst offenbar: Zurückhaltung.

Nun setzt der Nationalrat ein Zeichen: Er hat am Donnerstag eine Erklärung verabschiedet «für eine eigenständige europäische Sicherheitspolitik und eine aktive Rolle der Schweiz».

Nationalrat fordert Bundesrat zu aktiven Schritten auf

Die europäischen Staaten müssten ihre Sicherheitsverantwortung eigenständig übernehmen, heisst es in der Erklärung. Die Schweiz könne im Rahmen ihrer neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen zur europäischen Sicherheitskooperation beitragen.

Konkret fordert der Nationalrat den Bundesrat auf, die Rolle der Schweiz als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur zu stärken und die Zusammenarbeit mit Partnerländern und internationalen Organisationen zu intensivieren. Zudem empfiehlt er dem Bundesrat, weitere Möglichkeiten zur sicherheitspolitischen Kooperation mit der EU zu prüfen und «konkrete Schritte vorzulegen».

Die Erklärung hat lediglich symbolischen Charakter, war aber umstritten. SP-Nationalrat Fabian Molina hatte sie in die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats eingebracht, wo sie auf knappe Zustimmung stiess. Der Nationalrat hiess sie nun deutlich gut – mit 115 zu 66 Stimmen.

«Die Welt hat sich verändert», stellte Molina fest. «Unerschütterlich geglaubte Gewissheiten sind ins Wanken geraten.» Nun sei eine gemeinsame europäische Antwort erforderlich. Viele europäische Staaten hätten bereits auf die neue Situation reagiert.

«Neutralität ist nicht verhandelbar»

Gegen die Erklärung stellte sich die SVP. Sie verfolgt mit ihrer Neutralitätsinitiative einen anderen Weg. Zum einen soll die Schweiz nur im Fall eines direkten militärischen Angriffs mit Militärbündnissen zusammenarbeiten. Zum anderen soll sie sich nicht an Sanktionen gegen Krieg führende Staaten beteiligen – es sei denn, es handle sich um UNO-Sanktionen. EU-Sanktionen wie jene gegen Russland dürfe die Schweiz künftig nicht mehr mittragen.

SVP-Nationalrat Walter Gartmann zitierte General Guisan. Der Krieg werde immer nahe der Grenze sein. Die Schweiz aber müsse neutral bleiben. «Die Neutralität ist nicht verhandelbar», sagte Gartmann. Mitte-links dränge immer stärker darauf, dass die Schweiz sich auf eine Seite schlage. Das sei absurd, denn die gleiche Linke habe sich für Abrüstung und die Abschaffung der Armee eingesetzt.

«Wer sich zur Partei eines Konflikts macht, kommt nicht unbeschadet heraus», sagte Gartmann. Die Schweiz habe sich in letzter Zeit nicht mehr neutral verhalten. Es sei «Schwachsinn», zu glauben, dass die Neutralität mit Sanktionen und Waffenlieferungen zu vereinbaren sei.

Mehr Geld für die Armee

Die FDP-Fraktion stellte sich nicht gegen die Erklärung, zeigte aber wenig Begeisterung dafür. Er hoffe, dass man sich nicht damit begnüge, sagte Fraktionschef Damien Cottier. Wichtiger wäre es, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Er lade die Linke ein, sich nicht länger gegen zusätzliche Mittel für die Armee zu stellen oder diese als «Trachtenverein» zu bezeichnen. Das würde mehr nützen.

SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer antwortete auf die Frage, ob die SP nun mehr Mittel für die Armee befürworte, Panzer in der Schweiz seien die falsche Antwort. Es gelte dafür zu sorgen, dass die Ukraine sich verteidigen könne. Meyer kritisierte auch den Bundesrat und die Äusserungen von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter nach der Rede von US-Vizepräsident J. D. Vance.

Balthasar Glaettli, GP-ZH, spricht zur Debatte über die europäische Sicherheitspolitik während der Frühjahrssession 2025 im Nationalrat in Bern.

Balthasar Glättli (Grüne) doppelte nach. Die Bundespräsidentin habe wohl gedacht, man könne weiterhin Geschäfte machen, «wenn man sich der US-Oligarchie nur willfährig an die Brust wirft». Es gebe aber Momente in der Weltgeschichte, «da kann man sich nicht einfach draussen halten». Nach dem Verrat von US-Präsident Trump an der Ukraine müsse Europa stärker zusammenstehen. «Neutralität ist nicht Haltungslosigkeit.»

Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun stellte fest: «Die Welt brennt lichterloh.» Und die Schweiz überlege noch, ob sie sich an der Feuerwehr beteiligen wolle. Viele Länder erhöhten ihre Verteidigungsbudgets signifikant.

«Sondervermögen werden gesprochen, Atomschirme aufgespannt.» Auch die Schweiz müsse handeln. Es gebe in dieser Situation keinen Platz für parteipolitisches Geplänkel. «Wir sind nicht das gallische Dorf, und die Neutralität ist nicht unser Zaubertrank.»