Nach Trumps KehrtwendeJetzt wollen Sicherheitspolitiker die Schweiz näher an Europa rücken
Während Europas Regierungschefs gegen den US-Präsidenten schiessen, hält sich die Schweiz zurück. Jetzt kommt aus dem Parlament die Forderung, dass der Bundesrat klarer Position bezieht – und enger mit europäischen Staaten zusammenarbeitet.

- Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats fordert vom Bundesrat intensivere Bemühungen zur Sicherung der Stabilität Europas.
- In einer Erklärung plädieren Sicherheitspolitiker für stärkere Zusammenarbeit mit der EU in Sicherheitsfragen.
- FDP und SVP lehnen die Erklärung ab, während Mitte-links sie unterstützt.
Es ist eine 180-Grad-Wende – anders lassen sich die Äusserungen der neuen amerikanischen Regierung über die Ukraine und Europa kaum interpretieren. Während viele europäische Regierungschefs den neuen Kurs der Trump-Regierung scharf kritisierten, blieb der Bundesrat zurückhaltend. Die meisten Äusserungen von Donald Trump kommentierte die Schweizer Regierung nicht.
Bundespräsidentin Keller-Sutter sagte vergangene Woche im Westschweizer Fernsehen RTS: «Wir müssen die bilateralen Beziehungen pflegen und eine gewisse Stabilität reinbringen, sowohl mit den USA als auch mit Europa. Wir müssen zwischen den beiden navigieren.»
Nun fordern Sicherheitspolitikerinnen und Sicherheitspolitiker den Bundesrat dazu auf, enger mit Europa zusammenzuarbeiten. Dazu haben sie in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats eine Erklärung verfasst und wollen, dass der Nationalrat sie in der Frühjahrssession verabschiedet.
Im Text wird der Bundesrat aufgefordert, «seine diplomatischen Bemühungen zu intensivieren, um die Stabilität in Europa zu sichern». Er solle die Rolle der Schweiz «als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur» stärken und die Zusammenarbeit in diversen Bereichen intensivieren – darunter Cybersicherheit. Eine engere Kooperation mit der EU solle ebenfalls geprüft werden, beispielsweise im Rahmen der sogenannten Pesco, der ständigen Zusammenarbeit europäischer Staaten im Bereich der Sicherheit.
Erklärung liest sich wie ein Pflichtenheft für den Bundesrat
Am Ende der Erklärung folgt die Aufforderung an die Regierung, «Massnahmen zu prüfen und konkrete Schritte zur sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Europa vorzulegen». Die Erklärung liest sich wie ein Pflichtenheft an den Bundesrat. Dessen Detailgrad suggeriert, dass die Sicherheitspolitiker nicht zufrieden sind mit dem aktuellen Vorgehen der Regierung.
In der Kommission fand die Erklärung knapp eine Mehrheit mit 13 zu 11 Stimmen. Recherchen zeigen, dass sich Mitte-links dafür aussprach, Parlamentarier von FDP und SVP dagegen. Das ist wenig überraschend: einerseits, weil die SVP auf strikte Neutralität pocht, und andererseits, weil die Erklärung als Kritik am bisherigen Kurs der Regierung verstanden werden kann. Diesen geben die beiden FDP-Bundesratsmitglieder Karin Keller-Sutter und Ignazio Cassis vor. Sofern die Mitte im Nationalrat in der Frühlingssession relativ geschlossen für die Erklärung stimmt, wird die Erklärung auch dort eine Mehrheit finden.
Der Antrag kam von SP-Nationalrat Fabian Molina, der das Geschäft nun als Kommissionssprecher vertritt. Er sagt: «Trump verhandelt mit Putin über die Aufteilung Europas und hat klargemacht, dass das Bündnisversprechen der Nato nicht mehr gilt.» Europa müsse jetzt noch mehr zusammenstehen. Es sei zentral, dass sich die Schweiz im Rahmen ihrer Neutralität stärker an der europäischen Sicherheit beteilige. Die Schweiz müsse sich nicht zwischen den USA und Europa positionieren, wie es die Bundespräsidentin formuliere. «Sondern zusammen mit unseren wichtigsten Partnern Demokratie und Frieden auf unserem Kontinent verteidigen.»
SVP-Sicherheitspolitiker Mauro Tuena kontert, es sei nicht die Aufgabe einer Parlamentskommission, solche Erklärungen zu verabschieden. «Misch dich nicht in fremde Händel ein, einmal mehr», so Tuena. Mit diesem Vorgehen positioniere sich die Schweiz im Konflikt auf einer Seite. Neutralitätspolitisch gehe das nicht.
Cassis besorgt über «Zunahme des Autoritarismus»
Einen gerechten und anhaltenden Frieden – das fordert die offizielle Schweiz für die Ukraine. Keller-Sutter betonte dies an einem Treffen europäischer Regierungschefs anlässlich des dritten Jahrestags des russischen Einmarschs in der Ukraine. In Kiew kamen zwölf europäische Regierungschefinnen und -chefs sowie die EU-Kommissions-Präsidentin zusammen. Keller-Sutter schaltete sich – wie diverse weitere Teilnehmer – per Videokonferenz zu. Aus ihrem Departement heisst es, eine Reise nach Kiew sei aus terminlichen Gründen nicht möglich gewesen.
Aussenminister Ignazio Cassis hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Trump zweimal öffentlich zur aktuellen Lage geäussert. Letzte Woche sagte er zum rätoromanischen Fernsehen RTR, das Ziel der Schweiz sei es, Kriege zu beenden. «Sie will das im Einklang mit dem internationalen Recht tun.» Und dabei wolle sie die Interessen der Ukraine, von Europa und dem Rest der Welt berücksichtigen.
Am Montag sagte der Aussenminister dann in Genf, er sei besorgt über die weltweiten politischen Spannungen, den schwindenden demokratischen Raum und die Zunahme des Autoritarismus, der mehr als die Hälfte der Welt betreffe. Die Regierung Trump erwähnte Cassis nicht namentlich.
Korrigendum: In einer ersten Version dieses Artikels hiess es fälschlicherweise, die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats habe die Erklärung verabschiedet. Korrekt ist, dass es die Sicherheitspolitische Kommission war.
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