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Rücktritt von schottischer Regierungschefin
Nationalisten stehen vor tumultuösen Zeiten

Die Befürworter einer schottischen Unabhängigkeit verlieren ihr Gesicht: Nicola Sturgeon.
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Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon müssen sich deren Landsleute rundum neu orientieren. In ihrer Schottischen Nationalpartei (SNP) zeichnen sich bereits erste Brüche und Unstimmigkeiten ab. Nicht nur muss sich die dominierende schottische Partei in kürzester Zeit eine neue Führung geben. Die SNP muss sich auch darüber einigen, wie sie ihre Kampagne für die schottische Unabhängigkeit weiter verfolgen soll, ohne an Popularität zu verlieren.

Diese Frage hat schon unter Sturgeon in den letzten Monaten zu wachsender Ungewissheit geführt. Nach Ansicht vieler SNP-Politiker muss die Partei ihre Unabhängigkeits­strategie jetzt nämlich «dringend neu überdenken». Im Wesentlichen geht es darum, wie man reagieren soll darauf, dass Regierung und Justiz in London den Schotten ein zweites Unabhängigkeits­referendum verboten haben, obwohl eine Mehrheit des schottischen Parlaments dieses verlangt.

Sturgeon hatte die für nächstes Jahr erwarteten britischen Unterhauswahlen in Schottland zu einem «De-facto-Referendum» zur Unabhängigkeit erklären wollen. Dieser Plan stiess aber auch in der SNP auf Kritik. Mike Russell, SNP-Generalsekretär, und Stephen Flynn, Fraktionschef der Partei im britischen Unterhaus, rieten erst einmal zur Verschiebung eines womöglich explosiven Sonderparteitags, der sich im März mit dieser Frage beschäftigen sollte. Stattdessen soll vorerst die Nachfolge geregelt werden.

SNP-Abgeordnete sind «absolut schockiert»

Unterdessen zeigten sich SNP-Abgeordnete in Edinburgh und London von der Rücktrittsankündigung ihrer Parteichefin noch immer «absolut schockiert». Sie klagten, dass mit Sturgeon eine herausragende Politikerin verloren gehe, die enormen Respekt im Land genossen und die unterschiedlichen Fraktionen der SNP zusammenzuhalten gewusst habe.

Mit unverhohlener Genugtuung reagierten dagegen Tories, Labour-Leute und Liberaldemokraten auf den Abgang Sturgeons. Sie rechnen sich nun neue Chancen gegen die SNP in Schottland aus. Vor allem in der Labour-Partei herrscht Zuversicht: Sie baut darauf, bei den Unterhauswahlen von 2024 sehr viel mehr Mandate als bisher in Schottland erringen zu können – und sich so in ganz Grossbritannien eine absolute Parlamentsmehrheit zu sichern und die Tories in London an der Regierung abzulösen nächstes Jahr.

Nach Ansicht der Tories war Sturgeon verantwortlich für «ein Jahrzehnt der Spaltung und des Zerfalls» in Schottland.

Seine Hochachtung vor den Leistungen Sturgeons mochte dabei auch der Vorsitzende der schottischen Labour Party, Anas Sarwar, nicht verhehlen. Sturgeon verdiene «Respekt und Dank», vor allem für ihr beispielhaftes Verhalten in den Lockdown-Zeiten der Pandemie. Wesentlich kritischer äusserte sich Douglas Ross, der Chef der schottischen Konservativen. Seiner Ansicht nach war Sturgeon verantwortlich für «ein Jahrzehnt der Spaltung und des Zerfalls» in Schottland. Sie habe, besessen von der Idee nationaler Unabhängigkeit, das Land «in einen Zustand verfassungsmässiger Lähmung» gestürzt.

Sehr unterschiedlich wertete auch die britische Presse den Abgang von Sturgeon. Mehrere schottische Blätter zollten ihr Anerkennung für ihre lange Amtszeit – und sogar für ihren «mutigen» Schritt aus dem Amt. «Ich bin nicht nur Politikerin, sondern auch ein menschliches Wesen», interpretierte der «Herald» in Glasgow das zentrale Motiv ihres Rücktritts. «Ich will meine eigene Unabhängigkeit», überschrieb der «Daily Record» seine Frontseite verständnisvoll.

Gegner von Sturgeon jubeln, auch Trump freut sich

Dagegen erklärte der eher in England gelesene «Daily Telegraph», Sturgeon sei selbst schuld daran, dass sie «gestürzt» worden sei diese Woche. Die ebenfalls rechtskonservative «Daily Mail» jubelte darüber, dass Sturgeons «Träume in Fetzen» lägen. Die «Times» berichtete erleichtert, Sturgeons Rücktritt habe allen Unionisten – also allen Verteidigern des Status quo in Grossbritannien – «enormen Auftrieb» verschafft.

Die politischen Gegner der SNP gehen generell davon aus, dass «die Separatisten» im britischen Norden sich nun erst einmal in der Defensive finden und ihre Kampagne auf Jahre hin erfolglos bleiben könnte. Besonders glücklich zeigte sich derweil Donald Trump. Schottland sei «viel besser dran ohne diese durchgeknallte Linke», liess sich der frühere US-Präsident vernehmen. Sturgeon habe ihm und seinen schottischen Golfanlagen nur immer «das Leben schwergemacht».