Neuer Intendant setzt AkzenteUmstrittene russische Sopranistin Anna Netrebko tritt im Opernhaus Zürich auf
Comeback eines viel kritisierten Stars, neues Logo, neue Spielstätte in Oerlikon: Der künftige Direktor des Opernhauses, Matthias Schulz, hat sein Programm vorgestellt.

Die russische Sopranistin Anna Netrebko kehrt in die Schweiz zurück, konkret ins Zürcher Opernhaus. Der neue Intendant Matthias Schulz hat am Donnerstag bekannt gegeben, dass Netrebko als Leonora in Giuseppe Verdis «La forza del destino» («Die Macht des Schicksals») auf der Bühne stehen wird.
Die Regisseurin Valentina Carrasco wird laut Programmangaben versuchen, Verdis Oper als dystopische Fantasie zu zeigen. Die monumentalen Szenen wolle man zum Anlass nehmen, um «die Werte von Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert zu hinterfragen», heisst es in der Saisonvorschau.
Operndirektor: «Sie hat diese Chance verdient»
Angst vor negativen Rückmeldungen aus der Politik wegen Netrebkos Comeback hat der neue Intendant keine. «Ich bin überzeugt, dass sie diese Chance verdient hat», sagte Schulz vor den Medien. Es sei falsch, Künstler als Sündenböcke zu benutzen, weil man an die tatsächlich Verantwortlichen nicht herankomme. Er habe sich vor dem Engagement dazu persönlich mit ihr ausgetauscht.
Netrebko wird eine Nähe zum russischen Machthaber Wladimir Putin nachgesagt. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 geriet sie zunehmend in die Kritik. Konzerte und Opernauftritte in den USA und anderen westlichen Ländern wurden abgesagt.
Ihr Management betonte jedoch, dass Netrebko mehrere Erklärungen abgegeben habe, «in denen sie sich gegen den Krieg aussprach und zum Frieden in der Ukraine aufrief».
Neuer Direktor setzt Schwerpunkte
Nicht nur Netrebkos Rückkehr stellt eine Kehrtwende am grössten Schweizer Opernhaus dar. Matthias Schulz hat bei der Präsentation seiner ersten Spielzeit in Zürich deutlich gemacht, dass er im Vergleich zum jetzigen Direktor Andreas Homoki nicht alles, aber doch ein paar Dinge anders machen will.
Schulz, der bis vor kurzem die Staatsoper Unter den Linden in Berlin leitete, will in Zürich Oper und Ballett «zeitgemäss und mit dem richtigen Sinn für Opulenz und Qualität lebendig halten», lässt er wissen. (Lesen Sie hier das Interview mit dem neuen Opernchef: «Eine selbstgefällige Oper wäre das Schlimmste».)
Die hohe Anzahl an Premieren − dreizehn in der Oper und vier im Ballett − mache den Zürcher Spielplan vielfältig und biete die Möglichkeit, «auch immer wieder Entlegenes und Besonderes zu zeigen». Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Musikdirektor Gianandrea Noseda und Ballettchefin Cathy Marston.

Der deutsche Kulturmanager will unter anderem mit einem eigenen Barockfestival vor Ostern inhaltliche Akzente setzen. Für die zeitgenössische Musik wird ein eigenes Labor ins Leben gerufen: Experimentelle Projekte würden unter anderem im Bernhard-Theater und auf der Studiobühne realisiert. In Zürich-Oerlikon wird gar eine neue Spielstätte, eine «Oper im Quartier», eröffnet: Das Lokal im ehemaligen Kino Sternen soll für Labor-Produktionen und als «Ausgangspunkt für die Entwicklung einer neuen partizipativen Jugendoper» dienen.
Als Bekenntnis zur neuen Musik kann man auch die Schweizer Erstaufführung von Olga Neuwirths «Monster’s Paradise» verstehen oder das Musiktheaterprojekt «Wie du warst! Wie du bist!» von Simon Steen-Andersen.
Opernhaus erhält neues Logo
Ein sichtbares Zeichen des Neuanfangs ist das neue Logo des Opernhauses, das den Dachfiguren auf dem Opernhaus nachempfunden ist. «Diese Figuren sind aus der Nähe betrachtet alles andere als gesetzt und weihevoll, sondern wirken vielmehr ungewöhnlich und fantasievoll», findet der neue Hausherr.

Das Orchester kehrt hingegen zu seinem ursprünglichen Namen zurück: Aus der Philharmonia Zürich wird wieder das «Orchester der Oper Zürich», das unter dem neuen alten Namen auch auf Tournee geschickt wird.
Saisoneröffnung mit Fest und «Rosenkavalier»
Eröffnet wird die Saison mit einem ausgedehnten Eröffnungsfest vom 19. bis 21. September, bei dem die erste grosse Premiere unter der neuen Intendanz ansteht: Richard Strauss’ «Der Rosenkavalier», inszeniert von Lydia Steier nach einem Konzept von Gottfried Helnwein und mit Diana Damrau als Marschallin.
Das Repertoire wird unter anderem auch mit Neuinszenierungen von Humperdinks «Hänsel und Gretel», Johann Strauss’ «Fledermaus», Mozarts «La clemenza di Tito» und Wagners «Tannhäuser» gepflegt.
Der ausführliche Spielplan ist auf der Website des Opernhauses Zürich zu finden.
SDA/osc/bor
Fehler gefunden?Jetzt melden.