Nachtzug-Streit spitzt sich zu«Der Bundesrat betreibt Arbeitsverweigerung» – SP reicht Beschwerde ein
Die Partei wirft dem Bundesrat vor, beim Sparentscheid seinen Ermessensspielraum überschritten zu haben – und greift zu einem ungewöhnlichen Mittel.
- Die SP kritisiert den Bundesrat, weil er Gelder für Nachtzüge sperren will.
- Die Partei hat eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Regierung eingereicht.
- Die SP wirft dem Bundesrat vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben.
- Die Geschäftsprüfungskommissionen sollen eine Untersuchung einleiten.
Die Ankündigung löste ein grosses Echo aus: Der Bundesrat will aus Spargründen keine Gelder zur Förderung von Nachtzügen freigeben – obwohl dies im CO₂-Gesetz vorgesehen ist. Parlamentsmitglieder verlangen Antworten von Umweltminister Albert Rösti.
Die SP schaltet nun sogar die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments ein. Sie hat eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Bundesrat eingereicht, unterzeichnet von SP-Nationalrätin Min Li Marti.
«Der Bundesrat betreibt Arbeitsverweigerung beim Klimaschutz», sagt Marti. Deshalb greife die Partei nun zu einem ungewöhnlichen Mittel. Die SP bittet die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments (GPK), «eine Untersuchung einzuleiten und gegebenenfalls sicherzustellen, dass das neue CO₂-Gesetz vollständig umgesetzt wird».
Grundlage dafür ist das Gesetz über das Verwaltungsverfahren, wonach jedermann «Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde anzeigen kann». Die SP hätte auch über ihre Mitglieder in den GPK eine Untersuchung vorschlagen können. Weshalb ist sie nicht so vorgegangen? Laut Marti verspricht sie sich von der Beschwerde grössere Chancen. Die GPK werde dazu Stellung nehmen müssen, sagt die Nationalrätin.
Ermessensspielraum überschritten?
Die SP wirft dem Bundesrat in der Beschwerde vor, seinen Ermessensspielraum zu überschreiten. Das CO₂-Gesetz mit dem Artikel zu den Nachtzügen trete 2025 in Kraft, und der Bundesrat sei verpflichtet, es gemäss Parlamentsbeschluss umzusetzen, argumentiert sie.
Allerdings ist der Artikel in «Kann»-Form formuliert: Der Bund kann mit den Erlösen aus der Versteigerung der Emissionsrechte für Luftfahrzeuge den grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Schiene fördern, einschliesslich Nachtzügen. Ausserdem steht im Gesetz, dass die Fördermittel höchstens 30 Millionen Franken pro Jahr betragen.
Muss der Bundesrat also tatsächlich Gelder einsetzen? Die SP stellt sich auf den Standpunkt, dass das Gesetz so auszulegen sei. Sie verweist dabei auf die Debatte im Parlament – und auf dessen Beschluss, die Änderungen rasch in Kraft zu setzen.
Klimaziele gefährdet
Weiter argumentiert die SP, der Bundesrat verletze mit der Sperrung der Gelder internationale und nationale Klimaschutzverpflichtungen. Nationalrätin Min Li Marti weist auf das Klimaurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz hin.
Der Bundesrat wies die Vorwürfe des Gerichts zurück. Er erklärte, die Schweiz habe in der Zwischenzeit ausreichend Massnahmen beschlossen, um die Klimaziele zu erfüllen – namentlich mit dem CO₂-Gesetz. Der Bundesrat berufe sich in Strassburg also auf ein Gesetz, das er nicht umsetzen wolle, kritisiert Marti.
Das Mittel der Beschwerde ist selten, doch vor zwei Jahren hat es die SP schon einmal angewandt. Sie monierte, das Departement von Wirtschaftsminister Guy Parmelin setze die Russland-Sanktionen nicht konsequent um. Die GPK des Ständerates kritisierte das Sanktionsregime ebenfalls. Der Bundesrat nahm dies zur Kenntnis – und teilte mit, er lehne eine Reform des Sanktionsregimes ab.
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