Beschwerde gegen WirtschaftsdepartementSP geht rechtlich gegen SVP-Bundesrat vor
Die Partei erhöht den Druck auf Guy Parmelin und seine Mitarbeiter. Sie reicht eine Beschwerde beim Gesamtbundesrat ein wegen «Passivität bei der Umsetzung der Sanktionen».
Tut die Schweiz genug gegen die russischen Kriegstreiber und ihre Geldquellen? Und tut sie es schnell genug? Diese Fragen treiben auch den Gesamtbundesrat um. Nach breiter Kritik an der Umsetzung der Sanktionen gab er dem Departement von Wirtschaftsminister Guy Parmelin den Auftrag, auf die heutige Sitzung hin einen Bericht zu verfassen. Der Titel des Papiers lautet: «Beschleunigung der Umsetzung von EU-Sanktionen».
Darin kommen Parmelin und sein Departement gemäss regierungsnahen Quellen zum Schluss, man habe die Sanktionen gegen 900 russische Personen und 62 Unternehmen bislang nicht allzu schlecht umgesetzt. Im Umfeld des Bundesrats schliesst man aber nicht aus, dass der SVP-Vertreter Parmelin mit dieser Einschätzung bei seinen Regierungskollegen noch auf Widerspruch stossen könnte.
Insbesondere vonseiten der SP-Vertretung ist das sogar eher wahrscheinlich. Deren Partei ergreift sogar rechtliche Mittel gegen das Wirtschaftsdepartement WBF. Sie hat gestern eine Aufsichtsbeschwerde beim Gesamtbundesrat eingereicht.
Nationale Taskforce nein, internationale eher
Die sozialdemokratische Co-Spitze mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth fordert darin vom Gesamtbundesrat, er solle das WBF anweisen, die Sanktionen wegen des Kriegs in der Ukraine «umfassend und zeitnah» umzusetzen. Insbesondere solle das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bei der Umsetzung der Massnahmen enger mit den Kantonen zusammenarbeiten. Zudem fordert die SP eine Taskforce, welche Informationen über die Vermögen sanktionierter Russinnen und Russen aktiv sammelt und sich international koordiniert.
Bislang hat der Bundesrat eine nationale Taskforce abgelehnt, weil eine gesetzliche Grundlage fehle. Bundespräsident Ignazio Cassis zeigt sich aber offen für eine verstärkte Zusammenarbeit mit einer internationalen Taskforce nach einer US-Initiative bei der grossen Vermögensjagd. Parmelins Departement verweist darauf, dass das Seco zudem am Montag von der EU-Kommission eingeladen wurde, an einem Austausch über die Umsetzung der Sanktionen teilzunehmen. Brüssel habe dabei «ausdrücklich festgehalten, dass sie den Beitrag der Schweiz sehr begrüsst».
Für Mattea Meyer sind die bisherigen Bemühungen des Bundes viel zu gering. «Das Seco hat lediglich eine Kontakt-E-Mail und eine Telefonnummer für Meldungen veröffentlicht. Das wird der Grösse des Problems – Krieg in Europa – schlicht nicht gerecht», sagt die SP-Co-Präsidentin. «Die Schweiz muss als Finanzdrehscheibe eine Schlüsselrolle spielen beim Aufspüren der Vermögen in Schachtelkonstrukten.»
Parmelins Departement wehrt sich
WBF und Seco teilen die Einschätzung, die Schweiz würde zu wenig tun, nicht: «Die heute geltenden 24 Sanktionsregimes zeigen, dass die Prozesse im Bereich der Sanktionen zwischen Behörden und privaten Unternehmen gut eingespielt sind.» Bei Verdachtsfällen würden vertiefte Abklärungen vorgenommen, bei denen verschiedene Bundesstellen und kantonalen Behörden eng zusammenarbeiteten.
Auch Bundesrat Parmelin hatte sich im Interview mit dieser Zeitung gegen den Vorwurf verwahrt, unentschlossen zu handeln: «Mein Staatssekretariat für Wirtschaft, das Seco, hat die nötigen Abklärungen schnell, effizient und sorgfältig geleistet.»
Eine Aufsichtsbeschwerde kann jedermann einreichen. Eher selten tun das Parteien, die selber in der Landesregierung vertreten sind. Behandeln muss das SP-Rechtsbegehren der Bundesrat, dem auch zwei Mitglieder der SP angehören.
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