Jetzt drängt Facebook in die Vorsorgemedizin
Sollen sie Facebook vertrauen? Dies fragen sich Nutzerinnen und Nutzer jetzt in den USA, denen das Sozialnetz neu präventive Tests und Grippeimpfungen vorschlagen will.
Bei meinem Alter und Geschlecht weiss Facebook, was gut für mich ist. Jedes Jahr, so empfiehlt es mir als früherem Raucher, brauche ich einen Niedrigdosis-Scan meiner Lunge und einen Bluttest meines Stuhls. Fürs Herz schlägt Facebook Blutdruckmessungen und Blutanalysen auf Zucker und Cholesterin vor. Sodann soll ich mich auch noch gegen die Grippe impfen lassen.
Diese Empfehlungen finden sich auf dem neuen Facebook-Tool «Preventive Health», das seit wenigen Tagen Nutzern in Amerika zur Verfügung steht. In einer ersten Phase beschränkt sich das präventivmedizinische Werkzeug auf die führenden Todesursachen Krebs und Herzkrankheiten sowie auf Grippe. Falls es ausreichend oft benutzt und geschätzt wird, soll es auch in anderen Ländern eingeführt werden.
«Laut der US-Gesundheitsbehörde Centers of Disease Control and Prevention versäumen Dutzende Millionen Menschen in den USA ratsame Vorsorgemassnahmen», sagt zur Begründung Freddy Abnousi, der bei Facebook die Gesundheitsforschung leitet. Faktoren wie Wissen, Erreichbarkeit und Kosten seien für viele Leute Hindernisse gegen Tests. Hier will Facebook helfen: In Zusammenarbeit mit US-Gesundheitsorganisationen gibt das Präventiv-Tool Nutzern Empfehlungen und führt sie zu qualifizierten Gesundheitszentren. Diese seien «in unterversorgten Gebieten tätig und behandeln alle, unabhängig von ihrer Zahlungsfähigkeit», sagt Abnousi.
Steigt der Datenmissbrauch
Dass ausgerechnet das vielgeschmähte Sozialnetzwerk seine Nutzer in so intimen Fragen beraten soll, erscheint widersinnig. Facebook ist in den vergangenen Jahren wie keiner seiner Konkurrenten wegen Datenmissbrauchs kritisiert worden.
Auf der politischen Ebene wird die Facebook-App von Cambridge Analytica für den Wahlsieg von Donald Trump vor drei Jahren verantwortlich gemacht. Im Feld der Medizin sah sich Facebook Anfang Jahr genötigt, Wunderheiler und Impfgegner im Newsfeed auszubremsen. Und diesen September wurde aufgedeckt, dass mehrere Menstruationstracker von Nutzerinnen eingegebene Informationen ungefragt mit Facebook teilten, so etwa Daten über Geschlechtsverkehr.
Umso mehr bemüht sich Facebook jetzt, seine Nutzerschaft bezüglich Datensicherheit zu beruhigen. Nach Angaben des Unternehmens wird für die Empfehlungsliste ausschliesslich das Alter und Geschlecht verwendet. Falls sie es wollen, können Nutzer diese zwei Eckdaten im Vorsorge-Tool sogar verändern.
«Der Zugang zu ihnen bleibt auf eine Gruppe von Leuten begrenzt.»
«Ihre Aktivität innerhalb von Facebook wird weder öffentlich gepostet noch an andere weitergegeben», beteuert die Datenschutzchefin Erin Egan. «Eingegebene Informationen werden sicher abgespeichert, und der Zugang zu ihnen bleibt auf eine Gruppe von Leuten begrenzt, die bei Facebook an dem Produkt arbeiten oder unsere Systeme warten.»
Egan betont, dass es an den Nutzern liege, ob sie das Werkzeug verwenden möchten. Wenn sie das wollten, könne Facebook sie an empfohlene Tests erinnern. Doch das Unternehmen erhalte keinen Zugang zu den Testergebnissen. Egan stellt klar: «Wir zeigen keine Werbung auf der Grundlage der Informationen, die Sie eingeben.»
Amazon steigt auch mit ein
Facebook stösst nicht als einziges Techunternehmen in den Gesundheitsbereich vor. Amazon rüstet den virtuellen Assistenten Alexa mit medizinischen Kenntnissen aus. Google will angeblich den Fitnesstracker Fitbit kaufen. Und auf dem iPhone und der Apple Watch lassen sich detaillierte Gesundheitsinformationen abspeichern, wobei laut Apple nichts davon an dessen Server oder das Netz weitergegeben wird.
Im Vergleich zur Konkurrenz macht Facebook mit «Preventive Health» einen bescheidenen Schritt. «Im Kern sind es erweiterte Nachschlageseiten von offiziellen Websites, verbunden mit Kalendererinnerungen und zugeschnitten auf breite demografische Gruppen», schreibt die Tech-Site «The Verge».
Womöglich möchte das in den USA von beiden politischen Lagern angefochtene Unternehmen mit dem Vorstoss in die Vorsorgemedizin seinen angeschlagenen Ruf aufbessern. Medizin-Chef Abnousi betont, dass Nutzer mit Krankheitsdiagnosen schon lange Facebook-Supportgruppen suchten, um sich mit ähnlich Betroffenen auszutauschen. In Indien und Brasilien unterstütze Facebook die Anstrengungen lokaler Blutbanken, angeblich mit einigem Erfolg: «Von den unaufgeforderten Blutspendern kommen 20 Prozent von Facebook.»
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