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Nach Trumps Lügenmärchen
In Springfield geht unter Haitianern die Angst um

A Dayton police officer and his dog return to their vehicle after sweeping the Springfield City Hall grounds for explosives after bomb threats were made against buildings earlier in the day in Springfield, Ohio on September 12, 2024. A government building and school were evacuated after an alleged bomb threat Thursday in Springfield, Ohio, local media reported, rattling the small city at the heart of an anti-migrant conspiracy theory amplified by Donald Trump. Springfield has been thrust into the spotlight in recent days after an unfounded story of Haitian migrants eating pets went viral on social media, with the Republican ex-president and current White House candidate pushing the narrative despite it being debunked. (Photo by ROBERTO SCHMIDT / AFP)
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Romane Pierre schliesst sein haitianisches Restaurant in Springfield neuerdings schon um acht Uhr abends – damit seine Mitarbeiter nicht so spät allein nach Hause laufen müssen. «Manche wollen die Stadt verlassen, einige sind schon weg», erzählt er. Denn in Springfield im US-Bundesstaat Ohio geht die Angst unter den schwarzen Einwanderern aus Haiti um: Seit der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump und sein Team das Lügenmärchen verbreiten, dass Haitianer in der Kleinstadt die Hunde und Katzen von Einheimischen fangen und essen würden, werden die Migranten offen angefeindet.

Bombendrohungen gegen Schulen, Beschimpfungen und bei Sonnenuntergang geschlossene Geschäfte: Viele Menschen aus Haiti, die vor Armut und Gewalt in ihrer Heimat geflohen sind, haben nun in den USA wieder Angst um ihr Leben.

Die überwiegend von Weissen bewohnte Kleinstadt im Nordosten der USA, die jahrelang mit Wegzug und einer schrumpfenden Bevölkerung zu kämpfen hatte, hat in den vergangenen Jahren geboomt und viele Einwohner neu hinzugewonnen: die meisten aus Haiti, die in Geschäften oder Restaurants Arbeit fanden, die teils auch von ihren Landsleuten gegründet wurden. 2020 zählte die Stadt weniger als 60’000 Einwohner – dann kamen 10’000 bis 15’000 Haitianer dazu.

Zunehmend «rassistische Töne» in den Beschwerden der Einheimischen

Der Erfolg des Wirtschaftsplans der Stadt hatte auch bald seine Kehrseiten: fehlende Wohnungen, nicht ausreichende medizinische Versorgung, nicht genug Plätze in den Schulen – tatsächliche Probleme, wie der frühere Pastor der Ersten-Baptisten-Kirche von Springfield, Wes Babian, einräumt. Die neuen Jobs änderten auch nicht so viel an der schon lange bestehenden Armut unter vielen Leuten in Springfield.

Babian beklagt aber die zunehmend «rassistischen Töne» in den Beschwerden der Einheimischen. Die Rede war von «Invasion» von «illegalen» Einwanderern, denen grundlos vorgworfen wurde, sie würden stehlen und eine Welle der Kriminalität mit sich bringen. «Es gab viele Auseinandersetzungen in den vergangenen Jahren mit Blick auf die neuen Nachbarn», sagt der Pastor. «Bestimmt verständlich bis zu einem bestimmten Punkt, aber jetzt ist es sehr viel negativer, sogar teils gefährlich geworden.» 

Seit der Rechtspopulist Trump in der TV-Debatte mit seiner Rivalin Kamala Harris das Lügenmärchen wiederholte, dass Haitianer in Springfield die Haustiere der Einheimischen aufessen würden, haben sich die Spannungen noch verschärft – obwohl die Behörden der Stadt sofort widersprachen. Eine Bombendrohung gegen das Rathaus und eine Schule mit vielen haitianischen Schülern gab es am Donnerstag. Am Freitag dann wieder Schul-Räumungen und Drohungen gegen ein Zentrum der haitianischen Gemeinschaft. «Es ist die traurige Realität, die Panik auslöst», berichtet der Direktor des Zentrums, Viles Dorsainvil.

Vilés Dorsainvil, the Executive Director of the Haitian Community Help and Support Center, speaks during an interview in Springfield, Ohio, on September 12, 2024 and explains the growing tensions that have engulfed the Haitian community in Springfield and recently exploded when former US President Donald Trump used the presidential debate to spread debunked rumors that Haitians were stealing pets and eating them. Bomb threats are being called into schools and businesses are closing at sundown in Springfield, Ohio, after the small US town has become the center of racist conspiracy theories targeting its Haitian immigrant community -- leaving some in fear for their lives. The mostly white city in the American Midwest has seen a boom in population in recent years, fueled mostly by Haitians attracted by its economic revival, and new businesses happy to attract laborers. (Photo by ROBERTO SCHMIDT / AFP)

Die meisten Haitianer in Springfield sind legal hier oder haben einen geschützten Status. Manche leben schon seit vielen Jahren in den USA. Dennoch gibt es den Vorwurf, sie seien von der Regierung in Washington in Bussen in die Stadt gebracht worden oder würden bequem von staatlicher Hilfe leben, während die Einheimischen darben müssen.

In Wirklichkeit sind viele Haitianer mit eigenen Mitteln gekommen und haben Geschäfte eröffnet, so wie Philomene Philostin, die ein Lebensmittelgeschäft mit Spezialitäten aus Haiti betreibt und in den USA eingebürgert wurde.

Creations Market shop owner Philomene Philostin, a naturalized US citizen of Haitian origin, speaks about the troubles she and other members of the Haitian community in Springfield, Ohio, face as growing tensions exploded when former US President Donald Trump used the presidential debate to spread debunked rumors that Haitians were stealing pets and eating them. Bomb threats are being called into schools and businesses are closing at sundown in Springfield, Ohio, after the small US town has become the center of racist conspiracy theories targeting its Haitian immigrant community -- leaving some in fear for their lives. The mostly white city in the American Midwest has seen a boom in population in recent years, fueled mostly by Haitians attracted by its economic revival, and new businesses happy to attract laborers. (Photo by ROBERTO SCHMIDT / AFP)

Andere kommen nicht so gut zurecht, so wie Fritz, der über die mexikanische Grenze in die USA kam. Er und seine Familie erhalten Lebensmittelhilfe. Um Miete bezahlen zu können, muss er seinen ersten Lohn abwarten. Während er in der Nähe des Rathauses spricht, fährt ein Auto vorbei, die Insassen schreien raus: «Fuck you!»

Daniel, a Haitian resident of Springfield, Ohio speaks during an interview where he explained the growing tensions among the Haitian population of the town and especially after former US President Donald Trump used the presidential debate to spread debunked rumors that Haitians were stealing pets and eating them. Bomb threats are being called into schools and businesses are closing at sundown in Springfield, Ohio, after the small US town has become the center of racist conspiracy theories targeting its Haitian immigrant community -- leaving some in fear for their lives. The mostly white city in the American Midwest has seen a boom in population in recent years, fueled mostly by Haitians attracted by its economic revival, and new businesses happy to attract laborers. (Photo by ROBERTO SCHMIDT / AFP)

Daniel aus Haiti, der seit vier Jahren in Springfield lebt, verlässt sein Haus seit der TV-Debatte mit Trump gar nicht mehr – es sei denn, es ist unabdingbar. «Die Bedrohung ist real», sagt er. Aber «es ist nicht die gesamte Bevölkerung», versichert er. Andere seien auf seiner Seite.

William Thompson, a US Vietnam Veteran living near a Haitian Community Help and Support Center sits on the porch of the house where he lives and said that he welcomed the arrival of Haitians to the town as the US “is the land of the free,” in Springfield, Ohio, on September 12, 2024. Bomb threats are being called into schools and businesses are closing at sundown in Springfield, Ohio, after the small US town has become the center of racist conspiracy theories targeting its Haitian immigrant community -- leaving some in fear for their lives. The mostly white city in the American Midwest has seen a boom in population in recent years, fueled mostly by Haitians attracted by its economic revival, and new businesses happy to attract laborers. (Photo by ROBERTO SCHMIDT / AFP)

So wie Vietnam-Veteran William Thompson. Er sitzt auf seiner Veranda, eine US-Flagge neben sich, und sagt: «Es ist das Land der Freiheit. Sie (die Haitianer) haben die Möglichkeit, hierher zu kommen, um frei zu sein.» Falls es aber, wie so viele befürchten, in Gewalt umschlagen sollte, dann ist er vorbereitet: «Ich habe meine Waffen im Haus.»

AFP