Koalition mit RechtspopulistenNach Sanna Marin rückt Finnland deutlich nach rechts
Sozial- und Arbeitslosengelder werden gekürzt, das Streikrecht wird eingeschränkt: Die neue finnische Vierparteienkoalition stellt ein ultrakonservatives Regierungsprogramm vor.

Sieben Wochen haben die Verhandlungen gedauert, und man sah Petteri Orpos zerknittertem Gesicht am Freitag an, dass viele lange Nächte dabei waren. Aber jetzt gibt es eine neue finnische Regierung, bestehend aus Orpos konservativer Nationalen Sammlungspartei, den rechtspopulistischen Wahren Finnen, den Christdemokraten und der Schwedenpartei.
Orpos Partei hatte die Wahl im April mit 20,8 Prozent gewonnen, dicht gefolgt von den Wahren Finnen, die auf 20,1 Prozent kamen. Drittstärkste Kraft wurden die Sozialdemokraten mit 19,9 Prozent, die in der vorangehenden Legislaturperiode mit der charismatischen Sanna Marin die Premierministerin gestellt hatten.
Sparen, sparen, sparen
Im Wahlkampf wurde vor allem um Geld gestritten: Zum einen ging es um die für skandinavische Verhältnisse hohe Staatsverschuldung, die sich seit der Finanzkrise von 2008 verdreifacht hat. Hier gibt es zwischen Orpos Partei und den Wahren Finnen die grösste Einigkeit, die in drei Worten ausgedrückt werden kann: sparen, sparen, sparen. Über die kommenden Jahre verteilt sollen insgesamt sechs Milliarden Euro weniger ausgegeben werden, was nur über tiefe Einschnitte im Gesundheitswesen und in der Sozialpolitik gehen wird.
Die Sozialdemokraten wollten die Sozialausgaben dagegen eher erhöhen und dafür mehr Geld für den Staat über Steuern erwirtschaften. Für Orpo waren das derart rote Tücher, dass er sich lieber mit den Wahren Finnen zusammentat – obwohl die beim zweiten grossen Streitthema dieser Wahlen völlig anderer Meinung sind: Sie wollen im Grunde alle Migration abschaffen. Finnland braucht aber dringend Arbeitskräfte. Das Land benötigt laut Experten eine jährliche Nettozuwanderung von 44’000 Personen, um die Zahl der arbeitsfähigen Erwachsenen langfristig zu stabilisieren. Demnach müsste sich die Immigration fast verdreifachen.
Da Orpos Partei und die Wahren Finnen rein rechnerisch nicht auf eine parlamentarische Mehrheit kommen, haben sie noch die Christdemokraten mit zu den Sondierungsgesprächen geladen sowie die liberale Schwedische Volkspartei, welche die Interessen der schwedischsprachigen Minderheit vertritt. Da die nationalistischen Wahren Finnen die bislang gesetzlich vorgeschriebene Zweisprachigkeit im Land abschaffen wollen, sollen die Koalitionsverhandlungen derart turbulent gewesen sein, dass mehrfach gemunkelt wurde, das Ganze würde noch platzen.

Die Politologin Anu Kantola von der Universität Helsinki betont im Gespräch, dass Sanna Marins Hauptproblem darin bestanden habe, in ihrer Koalition die fünf Parteien irgendwie zusammenzuhalten. Ihr voraussichtlicher Nachfolger im Ministerpräsidentenamt könnte ähnlichen Problemen entgegensehen. «Petteri Orpo wird alles daransetzen, jetzt in seiner Koalition als moderierende Vaterfigur aufzutreten.» Fürs Erste ist Orpo das gelungen, es gibt eine Einigung, man will es miteinander versuchen.
Das Programm dieser Mitte-rechts-Regierung sei «deutlich konservativer» als das der letzten beiden konservativen Regierungen, die es 2011 und 2015 gab, sagt Anu Kantola. Die Koalition will Sozialleistungen, Arbeitslosengeld und Wohngeldzuschüsse kürzen sowie das Streikrecht einschränken. Zudem wird sich die Einwanderungspolitik verschärfen, Finnland soll nur noch 500 sogenannte Kontingentflüchtlinge pro Jahr aufnehmen, bisher waren es 1050.
Entwicklungshilfe wird deutlich gekürzt
Es wird aber auch deutlich schwieriger, finnischer Staatsbürger zu werden. Künftig muss man acht Jahre in Finnland gelebt haben, bevor man sich einbürgern lassen darf, hinzu kommt ein Staatsbürgerschaftstest, ähnlich wie in Dänemark und Norwegen. Es wird auch schwieriger, Asyl zu bekommen, die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis wird kassiert, die Entwicklungshilfe soll von 710 Millionen um mehr als ein Drittel auf 460 Millionen Euro sinken.
Viele Kommentatoren vergleichen die finnische Situation mit der in Schweden, das bei den Wahlen im vergangenen Herbst ebenfalls nach rechts gerückt ist. Einen Unterschied aber gibt es: Die schwedische Koalition besteht aus drei Parteien und wird von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten «geduldet». So können sie Erfolge der Regierung für sich beanspruchen, bei schwierigen Themen aber stets auf die Koalition zeigen. Das sei in Finnland anders, sagt die Politologin Jenni Karimäki von der Universität Turku: «Die Wahren Finnen können für die Regierungsarbeit verantwortlich gemacht werden und müssen sich bei den nächsten Wahlen dafür rechtfertigen.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.