Nach Attacken in IsraelSchweiz würde diplomatische Kanäle auch bei Hamas-Verbot offen halten
Jetzt bezeichnet auch der Bundesrat die Hamas als Terrororganisation. Bisher wehrte er sich gegen ein Verbot. Nun lässt er juristische Abklärungen dafür treffen.

Nach den Terrorattacken der Hamas in Israel mit über 1000 Toten hat der Bundesrat seine Haltung gegenüber der radikalen Palästinenserorganisation geändert. Er ist nun der Meinung, dass die Hamas als terroristische Organisation eingestuft und verboten werden soll. Dies hatte am Dienstag die nationalrätliche Sicherheitskommission einstimmig gefordert. Auch SVP, FDP, GLP und EVP verlangten in den letzten Tagen ein Verbot.
Der Bundesrat hat an der Sitzung vom Mittwoch reagiert. Die Attacken auf Zivilisten in Israel und die Entführung von Geiseln nach Gaza seien terroristische Angriffe und aufs Schärfste zu verurteilen, hält der Bundesrat fest. Bevor die Hamas als Organisation in der Schweiz verboten werden könne, müssten jedoch noch juristische Fragen geklärt werden. Erst wenn der entsprechende Bericht vorliegt, wird die Regierung definitiv über das Verbot entscheiden.
Vermittlerrolle der Schweiz auf dem Prüfstand
Dabei geht es etwa um die Frage, auf welcher gesetzlichen Grundlage ein solches Verbot erfolgen könnte. Gemäss heutiger Rechtslage ist die Schweiz daran gebunden, welche Organisationen die UNO verbietet oder sanktioniert. Festgeschrieben ist dies im Nachrichtendienstgesetz. Für ein Verbot wäre somit eine Gesetzesänderung nötig, die das Parlament vornehmen muss. Bisher hat die Schweiz nur den Islamischen Staat (IS) und al-Qaida verboten.
Mit der Prüfung der juristischen Fragen hat der Bundesrat die neu geschaffene «Taskforce Naher Osten» beauftragt. Neben rechtlichen Aspekten wird die Taskforce auch eruieren, welche Folgen ein Hamas-Verbot auf die Vermittlerrolle der Schweiz im Nahostkonflikt hat. Kritiker eines Verbots mahnen, die Schweiz vergebe die Möglichkeit, eine vermittelnde Rolle zu spielen.
Laut Botschafterin Maya Tissafi, Leiterin der Taskforce, hat die Schweiz an diesem Wochenende nach den Terroranschlägen sofort Hamas-Vertreter kontaktiert und sie dazu aufgefordert, die Gewalt zu stoppen und die Geiseln sofort freizulassen. Dies sagte die Botschafterin gegenüber dieser Redaktion. Die Schweiz bemühe sich – gemeinsam mit anderen Ländern – darum, eine Lösung für die Geiseln zu finden.
Die Taskforce wurde zur Prüfung der Fragen vom Bundesrat nun erweitert und zur gesamtbundesrätlichen Organisation bestimmt: Neben dem EDA sind das Verteidigungsdepartement, das Justiz- und Polizeidepartement, das Innendepartement sowie die Bundeskanzlei vertreten. So sollen Entscheide mit Bezug zu den Ereignissen im Nahen Osten rascher koordiniert und getroffen werden können.
Wird die Hamas verboten, kann die Beteiligung an der Organisation oder deren Unterstützung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden.
Dass der Bundesrat sich so rasch für ein Verbot der Hamas ausspricht, war nicht erwartet worden. Dabei dürfte die einstimmige Forderung der Sicherheitspolitiker und mehrerer Parteien zum Umdenken beigetragen haben. Bisher hatte der Bundesrat ein solches Verbot immer abgelehnt. So verwies er 2017 in seiner Antwort auf eine entsprechende Forderung von SVP-Nationalrat Christian Imark auf die Vermittlerdienste der Schweiz. Auch Israel werde regelmässig von der Schweiz über ihre Kontakte zur Hamas informiert, schrieb der Bundesrat damals. Gleichzeitig stellte er fest, «dass sich die Hamas in gewissen Bereichen pragmatischer als bisher zeigt».
Diese Einschätzung lässt sich nach den jüngsten Terrorattacken nicht mehr halten. Der Bundesrat habe sich bisher auf den Standpunkt gestellt, im Konflikt solle mit allen Parteien gesprochen werden, um die Möglichkeit von Friedensgesprächen offenzuhalten, stellte am Dienstag die nationalrätliche Sicherheitskommission fest. Doch die Hamas habe sich mit ihren menschenverachtenden Attacken als Gesprächspartnerin für einen Frieden nun «vollends diskreditiert».
Zu diesem Schluss ist jetzt auch der Bundesrat gekommen. Gleichzeitig will er aber weiterhin alles unternehmen, um zu einer Deeskalation in der Region beizutragen, wie der Bundesrat am Mittwoch in seinem Communiqué festhält. Damit unterstreicht er, dass er auch bei einem Verbot der Hamas weiterhin seine diplomatischen Kanäle offen halten will.
Wird die Hamas analog zum IS und zur al-Qaida verboten, kann die Beteiligung an der Organisation oder deren Unterstützung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Gleiches gilt für die personelle und materielle Unterstützung sowie für Propagandaaktionen.
Über Forderungen nach einem Hamas-Verbot wurde im Bundesparlament in den letzten Jahren mehrfach diskutiert. Doch bisher wurden die Vorstösse immer abgelehnt – zuletzt im Juni 2022 eine parlamentarische Initiative von Lukas Reimann (SVP). Für die Forderung votierte jeweils primär die SVP.
Fehler gefunden?Jetzt melden.