Mythen und FaktenSind Elektroautos wirklich brandgefährlich?
Man liest oft über brennende E-Autos. Dabei passiert das ziemlich selten. Doch woher kommt der Mythos? Ein Klärungsversuch.

Einer der häufigeren Vorbehalte gegen E-Autos ist deren angebliche Feuergefährlichkeit. Im Vergleich mit Autos mit Verbrennungsmotor schneiden sie aber tendenziell besser ab. Hier sind einige der häufigsten Fragen zur Brandgefahr bei Stromern und die Antworten darauf.
Brennen E-Autos häufiger als Verbrenner?
Aktuell deutet alles darauf hin, dass batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) seltener in Brand geraten als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Daten aus Norwegen zeigen, dass zwischen 2016 und 2022 der BEV-Anteil an den gesamten Autobränden nur 2,3 Prozent betrug, während ihr Anteil am Gesamtfahrzeugbestand bei 8,9 Prozent lag. Auch andere Statistiken weisen in eine ähnliche Richtung, etwa Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) oder der schwedischen Regierung. Gemäss einer Studie des US-Versicherers Autoinsurance EZ geraten E-Autos deutlich weniger oft in Brand als Verbrenner- und Hybridfahrzeuge. Von 100’000 BEV gingen nur 25 Fahrzeuge in Flammen auf, bei Verbrennern waren es 1530 Fahrzeuge, bei Hybriden sogar 3475 Fahrzeuge.

Wie sind Elektrofahrzeuge gegen Brände geschützt?
Elektroautos verfügen über mehrere Sicherheitssysteme. Welche davon vorhanden sein müssen, ergibt sich aus der ECE-Regelung R 100. Vorgeschrieben sind etwa diverse Vibrations-, Schock- und Wärmeprüfungen. Auch die Sicherung gegen Kurzschlüsse, Über- oder Entladung und Überhitzung sind festgelegt. Dazu überwacht ein Batterie-Management-System (BMS) permanent Strom, Spannung und Temperatur der Batteriezellen. In Zusammenarbeit mit dem Thermomanagementsystem regelt es mit Luft- oder Flüssigkühlung die Batterietemperatur. Kommt es trotzdem zu Problemen, reagiert das BMS mit der automatischen Abschaltung. Dazu kommen konstruktive Schutzeinrichtungen, etwa Hitzeschutzschilder, Belüftungsöffnungen und ein mechanischer Aufprallschutz für die Batterie.
Was sind die häufigsten Brandursachen bei Elektrofahrzeugen?
Bei Verbrennern gibt es eine ganze Reihe von Brandursachen: angefangen von Lecks im Treibstoffsystem über Elektrik-Fehler bis zum Parkieren mit heissem Katalysator auf der trockenen Sommerwiese. Beim E-Auto sind fast ausschliesslich Probleme mit der Batterie der Auslöser. Sie entstehen durch übermässige thermische, elektrische oder mechanische Beanspruchung der Batteriezellen. Zu den möglichen Ursachen zählen mechanische Schäden durch Verkehrsunfälle oder Fehler im Batterie-Management-System. Auch ein externer Brand kann für das sogenannte thermische Durchgehen des Energiespeichers sorgen.

Was heisst thermisches Durchgehen?
Ob durch einen externen oder einen internen Fehler: Wird eine Zelle in der Batterie zu heiss, droht das sogenannte thermische Durchgehen («thermal runaway»). Die Zelle entzündet sich, das Feuer greift auf Nachbarzellen über, schnell brennt der komplette Batteriepack, manchmal explodiert er sogar unter dem Druck. Ein weiteres Problem: Im Gehäuse liegen alle für den Brand nötigen Elemente vor: das mit Benzin chemisch verwandte Elektrolyt, das entfernt der Holzkohle ähnliche Grafit an der Anode und der häufig aus organischem Material bestehende Separator. Dazu kommen sauerstoffhaltige Verbindungen aus den Elektroden. Der Brand speist sich selbst, ist dabei durch das umfassende Batteriegehäuse von aussen schwer zu erreichen, was das Löschen erschwert. Dieser «Runaway» dürfte Entscheidendes zu den Angst-Mythen über E-Autobrände beigetragen haben.
Brennen E-Autos heisser oder länger als Verbrenner?
In Bezug auf die gesamte freigesetzte Wärmemenge und die Höchsttemperatur sind Brände in BEV und in Verbrennerautos ähnlich, wie aus Unterlagen der deutschen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) hervorgeht. Allerdings brennen E-Autos in der Regel deutlich länger, weil ihre Batterien nur durch Abkühlung löschbar sind – dazu werden eine riesige Wassermenge und entsprechend Zeit benötigt. Während bei einem normalen Fahrzeugbrand mehrere Hundert Liter Löschwasser ausreichen, sind gemäss dem internationalen Verband der Feuerwehren und Rettungsdienste CTIF für die Löschung eines Elektroautos mehrere 10’000 Liter Wasser nötig.

Wie werden brennende Elektroautos gelöscht?
Wie bei Verbrennerautos nutzt die Feuerwehr Wasser zum Löschen und Kühlen. Weil es innerhalb des Batteriegehäuses brennen kann, muss die Feuerwehr bei E-Auto-Bränden ihre Strategie anpassen. Um das Löschmittel in den Akku-Pack zu bekommen, werden etwa spezielle Löschlanzen oder Löschzugänge genutzt. Nach dem Löschen ist eine kontinuierliche Temperaturüberwachung nötig, da sich der Akku neu entzünden könnte. Die Übergabe ans Abschleppunternehmen erfolgt daher erst nach mindestens 30-minütiger Beobachtung. Anschliessend müssen die Elektroautos aus Sicherheitsgründen in Quarantäne, falls der Brand wieder aufflackern sollte.
Entstehen beim E-Auto-Brand mehr Schadstoffe als beim Brand eines Verbrenners?
Die Umweltbelastung unterscheidet sich zumindest in Hinsicht auf die freigesetzten Stoffe. Beim Löschen eines brennenden Akkus können laut NOW Nickel, Kobalt, Lithium, Mangan und Wasserstofffluorid in höheren Konzentrationen in den Abwässern vorkommen als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Im Löschwasser von Verbrennerautos lassen sich allerdings höhere Konzentrationen an Blei, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) nachweisen. Auch die Konzentration von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) – nicht abbaubaren «Ewigkeitschemikalien» – im Abwasser ist um das Vierfache höher.
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